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Was die Bibel über Musik erzählt, und umgekehrt

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Ein zweibändiges Kompendium über die Kreuz- und Querbezüge zwischen Musik und Bibel
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Thomas Schipperges: Musik und Bibel. 111 Figuren und Motive, Themen und Texte. Bärenreiter Basiswissen, Kassel 2009. Band 1: Altes Testament, 146 S., Band 2: Neues Testament, 144 S., je­ € 12,95, ISBN 978-3-7618-1944-9, ISBN 978-3-7618-1945-6

„Im Anfang war das Wort“, behauptet bekanntlich der Evangelist Johannes, aber Anthropologen wie Archäologen sind sich darin einig, dass auch Musik als organisierter Klang ohne Worte bereits in der frühen Menschheitsgeschichte mit im Spiel war. Wahrscheinlich entwickelten sich Sprache und Musik sogar gleichzeitig. So wundert es nicht, dass auch in der Bibel, zumal im Alten Testament, immer wieder von Musik die Rede ist, angefangen mit Jubal, „von dem sind hergekommen alle Zither- und Flötenspieler“ ­(1. Mose 4,21), bis zu der Posaune des siebenten Engels, den Harfenspielern und schließlich dem Verstummen der „Saitenspieler und Sänger, Pfeifer und Posauner“ beim Untergang Babylons in der Offenbarung, dem Finalbuch des Neuen Testaments. Während die Jahrtausende alten Verkündigungen, Berichte und auch Gesangstexte (Psalmen) in der Bibel nachlesbar überliefert sind, haben wir jedoch kaum eine Vorstellung davon, wie Musik in den verschiedenen Epochen und Gesellschaften der biblischen Historie geklungen hat.

Ungleich viel größer und erfahrbarer ist die Schnittmenge von „Musik und Bibel“, wenn es um von Bibeltexten inspirierte oder Bibeltexte vertonende Musik geht. Die Feststellung, dass die Bibel „der wichtigste Basistext der europäischen Musikgeschichte“ ist, trifft gewiss zu, nur fehlt den allermeisten von uns der Überblick sowohl hinsichtlich der „Heiligen Schrift“ als auch der Musikgeschichte.

Daher ist dieses kleine zweibändige Kompendium der Reihe „Bärenreiter Basiswissen“ hochwillkommen. Es richtet sich dem Verlag zufolge an Schüler, Studierende, Liebhaber geistlicher Musik ebenso wie an professionelle Musiker, Theologen und Journalisten, gewiss aber auch an Musik- wie Religionslehrer und darüber hinaus an alle Wissbegierige auf diesem Gebiet. Dem Autor Thomas Schipperges, religionswissenschaftlich und theologisch ebenso beschlagen wie als Musik- und Literaturwissenschaftler, zudem als Hochschullehrer erfahren, ist ein von umfassender Sachkenntnis zeugender, knapper und dennoch gründlicher Überblick gelungen, in der Gliederung vorwiegend der Reihenfolge der biblischen Bücher folgend, mit Einführungen in das Alte und das Neue Testament, das Ganze bei aller Kürze gut lesbar. Biblischerseits gibt es Zusammenfassungen einzelner Bücher mit ihren (vermutlichen) Autoren und Hauptakteuren (Abraham, Mose, Salomo, die Evangelisten ...), musikalischerseits Hinweise auf eine Fülle von Werken, entstanden seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart, von denen viele längst vergessen sind, wohl nur teilweise zu recht.

Schipperges lässt nichts aus: Dass zum Beispiel eine gewisse Judith Holfelder von der Tann sich als Sängerin der Band „Wir sind Helden“ den Künstlernamen Holofernes zulegte, also den Namen jenes Feldherrn von König Nebukadnezar im Alten Testament, den die schöne junge Witwe Judith aus Juda keineswegs heiratete, vielmehr den Bösen mit dessen eigenem Schwert enthauptete, deutet darauf hin, dass die Musikerin „Anstöße geben, auch Widerspruch erregen“ möchte.

Oder was auch nicht jeder weiß: König David, über den in fünf biblischen Büchern des Alten Testaments berichtet und auf den im Neuen Testament immer wieder hingewiesen wird, kann als die zentrale Musikgestalt der Bibel gelten; so verehrten ihn auch die Meistersinger im 15./16. Jahrhundert als ihren Patron. Tatsächlich lässt Richard Wagner den „Meistersingern von Nürnberg“ bei deren Einzug auf der Festwiese (3. Akt) eine Fahne vorantragen, „auf welcher König David mit der Harfe abgebildet ist“ und die bei ihrem Erscheinen „von allem Volk mit Hutschwenken begrüßt“ wird – eine Regieanweisung des antisemitischen Komponisten in Textbuch und Partitur, die bei Aufführungen während des Nationalsozialismus, zumal in Anwesenheit des „Führers“, vermutlich nicht befolgt wurde. Götz Friedrich aber schmückte in seiner noch heute gezeigten Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin diese Fahne, bereits während der Ouvertüre un-übersehbar, hintersinnig auch mit dem Davidstern.

Was an dem rundum gelungenen Kompendium „Musik und Bibel“ stört, ist die eher gewaltsame Aufteilung in zwei Bändchen, die auch eine teils unsinnige, teils unübersichtliche Trennung des Anhangs – Übersicht über die biblischen Bücher, Lese- und Hörempfehlungen, Personen- und Werkregister – zur Folge hat. Das aber ließe sich wohl bei der nächsten Auflage beheben. Die nachdrückliche Empfehlung dieser Publikation soll es nicht entkräften.

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