Nach drei Jahren Corona-bedingter Zwangspause war es in diesem März wieder möglich, die „Tage der bayerischen Schulmusik“ in bewährter Form als Präsenzveranstaltung durchzuführen. Vom 9. bis 11. März trafen sich über 300 Teilnehmende, Referentinnen und Referenten an der Hochschule für Musik und Theater in München zur schulmusikalischen Biennale des VBS, die inzwischen seit über 40 Jahren ausgerichtet wird.
Komponieren, Improvisieren, Sound-Design: Wie wird Musik ‚gemacht‘?“ – Im Zentrum stand diesmal der Entstehungsprozess von Musik. Den Auftakt bildete ein Festvortrag von Matthias Krebs (Universität Mozarteum Salzburg), einem ausgewiesenen Experten zu Musizierpraxen im digitalen Kontext. Die Anwesenden erhielten einen umfassenden Einblick in seine Forschungstätigkeit zum Musizieren, Komponieren und Improvisieren mit Apps. Im Fokus stand die Körperlichkeit der dabei angewandten Interaktionsprozesse. Festlich umrahmt wurde die Eröffnungsveranstaltung von mehreren Instrumentalensembles der Berufsfachschule für Musik Krumbach. Unter der Leitung von Matthias Haslach, Günther Beugel und Thomas Frank erklangen Kammermusik und Orchesterwerke von Rolf Wilhelm, Giacomo Puccini und Emil Waldteufel.
Facettenreiche Tagung
In etwa 50 Einzelveranstaltungen wurde das Tagungsthema unter einer Vielzahl von Facetten beleuchtet: Wie entsteht Musik im 21. Jahrhundert in unterschiedlichen Kontexten wie beispielsweise Filmmusik oder Jazz? Wie kann musikalische Kreativität wissenschaftlich erfasst werden? Welche Möglichkeiten der didaktischen Einbindung kreativer Gestaltungsprozesse im schulischen Musikunterricht gibt es? Wie lassen sich Songs für den eigenen Schulchor kreativ und stimmig umarrangieren? Wie beeinflussten instrumentenbauliche Gegebenheiten, Tonsysteme und Stimmungen in der Vergangenheit das Entstehen (oder Nicht-Entstehen) von Musik?
Diese und weitere Themen wurden in Workshops und Vorträgen in den Blick genommen. Dazu kamen zwei Abendveranstaltungen: Patrick Ehrich führte ein Podiumsgespräch mit dem Musiker, Komponisten und Hochschulprofessor Gerd Baumann und mit Hans Könnecke, der an der Musikhochschule München Komposition für Film und Medien studiert. Ein weiteres Highlight bildete die Live-Performance von Peter Michael Hamel und Michael Paul Thelonious Hamel am Freitagabend. Hier konnten die Anwesenden den beiden Künstlern „in Echtzeit“ beim Entstehungsprozess von Musik über die Schulter schauen, die instrumentale Live-Performance mit Elektronik vereint und die Beschaffenheit des Raums in den Gestaltungsprozess einbezieht.
Die Veranstaltungen zum Tagungsthema wurden in bewährter Weise durch Praxisworkshops ergänzt, in denen inhaltlich vielfältige Impulse für die Unterrichtsgestaltung gegeben wurden. Das Spektrum reichte dabei von Workshops mit spielerischen Zugängen zum aktiven Musizieren in der Primarstufe über Tanz und Popchor bis hin zu Informationen rund um die neue gymnasiale Oberstufe.
Zukunftswerkstatt zur Verbandsarbeit
Eine Neuheit stellt in diesem Jahr die Durchführung einer Zukunftswerkstatt zur Verbandsarbeit dar. Dabei handelt es sich um ein methodisches Format, bei dem die Betroffenen aktiv in die Gestaltung der für sie relevanten Prozesse einbezogen werden sollen. In einer Doppelsitzung am Freitagvormittag widmeten sich VBS-Mitglieder, Vertreterinnen und Vertreter aus der Lehrkräftebildung und eine Studierende folgenden Fragen: Was ist gut gelaufen in der Verbandsarbeit der vergangenen Jahre? Wo gibt es Möglichkeiten zur Verbesserung? Welchen wichtigen Themenfeldern sollte sich die Verbandsarbeit in den kommenden Jahren widmen? Wo gibt es innerhalb des Verbands Bedarf an strukturellen Veränderungen?
Dabei wurden als zentrale Aufgaben der drohende oder in manchen Schularten schon vorhandene Mangel an Musiklehrkräften sowie damit verbunden die Notwendigkeit einer Steigerung der Attraktivität des Berufsbilds identifiziert. In intensiven Diskussionen wurden Möglichkeiten des Verbands entwickelt, hier tätig zu werden. Außerdem wurde über Strategien zur Förderung des Musikunterrichts an Grund-, Mittel- und Realschulen nachgedacht. Auf struktureller Ebene ging es um eine personelle Erweiterung des Vorstands sowie um die Bildung und Förderung von themen- oder ortsbezogenen Arbeitsgruppen. Mitglieder, die sich hier aktiv einbringen möchten, sind jederzeit herzlich willkommen!
