Nachdem das Studium Lehramt Musik an Gymnasien in einigen vorangegangenen Ausgaben1 der nmz an dieser Stelle aus universitärer Perspektive thematisiert wurde, sollen nunmehr aus Sicht der Musikhochschulen einige Aspekte und Überlegungen hinzugefügt werden.
Mangelfach und Einstellungspraxis
Als 2002 in Bayern ein dritter Lehrerbildungsstandort für das gymnasiale Lehramt Musik eingerichtet wurde, wurde das unter anderem damit begründet, dass ein Mangel an entsprechenden Absolvierenden herrsche.2 Derartiges war schon in den Jahren davor und auch in den Jahren danach zu hören, ohne dass dazu stichhaltige Begründungen gegeben wurden. Aktuelle staatliche Aussagen weisen in eine andere Richtung: In der „Prognose zum Lehrerbedarf in Bayern“ heißt es 2015 bezogen auf alle Lehramtsfächer, nahezu deckungsgleich wie 2013, demnächst gehe, da die „Schülerzahlen auch künftig weiter sinken“, der „Gesamtbedarf an Lehrkräften am Gymnasium deutlich zurück.“3 „Auch mittel- und längerfristig wird alleine das Angebot aus dem laufenden Prüfungsjahrgang den jährlichen Einstellungsbedarf am Gymnasium deutlich übersteigen.“4 Von einem spezifischen Lehrermangel für das Fach Musik ist aktuell nicht die Rede.
Was nun die Entwicklung der Einstellungszahlen angeht, stellt der Bayerische Philologenverband (bpv) Grafiken zur Verfügung, die auf Daten des Staatsministeriums fußen. Danach sind für Musik im Zeitraum 2004/05 bis 2014/15 durchschnittlich etwa 30 Einstellungen jährlich5 zu verzeichnen, zuletzt in deutlich rückläufiger Tendenz: Im Frühjahr 2014 wurden 19 (von 23 Bewerbern), im Herbst 2014 18 (von 27), im Frühjahr 2015 nur 9 (von 20) und im Herbst 2015 lediglich 7 (von 25)6 eingestellt. Von einem Bedarf an seinen Schulen scheint der Staat also nicht auszugehen, denn obwohl Bewerber zur Verfügung ständen, werden sie (auf jeden Fall bei den letzten vier Terminen) nicht eingestellt. Das erscheint bemerkenswert, auch wenn ein Teil dieser Bewerber eventuell eine entsprechende Anstellung bei einem kommunalen, kirchlichen oder privaten Gymnasium finden kann.
Wie passt das damit zusammen, dass, wie die Vorsitzende des vbs bei den Tagen der Bayerischen Schulmusik 2014 anmerkte, der Musikunterricht an den Schulen manchmal nur mit Mühe abgedeckt werden könne?7 Dem wäre zu entgegnen, dass erstens, der Fehlstundenbedarf an den Schulen mit der Zahl der zu besetzenden Planstellen nicht korreliert, zweitens, dass ein eigentlich vorhandener Bedarf im Fach Musik an der Schule auf andere Weise gedeckt wird und drittens, dass an den Schulen vielerorts ein Bedarf für eine volle Planstelle nicht zusammen kommt.
Fächerverbindung und Doppelfach
Musik in der Fächerverbindung für das gymnasiale Lehramt Musik wurde erstmals in der LPO von 2008 definiert, und seitdem gibt es an allen drei Lehrerbildungsstandorten Studiengänge, die diese Form des Abschlusses vorsehen. Erstmals wurden vermutlich 2013/14 erste Staatsprüfungen mit Musik in der Fächerverbindung abgelegt, mittlerweile nach Absolvierung des Referendariats wahrscheinlich auch Zweite Staatsprüfungen von solchen Lehrkräften.
