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„Um die Musik ist mir nicht bang“

Untertitel
Der Musikbereich steht sich selbst auf dem Weg in die Zukunft im Wege
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Auch wenn angesichts der wirtschaftlichen Krise und der drohenden Einsparungen der öffentlichen Hände vielen Kulturinstitutionen und -einrichtungen in den nächsten Jahren schwierige Zeiten drohen – um die Musik, im großen und ganzen, ist mir nicht bang.

Betrachtet man die öffentlichen Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden laut Kulturfinanzbericht 2008, so startet die Musik zusammen mit Theater mit einem Anteil von 37 Prozent als Sieger. Die Museen, die den zweiten Platz einnehmen und zu denen beileibe nicht nur Kunst- oder Geschichtsmuseen, sondern ebenso Naturkunde- und technische Museen gehören, haben einen Anteil an den öffentlichen Kulturausgaben von 19 Prozent. Dann folgen die sonstigen Kulturausgaben einschließlich der Kulturverwaltung mit 16 Prozent, danach die Bibliotheken mit 14 Prozent, Denkmalschutz- und Denkmalpflege mit 5 Prozent, die Kunsthochschulen, zu denen auch die Musikhochschulen zählen, mit ebenfalls 5 Prozent sowie als Schlusslicht die kulturellen Angelegenheiten im Ausland mit 4 Prozent. Dass Musik und Theater auf „nur“ 37 Prozent der gesamten Kulturausgaben kommen, liegt vor allem daran, dass der Bund nur 2 Prozent seines Etats für Musik und Theater aufwendet. Dafür sind es bei den Ländern immerhin 39 Prozent und bei den Kommunen stolze 44 Prozent. Musik und Theater sind also in den Ländern und den Gemeinden die am meisten geförderten kulturellen Sparten. Das liegt darin begründet, dass es sich bei Theatern und Orchestern um große komplexe Betriebe handelt, die um ein entsprechendes Repertoire anbieten zu können, unbestritten viel Personal und Infrastruktur benötigen. Der Musik geht es, zumindest was die Wertschätzung in Form der öffentlichen Förderung angeht, ausgesprochen gut.

Um die Musik ist mir aber auch aus einem anderen Grund nicht bang. Die Musikverbände haben es in unvergleichlicher Weise geschafft, sich mit der Politik zu verbinden. Es gibt meines Erachtens keine künstlerische Sparte, in der so viele noch aktive oder ehemalige Mitglieder des Bundestags, der Landtage oder auch der Kommunalparlamente Verantwortung an herausgehobener Stelle als Präsidiums- oder Vorstandsmitglieder übernommen haben. Wird in anderen künstlerischen Sparten die Politik eher als Gegenüber begriffen, so ist hier eine enge Verflechtung zwischen Politik und Verbänden festzustellen. Die Musik ähnelt in dieser Hinsicht eher dem Sport als anderen künstlerischen Sparten. Und wie der Sport mit seinen Vereinen ist zumindest auch die Laienmusik bis auf die Ebene der einzelnen Gemeinde präsent. Musikverbände haben daher oftmals effektivere Instrumente, um ihre Interessen zu vertreten als andere künstlerische Bereiche. Die Krönung dieser Symbiose zwischen Musik und Politik ist unzweifelhaft die vom Kulturstaatsminister geförderte Initiative Musik.

Hauptsächlich ist mir um die Musik aber deshalb nicht bang, weil Musik hören immer noch zu den Lieblingsbeschäftigungen von Jugendlichen zählt. Jugendliche identifizieren sich über Musik, sie hören Musik, sie tanzen zu Musik und sie machen teilweise selbst Musik. Selbst ihr großes Interesse an Computerspielen und dem Internet hat daran bislang nichts grundlegend geändert.

Handlungsbedarf besteht aber dringend beim Schutz des geistigen Eigentums im Musikbereich. Hier müssen in den nächsten Jahren Strukturen entwickelt werden, damit Urheber, ausübende Künstler und Tonträgerhersteller einen wirtschaftlichen Ertrag aus der Verwertung ihrer Werke ziehen können. Damit dies gelingt, müssen bestehende Denkblockaden über die zukünftigen Formen des Handels mit Musik in der digitalen Welt schnell überwunden werden.

Etwas mulmig wird mir aber, wenn ich an die Zukunft der zeitgenössischen Ernsten Musik denke. Und da vor allem an die Komponisten. Zeitgenössische Musik findet wenig Platz in den Spielplänen von Theatern und Orchestern – von lobenswerten Ausnahmen abgesehen. Es reicht nicht aus, nur ein oder zwei Mal ein Stück aufzuführen. Bis Komponisten und Musikstile etabliert sind, bedarf es der kontinuierlichen Präsenz der Künstler und ihrer Kunst durch öffentliche Aufführungen. Im Unterschied zur gängigen Aufführungspraxis im Musikbereich spielt zum Beispiel in der Bildenden Kunst die zeitgenössische über privatwirtschaftliche Galerien vermittelte Kunst eine wichtige Rolle, und auch im hauptsächlich privatwirtschaftlich organisierten Literaturbetrieb wird eher auf die aktuellste Neuerscheinung als die nochmalige Auflage eines bekannten Werkes gesetzt.

Hier scheint mir der Musikbereich, vielleicht gerade wegen seiner weitgehend auskömmlichen Finanzierung und der auf Bewahrung angelegten Strukturen, sich selbst auf dem Weg in die Zukunft im Wege zu stehen.

Olaf Zimmermann,
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

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