„Macht Euch das bisschen Friede schon so übermütig?“ lässt der große Aufklärer Gottfried Ephraim Lessing in seinem Lustspiel „Minna von Barnhelm“ den Diener Just fragen. Programmatisch war diese Frage für die gesamte Revue, die die Folkwang Musikschule Essen am 1. Mai 2005 zum Abschluss des Musikschulkongresses ‘05 in der Philharmonie Essen vor 1.500 Besuchern aufführte.
Sinfonieorchester, Schauspielensemble und Tanzensemble der Folkwang Musikschule sowie Studierende des Fachbereiches Gesang der Folkwang Hochschule Essen und der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf riefen mit Musik, Tanz und Texten ins Bewusstsein, dass der 60 Jahre währende Frieden in Deutschland Leichtfertigkeit nicht verträgt und immer wieder neu bewahrt werden muss. Dass die jungen Künstler, die diese Revue bestritten, auch selbst hierzu beitragen, sprach der neu gewählte Vorsitzende des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM), Dr. Winfried Richter, zu Beginn in der Philharmonie aus und betonte: „Musikschulen sind auch ein Partner für den Frieden“.
Die Zeit um 1914 stand gleich zu Anfang mit Kriegsliedern im Mittelpunkt, unter anderem aus dem vaterländischen Volksstück „Immer feste druff!“ von Walter Kollo. Es folgten Ausschnitte aus Emmerich Kálmáns „Ein Herbstmanöver“ und „Der lustige Krieg“ von Johann Strauss. Das Gesangsquartett mit Ann-Kristin Seele, Marisa Ammann, Paul Popow und Matthias Sprekelmeyer überzeugte dabei mit großer stimmlicher Leichtigkeit und Bühnenpräsenz.
Beeindruckend war auch die Leistung des Sinfonieorchesters der Folkwang Musikschule, das unter der Leitung von Christian de Witt die „Egmont“-Overtüre und den Marsch in d-Moll von Anton Bruckner differenziert aufeinander abgestimmt, leidenschaftlich und auf hohem musikalischem Niveau spielte.
Ein „Wechselbad der Gefühle“ bot diese in sich höchst schlüssige Revue (Konzept und Regie: Michael Seewald, musikalische Leitung: Christian de Witt) zwischen Operettenseligkeit und der Ansprache von George W. Bush zum Beginn des Irak Krieges, vorgetragen von Gregor Beyerle. Nachdenklich stimmte das Sprecherensemble mit Sebastian Ahr, Jenny Berndt, Gregor Beyerle, Till-Simon Gebhard und Alexandra Hlastan mit der Ansprache von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges, Bertolt Brechts Rede „Zum Kongress der Völker für den Frieden“ und einem höchst aktuell wirkenden Auszug aus „Die Schuldfrage“ von Karl Jaspers aus dem Jahr 1946. Kinder waren es dann (Robin Peretzke, Patrik Busch, Till Rückwart als Nathan eins, zwei und drei die Verkörperung von Judentum, Islam und Christentum sowie Till-Simon Gebhardt als Saladin), die die „Ring-Parabel“ aus Lessings „Nathan der Weise“ vortrugen und damit die Gemeinsamkeit der Wurzeln der großen monotheistischen Religionen anschaulich werden ließen.
Sehr still wurde es im Saal, als die junge Jenny Berndt in eindringlichem Ton die weltweit aktuellen Kriege aufzählte, dabei den Zuhörern Zeit ließ und Raum eröffnete für den damit verbundenen Subtext. Der Schlussauftritt gehörte dem Tanzensemble der Musikschule mit einer Choreographie von Marius Bélise zu Charles Ives „The Unanswered Question“, die in ergreifender Weise die Fragilität des Friedens spürbar werden ließ und die permanente Aufgabe zu seiner Sicherung deutlich machte. Die Botschaft, dass Gleichgültigkeit statt Friedensanstrengungen fahrlässige Herausforderung von Gewalt bedeutet, nahm in dieser choreografischen Unmittelbarkeit der Bilder dumpf drohende Gestalt an.
Die Frage „Macht Euch das bisschen Friede schon so übermütig?“, die auch über das Ende hinaus offen blieb, wurde von diesem jungen Ensemble musikalisch und künstlerisch höchst bewegend und einfallsreich auf der Bühne umgesetzt. Das Publikum dankte mit großem und lang anhaltendem Beifall, der von vielfachen Bravo-Rufen durchsetzt war, für diese fesselnden Ideen und die mitreißende Aufführung.