Wie der Freistaat vorgehen wird, wenn bei der Bewerbung um Einstellung Absolvierende der Fächerverbindung mit solchen des Doppelfachs konkurrieren, ist nicht bekannt. Ebenso ist im Vorhinein nicht bekannt, wie hoch der jeweilige Bonus für die ist, die sich mit Musik als Doppelfach mit einem Erweiterungsfach bewerben; Absolventen dieser Variante, die mittlerweile immer häufiger realisiert wird, wären bei der Unterrichtsverteilung genauso variabel einzusetzen wie solche mit der Fächerverbindung.
Dass dem Staat an der Fächerverbindungsvariante gelegen ist, lassen Formulierungen in den Zielvereinbarungen schließen, die der Freistaat mit den Musikhochschulen München und Würzburg abgeschlossen hat. Hier wird die Förderung der Fächerverbindung besonders erwähnt, allerdings in einer weichen und eher unkonkreten Formulierung sowie verbunden mit einer schwer beziehbaren Zahlengröße. Dennoch kann diese Angabe als erster Schritt oder als Absichtsbekundung im genannten Sinne angesehen werden.
An den Musikhochschulen wird seit Jahren für die Fächerverbindung geworben; dabei wird unter anderem angeführt, dass es beim Unterrichten in mehreren Fächern didaktische Synergieeffekte gebe und dass die besondere Belastung von Lehrkräften im Unterrichtsfach Musik, das in vielen Klassenstufen einstündig zu unterrichten ist, abgemildert werde. Mit derartigen, fachlich und pädagogisch gehaltenen Argumenten wird in den Hochschulen das schulisch-institutionell angezeigte Interesse an variablerer Verwendbarkeit ergänzt. Dennoch übersteigt die Zahl der für das Studium des Doppelfachs Musik Interessierten diejenige, die ein Studium in der Fächerverbindung wünschen. Das zeigt die Beob-achtung der vergangenen Jahre. Darüber hinaus handelt es sich um eine Tendenz, die sich nicht nur an den Musikhochschulen, sondern auch an der Universität Regensburg zeigt. Ganz offensichtlich halten dort wie hier die am Lehramtsstudium für Musik am Gymnasium Interessierten das Doppelfachstudium für attraktiv und geeignet, ihre eigene fachliche Expertise und Persönlichkeit zu bilden. Sie tun das in freier Entscheidung und vor dem Hintergrund von Informationen. Das zieht als positiven Effekt nach sich, dass dem Freistaat Bayern und seinen Gymnasien höchst qualifizierte Personen für den Musikunterricht zur Verfügung stehen, denn Lehrkräfte mit dem Doppelfach Musik sind ein Qualitätsfaktor des gymnasialen Musikunterrichts dieses Landes. Die an der Universität Regensburg angestellten Untersuchungen zu Studienentscheidungen für Doppelfach beziehungsweise Fächerverbindung8 zeigen überdies auf, dass ein Interesse oder eine Entscheidung für das Doppelfach keineswegs als Entscheidung gegen den Beruf der Musiklehrkraft am Gymnasium zu verstehen ist; vielmehr geht es darum, die besten Voraussetzungen dafür zu erwerben. Dass Studierende sich mehr an ihrer fachlichen Bildung, ihren fachlichen Interessen ausrichten und nicht zunächst an dem, was für die Institution Schule am besten verwendbar ist, ist in der Hinsicht auf die zukünftige fachliche Arbeit an den Schulen sicher zu begrüßen.
Wenn, soweit zu erkennen ist, an allen drei Musiklehrerbildungsstandorten Bemühungen unternommen werden, den Anteil der Fächerverbindung zu stärken, die Steigerung eines Outputs in der Fächerverbindung dennoch eher langsam vorwärts kommt, hat das sicher auch damit zu tun, dass die Auffassung, die Fächerverbindung sei eine gleichwertige Alternative zum Doppelfach, zweifellos Zeit braucht. Ist doch das Doppelfach seit vielen Jahrzehnten in Bayern Norm und Normalfall.
