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Carsten Brosda hält eine Rede in der Staatsbibliothek zu Berlin anlässlich 20 Jahre Bundeskulturministerium. Foto. Martin Hufner
Carsten Brosda hält eine Rede in der Staatsbibliothek zu Berlin anlässlich 20 Jahre Bundeskulturministerium. Foto. Martin Hufner
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Vielfalt der kulturellen Angebote produktiv gestalten

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nmz-Gespräch: Carsten Brosda leitet als Vorsitzender die neue Kulturministerkonferenz
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Angestoßen von Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur im rheinland-pfälzischen Kabinett Dreyer, war erst Sommer 2018 eine Diskussion unter den Kulturministern der Länder entstanden, bei der man sich darüber verständigt hatte, die Kulturminister der 16 Bundesländer in ein eigenständiges Gremium zu bringen. In einem sehr schnellen Verfahren wurde das auch umgesetzt. Die Kulturministerkonferenz beschloss dann bereits im Herbst 2018, dass man unter der Kultusministerkonferenz als eigenständiges Gremium gegründet werden sollte. Diesen Januar ist die neue Kulturministerkonferenz unter dem Vorsitz des Hamburger Senators für Kultur und Medien Carsten Brosda an den Start gegangen. Die nmz traf sich mit ihm zum Gespräch.

neue musikzeitung: Wie sieht Ihre Agenda als Vorsitzender der neuen Kulturministerkonferenz aus?

Carsten Brosda: Die Agenda der Kulturministerkonferenz ergibt sich nicht aus dem Willen eines Einzelnen, sondern aus den Gesprächen, die wir seit vergangenem Jahr im Kreis der Kulturminister vertieft führen. Es gibt gegenwärtig immer mehr Themen, bei denen es notwendig ist, dass die Länder auch untereinander gemeinsame Standards und Rahmenbedingungen vereinbaren. Wenn wir die Kulturhoheit der Länder ernst nehmen– und das tun wir alle miteinander – dann müssen wir bei all diesen Themen auch gemeinsam Antworten finden. Dabei geht es zum Beispiel um die Fragen: Was ist kulturelles Erbe in einer von Migration geprägten Gesellschaft? Wie gehen wir um mit der Digitalisierung und der Anwendung digitaler Technologien im kulturellen Fördersystem insgesamt? Was bedeutet die Aufarbeitung des kolonialen Erbes für die Sammlungen unserer Museen, aber auch darüber hinausgehend für eine post-koloniale Erinnerungskultur, die wir schaffen wollen? Wie gehen wir mit kulturellen Angeboten im ländlichen Raum um? Wie sieht die Rolle von Kulturmetropolen außerhalb der Bundeshauptstadt aus? Wie sieht es aus mit der Lage kleinerer und mittlerer Verlage, um die wir uns kümmern wollen? Uns geht es zunächst darum, einen Resonanzraum zu schaffen, in dem man konkrete Vereinbarungen treffen kann. Der Diskurs über all diese Fragen ist wichtig, das sich daran anschließende politische Handeln erst recht.

Kultur-MK füllt Leerstelle

nmz: Länder geben mehr für Kultur aus als der Bund. Und doch: „Der Bund gestaltet, die Länder verwalten?“ Das sehen Sie vermutlich nicht so, oder?

Brosda: Nein, diesen Spruch habe ich tatsächlich auch noch nie gehört. Solange rund 85 Prozent der öffentlichen Kulturausgaben von Ländern und Gemeinden kommen, wäre es auch komisch, wenn dort nicht auch die maßgebliche inhaltliche Gestaltungskompetenz läge. Die Kultur-MK ist keine Gründung gegen irgendjemanden, sondern vielmehr eine notwendige Ergänzung und Verbreiterung des Diskursraumes auch für nationale Themen. Da gab es eine Leerstelle, die wir jetzt füllen. Aus meinen Gesprächen mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters weiß ich, dass sie es sehr begrüßt, ab sofort einen Verhandlungspartner auf der anderen Seite zu haben, mit dem man auch gemeinsam Vereinbarungen treffen kann. Schauen wir uns beispielsweise das Thema „Aufarbeitung des Kolonialismus“ an. Hier sind wir dabei, gemeinsam mit der Bundesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden eine Position zu erarbeiten.

nmz: Die Kulturministerkonferenz ist unter dem Dach der KMK angesiedelt worden. Warum?

