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Beneidenswerte Klangkultur

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Das DMO im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt
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Das Festkonzert zum Jubiläum des Deutschen Musikschulorchester fand in Berlins Mitte, im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, statt. Eine sinnfällige Ortswahl, denn auch wenn das Orchester heute zu etwa 50 Prozent aus westdeutschen Jugendlichen besteht, so ist doch seine Tradition in der ehemaligen DDR begründet. „Typisch Osten“, mit solchen und ähnlichen Bemerkungen machte sich allerdings auch die Volksseele Luft, als das Konzert zwar pünktlich begann, aber ein großer Teil der Ehrengäste noch vor der einzigen Kasse stand, die dem Ansturm mehrerer hundert geladener Gäste nicht gewachsen war. Doch nach dem zweiten Einlaß wurde man durch Mendelssohn Bartholdys Konzert für Klavier, Violine und Streichorchester Nr. 1 d-Moll, in der Interpretation durch ein begeistert aufspielendes junges Streichorchester, mehr als versöhnt. Dirigent Hanns-Martin Schneidt hat ein besonderes Verhältnis zu seinem Jugendorchester gefunden. Er leitet die jungen Musiker mittels bildhafter Körpersprache: Jedes Crescendo, jede Zurücknahme, jede klangliche Nuance deutet Schneidt dem Orchester körpersprachlich aus. Und die Musiker reagieren auf den kleinsten Fingerzeig von ihm. Was die Nachwuchsmusiker im Alter von 13 bis 19 Jahren an diesem Abend boten, hatte professionelles Niveau. Das Orchester verfügt über eine Klangkultur, um die es manche Streichergruppe eines großen Symphonieorchesters beneiden darf. Es produziert einen dunklen, warmen Klang und ist ausgewogen in der Mischung der Register. Die Solistenpartien bei Mendelssohn Bartholdys Konzert übernahmen der Geiger Volkhard Steude und der Pianist Roland Batik. Steude, 1971 in Leipzig geboren, war selbst aus dem DMO, damals Rundfunk-Musikschulorchester, hervorgegangen. Er verstand sich blind mit Roland Batik, einem Gulda-Schüler, der sowohl im Jazz als auch im klassischen Konzertsaal zu Hause ist. Das Spiel der beiden wirkte routiniert, ein bißchen mehr persönliche Farbe hätte dem Duo dennoch gutgetan. Freilich sind dem individuellen Ausdruck und der Agogik im Zusammenspiel mit einem Orchester engere Grenzen gesetzt als im Kammermusikduo. Wieder und wieder faszinierten gelungene Übergänge zwischen Duoklang und dem plötzlich beigemischten Orchesterklang. War es schon Orchester, oder war es noch Klavier? Als ob Batiks samtweicher, runder Klavierklang sich plötzlich in ein Orchester verwandeln würde, so einfühlsam gestaltete Schneidt die Orchestereinsätze. Im zweiten Teil des Konzerts, bei Antonin Dvoráks Serenade E-Dur op. 22, legte Schneidt mehr Wert auf einen leichten Serenadenton als auf die dem Werk innewohnende Dramatik. Viel Beifall eines gewogenen Publikums bot dem DMO noch die Möglichkeit, in zwei Zugaben ausgelassene Jubiläumsfreude zu verbreiten. Ausgelassen war dann auch der anschließende Empfang im Beethoven-saal des Konzerthauses. Die Orchestermitglieder plapperten unbekümmert miteinander und freuten sich so sehr über das Treffen mit den vielen Lehrern und Ehemaligen, daß sowohl die Ansprachen als auch die eigenen Musikbeiträge in einer Lärmkulisse untergingen. Rainer Mehlig, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen, erinnerte an die Übergabe des Orchesters aus den Händen der ehemaligen DDR-Verantwortlichen in die Regie des VdM im Jahre 1990. Den Dozenten des DMO, Bodo Przesdzing und Hermann Weiche, Ditte Leser, Lothar Seidel und Frithjof Martin Grabner überreichte Mehlig zum Dank für ihre kontinuierliche Arbeit über Jahrzehnte jeweils eine Faksimile-Ausgabe von J.S. Bachs „Kunst der Fuge“. Gideon Rosengarten, Musikchef bei DeutschlandRadio, betonte die lange Zusammenarbeit mit dem nie älter werdenden Orchester und wies auf die neueste CD-Einspielung mit Schostakowitschs Kammersinfonie op. 110a und Bartóks „Divertimento“ hin.

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