„Verhältnismäßig wenige Absolventen finden […] den Weg in die Schulen“9
In der nmz 2014 findet sich dieser Satz mit einem Bezug zu einer Tagung auf Bundesebene, auf der gesagt worden war, es gebe eine „Diskrepanz zwischen der Zahl der abgeschlossenen Schulmusikstudien und der Zahl der anschließend in diesem Beruf Tätigen“.10 Behauptungen oder Vermutungen, dass aus dem Lehramt zugeordneten Studiengängen der Musikhochschulen verhältnismäßig wenige Absolventen den Weg in die Schule fänden, muss hier widersprochen werden. Sie sind für die bayerischen Musikhochschulen nicht zutreffend – wie für den Zeitraum von 2004 bis 2014 klar nachgewiesen werden kann:11
Den Vorbereitungsdienst Musik/ Gymnasium treten in elf Jahren insgesamt 347 Personen an, die die Erste Staatsprüfung an Musikhochschulen abgeschlossen haben.12
Geht man davon aus, dass im gleichen Zeitraum jährlich 50 Studierende an den Musikhochschulen das Studium aufnehmen (35 in München plus 15 in Würzburg) und etwa die gleiche Zahl mit der Ersten Staatprüfung abschließt, dann sind das in elf Jahren 550 Absolventen. Wenn davon 347 das Referendariat beginnen, bedeutet das einen Anteil von 63%.
Die Zweite Staatsprüfung legen nach absolviertem Referendariat insgesamt 392 Personen ab, davon 235 aus München, 103 aus Würzburg und 54 aus Regensburg. Bayernweit handelt es sich in elf Jahren um im Durchschnitt 35,6 jährlich.
Dass etwa zwei Drittel aller Lehramtsstudierenden für das Gymnasium an den Musikhochschulen nach der Ersten auch die Zweite Staatprüfung absolvieren, wird in den Musikhochschulen als guter Wert angesehen. Es kann somit begründet gesagt werden, dass – auch verglichen mit anderen universitären, auch lehrerbildenden Studiengängen – verhältnismäßig viele Absolvierende aus den gymnasialen Lehramtsstudiengängen der Musikhochschulen den Weg in die Schule finden.
Derzeit führen die Musikhochschulen eine Befragung durch, in der Daten erhoben werden, die einerseits Rückschlüsse auf Gründe zulassen, warum bei 37 % Absolvierenden der Ersten Staatsprüfung nicht der Weg in die Schule genommen wurde. Andererseits werden Auskünfte erbeten, die Kenntnis geben über andere Lebenswege oder Karrieren, die anstelle des Schuldienstes gefunden wurden. Bis genauere Ergebnisse der Studie bekannt sind, gehen wir davon aus, dass auch in anderen beruflichen Tätigkeiten als dem Schuldienst ein zufriedenes, erfülltes Leben möglich ist und dabei wertvolle Beiträge für Kultur und Gesellschaft erfolgen.
Konnte man bislang davon ausgehen, dass die Absolvierung der Zweiten Staatsprüfung Musik/Gymnasium eine sichere staatliche Einstellungschance bietet, relativiert sich diese Aussicht (s. o.), wenn zwar jährlich im Schnitt mehr als 35 Zweite Staatsprüfungen abgelegt, aber lediglich durchschnittlich 30 Einstellungen vorgenommen werden und das zuletzt mit deutlich abnehmender Zahl. Angesichts dieser Entwicklung wird an den Musikhochschulen die Forderung nach Steigerung der Lehramtsstudienplätze durchaus nachdenklich aufgenommen. Die in ihren Zielvereinbarungen festgeschriebene Steigerung der Lehramtsstudienplätze wird indes erfüllt.