Brosda: Vor allem um möglichst wenig Vorlauf zu haben. Wenn Sie ein eigenes Gremium, eine eigene Ministerkonferenz gründen wollen, dann brauchen Sie als erstes den Beschluss der Ministerpräsidenten und den Beschluss der Finanzminister, die Sie mit Mitteln ausstatten – da ist einfach noch ganz viel Organisatorisches vorher zu klären. An diesem aufwändigen Prozedere hatten wir kein Interesse. Was die Kulturministerkonferenz künftig beschließt, ist ein unmittelbar wirksamer Beschluss der KMK, also der Kultusministerkonferenz. Wir müssen da nicht noch durch andere Gremien, wir sind kein Subgremium, sondern wir sind in unserem Bereich eigenständig beschlussfähig. So nutzen wir sehr positiv die Infrastruktur, die die KMK uns bietet, auch die Tatsache, dass es eingeführte Routinen gibt, unter anderem auch ein Referat, das sich um die Kulturthemen kümmert, das wir nochmal leicht aufstocken werden und das nun auch in der Lage ist, ein eigenständiges Gremium zu betreuen. Wir haben dort den Kulturausschuss der Abteilungsleiter aus den Länderministerien, die seit Jahren bei den wichtigen Abstimmungsthemen gut zusammenarbeiten. Sich unter dem Dach der KMK zu konstituieren, war die schnellstmögliche Option. Wir wollten jetzt anfangen uns um Inhalte zu kümmern und nicht erst zwei Jahre über Institutionsbildung diskutieren.

nmz: Die KMK ist sozusagen ein „natürlicher Partner“?

Brosda: Kultur gehört in den Bereich Kultus mit hinein, genauso wie Wissenschaft und Schule auch. Aber wir schaffen nun eine eigenständige Erkennbarkeit und einen Raum, in dem wir die Themen, die kulturpolitisch auf der Tagesordnung stehen, eigenständig diskutieren können. Das hat auch Sinn, weil Kulturthemen natürlich in einem System, das lange Zeit davon geprägt war, sich vor allem um Schule und Wissenschaft zu kümmern, überregional kaum diskutiert worden sind – bis auf wenige Ausnahmen.

nmz: Als Vorsitzender der Kultur-MK haben Sie Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB (CDU) als Gegenüber, dazu noch drei weitere Staatsministerinnen, die Kulturpolitik machen. Annette Widmann-Mauz MdB (CDU) ist Staatsministerin für Integration, Michelle Müntefering MdB (SPD) ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik und Dorothee Bär MdB (CSU) Staatsministerin für Digitales, auch ein Thema, das einen großen kulturellen Schwerpunkt hat. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Brosda: Ehrlicherweise zeigt das, dass Heterogenität auf beiden Seiten vorhanden ist. Die vermeintliche Idee, da spricht der Bund mit einer Stimme, hat sich – wenn man mal genauer in die Bundesregierung reinhört – relativ schnell erledigt. Mit den allermeisten der genannten Akteure haben wir uns schon in der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung des Koalitionsvertrages der aktuellen Bundesregierung getroffen. Da hatte ich ja die Freude, die SPD-Verhandlungsgruppe zu leiten. Frau Grütters hat die Verhandlungsgruppe der CDU/CSU geführt. Schön dabei ist, dass das kulturpolitische Feld noch nicht in gleicher Art und Weise, wie so manches andere politische Feld, von parteipolitischen Vorfestlegungen geprägt ist. Das heißt, es gelingt in der Kulturpolitik immer noch vergleichsweise gut, entlang der Sache zu diskutieren und zwar von Anfang an und nicht erst nachdem man durch übliche Abgrenzungsrituale hindurch musste. Ich hoffe, das bleibt so. Im Länderkreis dagegen spielt die Frage einer regionalen Perspektive eine viel entscheidendere Rolle, als die Frage, welches Ressort ist gerade in der Hand welcher Partei.

Kooperativer Kultur­föderalismus

nmz: Sie haben kürzlich in einer Rede den Begriff des kooperativen Kulturföderalismus genannt. Worum geht es da?