Ausstellungen
Auch in diesem Jahr hatten eine Reihe von Musikverlagen die Einladung des VBS angenommen und präsentierten ihr Sortiment in den Räumen der Opernschule. Eine Exkursion führte ins Deutsche Museum: Kuratorin Silke Berdux führte durch die im Juli 2022 wiedereröffnete Ausstellung „Musikinstrumente“ und erläuterte das neue Konzept. In 12 thematischen Modulen wird dort Musikgeschichte als Technologiegeschichte vermittelt, Themen und Instrumente reichen vom Serpent über das Cembalo des 16. Jahrhunderts bis zum Synthesizer der Gegenwart. Für Schulklassen und ihre Lehrkräfte gibt es maßgeschneiderte Führungen und Workshop-Angebote.
Mitgliederversammlung
Im Anschluss an die „Tage der bayerischen Schulmusik“ fand die jährliche Mitgliederversammlung des VBS statt, in deren Rahmen auch Vorstands-Neuwahlen anstanden. Kassenwart Reinhard Eckl informierte die Anwesenden über die aktuellen Mitgliederzahlen und die finanzielle Situation. Die Mitgliederzahl des Verbands geht bereits seit einigen Jahren langsam, aber kontinuierlich zurück (Stand 11.3.2023: 828). Austritte erfolgen vor allem aus dem Kreis der Pensionistinnen und Pensionisten. Angesichts der demografischen Entwicklung müssen in den kommenden Jahren intensive Anstrengungen unternommen werden, um neue und insbesondere jüngere Mitglieder zu gewinnen und für deren Belange einzustehen. Unberührt davon steht der VBS aber finanziell nach wie vor auf soliden Füßen, was kostenintensive Veranstaltungen wie die „Tage der Bayerischen Schulmusik“ auch künftig problemlos möglich macht.
Heidi Speth Ehrenvorsitzende
Den Höhepunkt der diesjährigen Mitgliederversammlung stellte die Ernennung von Heidi Speth zur Ehrenvorsitzenden des VBS dar. Laudator Bernhard Hofmann würdigte die umfangreichen Verdienste Speths während ihrer Zeit als Vorsitzende. In ihre Amtszeit fielen etwa die Neuausrichtung und Konsolidierung des Verbands nach 2011, die Durchführung der UPZ-Klage und die umfassenden Aktivitäten während der Corona-Pandemie. Dabei erwies sie sich als unermüdliche Kämpferin für die Belange der Schulmusik in Bayern. Der Verband ist Heidi Speth für ihren hohen Einsatz zu großem Dank verpflichtet und gratuliert sehr herzlich zum Ehrenvorsitz!
Die Vorsitzende des VBS, Gabriele Puffer, informierte anschließend die Anwesenden über die Verbandstätigkeit des vergangenen Jahres. Birgit Jank, Heidi Speth und Bernhard Hofmann bilden auch weiterhin das Referat für kulturelle Bildung des VBS. Gabriele Puffer und Bernhard Hofmann stehen vor dem Hintergrund der aktuellen Problemlage in regelmäßigem Kontakt mit Vertretern des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus und führten Ende Januar auch ein Gespräch mit dem Präsidenten des Bayerischen Musikrats, Dr. Helmut Kaltenhauser. Die Verbindung zum Bayerischen Realschullehrerverband wurde in den vergangenen Jahren in bewährter Form von Benedikt Landenhammer gepflegt.
Kontakte und Stellensituation
Die Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen vom VDS Niedersachsen unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Schulmusik (DGS) wird ebenfalls in bewährter Form gepflegt. Martin Weber, der Vorsitzende des VDS Niedersachsen, Kassenwart Frank Münter und Vorstandsmitglied Ralf Beiderwieden besuchten die diesjährigen „Tage der Bayerischen Schulmusik“ und nahmen auch an der Zukunftswerkstatt teil. Ralf Beiderwieden steuerte wie bereits bei früheren Veranstaltungen einen gut besuchten Workshop zum Programm bei. Für einen regelmäßigen Kontakt nach Niedersachsen sorgen Heidi Speth und Bernhard Hofmann mit ihrer Tätigkeit als Sprecherin und Sprecher des VBS in der DGS, die beide fortsetzen werden.
Auch der Kontakt zum Bundesverband Musikunterricht (BMU) wurde im vergangenen Jahr weiter gepflegt. Der erfreuliche Umstand, dass mehrere Mitglieder des Landes- wie des Bundespräsidiums die Eröffnungsfeier der „Tage der Bayerischen Schulmusik“ besuchten, lässt positiv auf eine weitere kollegiale Zusammenarbeit hoffen.