Expertise und Persönlichkeit
Die Musikhochschulen haben die Gelegenheit der Novellierungen der Lehramtsprüfungsordnungen genutzt, um die Studienpläne der Schulmusikstudiengänge zu modifizieren. So hat die Einführung der Schulischen Ensemblepraxis (SEP) als neues Staatsprüfungsfach neben und zusätzlich zu den Ensembleleitungsfächern Chor- Orchester- und Bigbandleitung seit 2002 an den Musikhochschulen zur Einrichtung eines ausdifferenzierten Lehrangebotes geführt. Damit sollen Studierende in die Lage versetzt werden, mit Kindern und Jugendlichen auch bei geringeren Vorkenntnissen, bei heterogenen Musiziersituationen und in stilistischer Vielfalt auf inspirierende Weise niveauvoll musizieren zu können, zum Beispiel unter Erstellung eigener Musiziermodelle oder auch ohne dass Noten genutzt werden. Die Öffnung für Bigbandleitung als Staatsprüfungsfach hat zur Etablierung entsprechender Spiel- und Anleitungssituationen geführt, sodass eine musikstilistische Öffnung zu verzeichnen ist, in der die seit ehedem anspruchsvoll betriebenen klassisch-kunstmusikalischen Traditionen ergänzt wurden.
Die LPO von 2008 brachte mit der Modularisierung nicht nur eine organisatorische und konzeptionelle Neugestaltung mit sich, sondern mit der Einführung des Lehramtes Musik am Gymnasium in der Fächerverbindung neben dem Doppelfach eine grundsätzlich neue Herausforderung, mussten doch zwei unterschiedliche gymnasiale Lehramtsstudiengänge fachlich wie organisatorisch zueinander gestellt werden. In beiden Musikhochschulen wird dabei neben Modifikationen im Basisbereich (zum Beispiel Schulpraktisches Klavierspiel durchgehend als Einzelunterricht; Professur und Lehrangebote für Popularmusik in Würzburg beziehungsweise Musikethnologie in München) die Möglichkeit einer dezidierten fachlichen Schwerpunktbildung eingeräumt. Insgesamt wird versucht, künstlerische, wissenschaftliche, pädagogische wie direkt berufsorientierende Komponenten anzubieten und miteinander in Beziehung zu bringen. Im Blick sind dabei sowohl eine vielfältige fachliche Expertise, als auch die Schaffung von Räumen für individuelle personale Bildungsvorgänge.
1 Puffer 10/2014 (a), Puffer 11/2014, Pawellek & Puffer 12/2014–01/2015 sowie Grell 03/2015.
2 Vgl. Puffer 10/2014.
3 http://www.km.bayern.de/epaper/Lehrerbedarfsprognose_2013/index.html, S. 15 (4.1.2016).
4 http://www.km.bayern.de/lehrer/lehrerausbildung/lehrerbedarfsprognose.h…, S. 19 (4.1.2016).
5 http://www.bpv.de/downloads/201502_einstellungen_faecher.pdf; S. 12 insbes. (4.1.2016).
6 S. a. Quelle Staatsministerium: https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/gymnasium.html (4.1.2016).
7 Vgl. Speth, in: Hofmann/ Wenrich 2015, S. 14; vgl. auch Scholz nmz 9/2013.
8 „Doppelfach oder Fächerkombination? Gründe für Studienentscheidungen im Lehramt Gymnasium.“ Teil 1 (Pawellek & Puffer, nmz 12/2014–01/2015) und Teil 2 (Grell, nmz 03/2015).
9 Puffer nmz 10/2014.
10 KMpWH (Konferenz Musikpädagogik an Wissenschaftlichen Hochschulen) Potsdam 2004: http://www.nmz.de/artikel/tagung-zu-bachelor-master-studiengaengen-in-d… (4.1.2016).
11 Den Musikhochschulen wurde auf eine entsprechende Anfrage durch den Herrn Staatsminister ein differenziertes Zahlenmaterial zur Verfügung gestellt, es wurde durch eigene Zahlen ergänzt.
12 238 kommen aus München, 109 aus Würzburg, dazu noch 62 aus Regensburg, sodass es in elf Jahren insgesamt 409 neue ReferendarInnen gab.