Brosda: Wir wollen die Vielfalt der kulturellen Angebote in der Bundesrepublik auf jeden Fall bewahren. Wenn Sie mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, England oder anderen, eher zentral organisierten Staaten zusammenarbeiten, dann finden die es immer wieder spannend, wie es uns in Deutschland gelingt, an so vielen Orten bundesweit relevante Kulturinstitutionen zu erhalten. Eine solche Dichte an Kulturangeboten auch in der Fläche zu haben, das ist unsere Stärke. Jetzt stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es aus dieser Heterogenität, aus dieser Vielfalt, dieser Diversität heraus zu Kooperation zu finden? Es gibt Themen, die uns gemeinsam berühren. Hier wollen wir gemeinsam die Rahmenbedingungen dafür schaffen, diese Vielfältigkeit auch dauerhaft produktiv gestalten zu können. Das ist wiederum eine Aufgabe, die natürlich den Ländern als Träger der Kulturhoheiten zufällt. Wir werden sie umso besser bewältigen, je mehr wir in der Lage sind, gemeinsam mit der Bundesregierung, aber auch mit den Partnerinnen und Partnern auf kommunaler Ebene und vor allen Dingen mit denjenigen, die in der Zivilgesellschaft kulturpolitisch und kulturell aktiv sind, zu diskutieren und zumindest die Rahmenbedingungen einerseits und die normativen Anlagen andererseits immer wieder neu zu festigen.

nmz: Wie definieren Sie aus der Sicht des Vorsitzenden der Kulturministerkonferenz „Kulturpolitik“?

Brosda: Kulturpolitik beschäftigt sich eigentlich mit etwas sehr Grundlegendem, nämlich mit den inneren Normen- und Wertestrukturen einer Gesellschaft. Kulturpolitik hat die Aufgabe, die Räume einer Gesellschaft zu öffnen, in denen die Begegnung mit Kunst und Kultur möglich ist. Sowohl auf der individuellen Ebene und der mimetischen Erkenntnis, also des ganz persönlichen hochemotionalen, manchmal auch völlig irrationalen Reagierens auf kulturelle Angebote, als auch durch das Öffnen von Räumen, innerhalb derer man gesellschaftlich dann auch miteinander über solche Erlebnisse sprechen kann, um daraus wiederum gemeinsame Absprachen und Vereinbarungen zu treffen. Eigentlich ist Kulturpolitik immer auch Gesellschaftspolitik, aber mit der Besonderheit, dass sie nie einer Zweckrationalität folgt, sondern am Ende immer völlig zweckfrei und gerade dadurch auch wieder sinnvoll sein kann.

Chaos in die Ordnung bringen

nmz: In Ihrer oben bereits erwähnten Rede sprachen Sie von „Inspiration und auch Innovation“ als Aufgabe der Künstler statt von „Repräsentation“?

Brosda: Kunst ist im Kern immer etwas Schöpferisches, natürlich kann sie auch etwas repräsentieren. Aber der spannende Prozess des Schöpferischen, der unserer besonderen politischen Sensibilität bedarf, der kann sowohl inspirierend wie irritierend sein. Beides hat einen gesellschaftlichen Wert. Adorno hat mal gesagt: „Kunst hat die Aufgabe, Chaos in die Ordnung zu bringen“. Hier muss Kulturpolitik die nötigen Räume schaffen, damit das möglich ist.

nmz: Über welchen Etat verfügen Sie?

Brosda: Den eigenen übergreifenden Etat haben die Länder selbst schon seit Jahrzehnten in Form der Kulturstiftung der Länder. Das ist letztendlich die Förderinstitution, die die Länder miteinander tragen und dann haben wir verschiedene andere länder­übergreifende Förderinstrumente in den letzten Jahren entwickelt, aber eben mit dem Bund. Es gibt keinen Etat, in dem die Kulturministerkonferenz noch einmal eigenständig Fördergelder vergibt. Muss es aber auch nicht, da dies ja nicht Sinn und Zweck der Kultur-MK ist. Ich hoffe jedoch sehr, dass es gelingt – gerade wenn es um die Frage geht: Was fördern wir wie? –, Förderbedingungen in den Ländern jeweils ein wenig anzunähern. Ein Beispiel ist das Thema Digitalisierung: Es spricht schon sehr viel dafür, gemeinsam generelle Standards zu vereinbaren, um auch sicherzustellen, dass etwas in verschiedenen Regionen unseres Landes auch gleich gut funktioniert, und man nicht mit einem einzelnen Projekt in einem Bundesland auf eine bestimmte Logik festgelegt wird, die schon nebenan nicht mehr funktioniert, weil das Nachbarland eine andere Logik fördert. Es hilft Künstlerinnen und Künstlern, die zunehmend auch nicht mehr nur regional unterwegs sind, wenn wir Rahmenbedingungen schaffen, die auch überregionales Arbeiten und das Kooperieren über die Ländergrenzen möglich machen.

Das Interview führte Andreas Kolb

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