An Kompositionswettbewerben gibt es in Deutschland jede Menge, darunter auch solche, bei denen es um neu zu schreibende Werke geht, die explizit von Laienensembles und/oder semiprofessionellen Orchestern, Kammermusikformationen, Sängern und Instrumentalsolisten aufführbar sein sollen. So unterschiedlich diese Wettbewerbe auch sind – eines ist vielen gemeinsam: die eingereichten Stücke werden von einer Jury bewertet, die Sieger gekürt, deren neues Opus aufgeführt … und dann verschwindet nach freundlichem Beifall des Publikums das Notenmaterial ziemlich schnell in der Schublade irgendeines Archivs, die Musik der Preisträger ebenso wie jene der von der Jury „aussortierten“ Komponisten.
Katharina Weißenborn vom Netzwerk Neue Musik Baden-Württemberg findet die Tatsache dieses Verschwindens sehr traurig. Seit 2009 veranstaltet das Netzwerk regelmäßig den „ad libitum“-Kompositionswettbewerb. Und auch hier ist so manches lohnende zeitgenössische Werk nach seiner Uraufführung in der Versenkung verschwunden statt dass es auf irgendeine Weise einer interessierten Öffentlichkeit, eben Laien und ambitionierten Halb-Profis hätte zugänglich gemacht werden können. Das wird sich in Kürze ändern, denn im Oktober 2016 startete die „Datenbank Neue Musik“. Ein kostenloses Online-Portal im Internet, mit dem eine Informationslücke geschlossen wird und das vor allem für jene interessant sein dürfte, die sich als ausübende Musikerinnen und Musiker ganz bewusst auf die Reise in die Welt oft „unerhörter“ Klänge machen möchten.
Was aber kann an Literatur etwa von John Cage oder Charlotte Seither, von Morton Feldman oder Iris ter Schiphorst zu spielen sinnvoll sein für eine Schüler-AG am Gymnasium, was für den vokalen und instrumentalen Einzelunterricht oder ein Klavierquartett in der Musikschule? Die Datenbank – ein gemeinsames Projekt der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen und des Netzwerks Neue Musik Baden-Württemberg – liefert detailliertes Informationsmaterial. Natürlich erst einmal zur erforderlichen Besetzung, dann aber auch über die Komponistinnen und Komponisten, die Entstehungzeit des jeweiligen Werkes und eine erste Kurzbeschreibung. „Die dient sozusagen als Appetizer“, meint Jörg Partzsch, Vorsitzender jenes fünfköpfigen Expertengremiums, das intensiv an der Datenbank gearbeitet hat und auch zukünftig arbeiten wird. Experten, die professionell mit Neuer Musik zu tun haben, die aber auch – und das ist der entscheidende, sie besonders qualifizierende Punkt – in ihrem Arbeitsalltag stets mit musikpädagogischen Aufgaben „an der Basis“ zu tun haben. Sie wissen also, worauf es ankommt, wenn es darum geht, Neue Musik zu erarbeiten.
Deshalb liefert die Datenbank neben ersten allgemeinen Beschreibungen der jeweiligen Werke Kriterien etwa über deren Schwierigkeitsgrad, dies in Form von Kommentaren. „Sind rhythmische Herausforderungen zu beachten? Sind Proben einzelner Stimmgruppen sinnvoll – oder doch gleich von Anfang an die Arbeit im Tutti-Ensemble? In diesen Fragen haben die Mitglieder unseres Gremiums sehr viel praktische Erfahrung gesammelt“, so Jörg Partzsch. Verlangt das Werk womöglich schauspielerische Fähigkeiten von den Interpreten? Und: wie ist die Musik notiert? Braucht es etwa eine „Bedienungsanleitung“ zur Entschlüsselung grafischer Notation?
All diese Aspekte werden in der Datenbank thematisiert und mit aussagekräftigen Partiturausschnitten illustriert. Auch hinsichtlich der Zielgruppen finden sich Hinweise: für welche Alters- und Entwicklungsstufe ist das beschriebene Werk geeignet? Und gelegentlich auch: für welches Publikum? Für dasjenige beim Klassenvorspiel in der Schule? Oder für ein Konzert geistlichen Charakters in einem Kirchenraum? Nicht fehlen werden selbstverständlich Hinweise, wie an Notenmaterial zu kommen ist. Starten wird die Datenbank mit rund 50 Kompositionen, von denen etliche in den letzten Jahren bei Wettbewerben uraufgeführt und prämiert worden sind. Federführend bei der Pflege dieser Datenbank ist die Bundesakademie in Trossingen. „Dort ist bereits das Bundes-Bigband-Archiv angesiedelt. Und deshalb passt auch die ‚Datenbank Neue Musik‘ gut dazu. Für ein Jahr wurde jetzt eine 50-Prozent-Stelle eingerichtet.“ Finanziert wird sie unter anderem von der Baden-Württemberg-Stiftung und der Stiftung LBBW Landesband Baden-Württemberg. „Sie ermöglichen den Start der Datenbank,“ freut sich Katharina Weißenborn.
Der Schwerpunkt liegt anfangs auf Musik für Ensembles ab zwei Spieler/-innen. Später kommen aber auch Sololiteratur und Vokalwerke hinzu – das Projekt versteht sich ohnehin als „work in progress“, wird also ständig erweitert.