Eine wichtige Rolle spielt weiterhin die Zusammenarbeit mit den Berufsfachschulen für Musik, besonders durch die Aktivitäten unseres Vorstandsmitgliedes Thomas Frank. Die musikalische Gestaltung der Eröffnungsveranstaltung der „Tage der bayerischen Schulmusik“ durch die Ensembles der Berufsfachschule Krumbach sind Ausdruck dieser verstärkten gegenseitigen Aufmerksamkeit, sind die Berufsfachschulen doch seit vielen Jahren ein verlässlicher und wichtiger Partner bei der Gewinnung und Vorbildung unseres musikpädagogischen Nachwuchses.
Als große Herausforderung der kommenden Jahre kristallisiert sich auch im Fach Musik der drohende oder bereits vorhandene Lehrkräftemangel heraus. An den Gymnasien erhielt in den vergangenen Jahren konstant etwa die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber jährlich eine Planstelle angeboten (ca. 35 pro Jahr aus dem aktuellen Jahrgang und von der Warteliste, siehe auch die Berichterstattung in den NMZ-Ausgaben der letzten Jahre). Für die Mitte des Jahrzehnts ist durch die Wiedereinrichtung des neunjährigen Gymnasiums und aus demografischen Gründen mit einem deutlichen Anstieg des Bedarfs zu rechnen.
An den Realschulen gibt es bereits seit Längerem einen deutlichen Musiklehrkräftemangel. Die Studierendenzahlen im Lehramt Musik für Realschulen steigen zwar allmählich wieder, mit einer echten Entspannung ist aber vorerst nicht zu rechnen.
Besorgniserregend ist die Situation im Fach Musik an den Grund- und Mittelschulen. Hier bemüht sich das Kultusministerium mit einer Reihe von Sondermaßnahmen um kurzfristige Entlastung. Der VBS sieht einige dieser Aktivitäten kritisch: Das Werben um Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger löst die schon seit Langem bestehenden strukturellen Probleme nicht und verstärkt die Gefahr des Entstehens von „Musiklehrkräften zweiter Klasse“. Quer- und Seiteneinsteigerinnen müssen angemessen und zielgerichtet (nach-)qualifiziert in die Schulen kommen – auch wenn noch unklar ist, wie entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen aussehen könnten und wer sie durchführen soll. Das Angebot einer Nachqualifizierung zur „vollwertigen“ Lehrkraft an Universitäten und Musikhochschulen unter Anrechnung bereits vorhandener Qualifikationen besteht bereits seit Langem; es wird aber – wohl auch wegen des erheblichen Zeitaufwands – nur von Wenigen genutzt.
Mit besonderer Skepsis ist das Angebot an Absolventinnen und Absolventen der Berufsfachschulen für Musik zu sehen, bereits nach 2 Jahren Ausbildung als „Ein-Fach-Fachlehrkräfte“ im Schuldienst anfangen zu können: Ohne hinreichende und zielgerichtete pädagogische Qualifikation dürften die jungen Musikerinnen und Musiker sich in der Schule wohl vor allem überfordert und ausgebeutet fühlen. Bessere Perspektiven eröffnet die zweijährige Fachlehrerausbildung am Staatsinstitut in Ansbach, die auf dem Berufsfachschulabschluss aufbaut und praxisnah zur Fachlehrkraft in Musik und in Informationstechnik qualifiziert.
Insgesamt ist aber wieder einmal zu fragen, ob der Status einer Fachlehrkraft für die Schulen wie für die Lehrkräfte selbst befriedigende Zukunftsperspektiven eröffnet. An Grund- und Mittelschulen spielt das Klassenlehrerprinzip eine zentrale Rolle. Die Chancen, die sich daraus für „Musik als Unterrichtsprinzip“, für Musik als integralen Bestandteil jedes Unterrichtstags und des Schullebens ergeben, gehen verloren, wenn Musikunterricht vorwiegend oder ausschließlich von Fachlehrinnen und -lehrern erteilt wird.
Vorstandswahlen
Nachdem die Kassenprüfer Maria Gerstner und Robert Liebel die ordnungsgemäße Buchführung bestätigt hatten, wurde dem Vorstand einstimmig die Entlastung ausgesprochen. In der nachfolgend von Bernhard Hofmann geleiteten Wahl wurden Gabriele Puffer (Vorsitzende), Thomas Frank (stellvertretender Vorsitzender), Veronika Rattenberger (Schriftführerin) und Reinhard Eckl (Kassenführung) jeweils in ihren Ämtern bestätigt. Benedikt Landenhammer schied auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus. Zu seinem Nachfolger als stellvertretender Vorsitzender wurde Florian Aschenbrenner gewählt. Gabriele Puffer dankte allen Vorstandsmitgliedern für die gemeinsam geleistete Arbeit und würdigte besonders den scheidenden stellvertretenden Vorsitzenden Benedikt Landenhammer, der neben der Kontaktpflege zum Bayerischen Realschullehrerverband (brlv) maßgeblich an der Planung der „Tage der bayerischen Schulmusik“ 2020 und 2023 beteiligt war.