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Regina Görner. Foto: ADC
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Der Dachverband als gemeinsamer Nenner

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Regina Görner, die neue Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände, im Gespräch
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Die neue Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände heißt Regina Görner. Zu ihrem Amtsantritt sprach Robert Göstl mit der früheren Saarländischen Sozialminis­terin.


neue musikzeitung: Frau Dr. Görner, Sie wurden vor kurzem zur Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände (ADC) gewählt. Auf der Homepage der CDU, deren Bundesvorstand Sie seit 2000 angehören, steht neben vielen anderen Tätigkeiten und Ihrem Hauptberuf im Vorstand der IG Metall auch die Mitgliedschaft in der Frankfurter Kantorei. Bleibt Ihnen denn selbst noch Zeit, in einem Chor zu singen?

Regina Görner: Ich habe am vorletzten Wochenende gerade noch zwei Konzerte mit der Frankfurter Kantorei gesungen: Verdi-Requiem in der Alten Oper Frankfurt. Leider klappt es nicht mit jeder Probe, und ich kann auch nicht immer pünktlich sein, aber wenn es irgendwie geht, bin ich dabei. Wenn ich selbst entscheiden kann, lege ich keine Termine auf den Probenabend. Das halte ich schon seit Jahren so, weil ich finde, dass Chorsingen eine wunderbare Alternative zu meinen beruflichen Aufgaben ist und mir richtig gut tut. Und auch im Urlaub versuche ich immer ein paar Tage fürs Singen freizuhalten. Im letzten Jahr etwa habe ich einen Workshop für Gregorianischen Choral besucht.

nmz: Welcher der vielen Punkte, die unter www.chorverbaende.de als Aufgaben der ADC benannt werden, liegt Ihnen besonders am Herzen?

Görner: Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände ist die gemeinsame Interessenvertretung der Chöre und ihrer Verbände in Deutschland. Als Dachverband muss sie die keineswegs immer einheitlichen Interessen und Anliegen der unterschiedlichen Verbände auf einen Nenner bringen, mit dem sich möglichst alle identifizieren können. Nur dann wird man sprechfähig, etwa gegenüber der Politik. Ich denke, dass hier die zentrale Aufgabe liegt, die die Verbände mir anvertraut haben. Ich weiß, dass das keine einfache Aufgabe ist, aber ich habe ja durchaus einige Erfahrung mit Dachverbänden und ihren Problemen. Ich habe mir vorgenommen, die Funktion des „ehrlichen Maklers“ zwischen den einzelnen Positionen zu erfüllen und meine Erfahrung in der Interessenvertretung einzubringen. Ich will dazu zunächst einmal eruieren, welche spezifischen Erwartungen die Verbände gegenüber der ADC haben, wo der Dachverband sie beispielsweise entlasten und unterstützen kann. Ich kann mir gut vorstellen, dass das je nach Verbandssituation sehr unterschiedlich ausfallen wird. Und daraus wird man dann eine Art Arbeitsprogramm entwickeln müssen.

Ganz persönlich steht mir der Chorwettbewerb in Marktoberdorf besonders nahe, denn ich war, ehe ich auch nur ahnen konnte, dass ich einmal eine Funktion in der ADC übernehmen könnte, regelmäßige Teilnehmerin dort – gleich beim ersten Wettbewerb 1989 aktiv mit dem Jungen Chor ­Aachen und später mit dem Frauen­chor Cant’Ella, den ich mitgegründet habe – und seither mehrfach einfach als Zuhörerin.

nmz: Findet Ihrer Ansicht nach die deutsche Laienchorszene bislang ausreichend Beachtung und Unterstützung vonseiten der Politik auf kommunaler, Länder- und Bundesebene?

Görner: Ich glaube, dass man hier schlecht generalisieren kann, und ich bin noch viel zu kurz im Amt, um mir ein umfassendes Urteil zu erlauben. Aber ich finde, wenn ich die Bedeutung der Laienchorszene etwa mit dem Sport vergleiche, dass da schon ein Missverhältnis besteht. Mehr als 1,5 Millionen Sängerinnen und Sänger und Zigtausende Chorleiterinnen und -leiter sind da aktiv, und fast alles bewegt sich auf ehrenamtlicher Basis. Das verdient öffentliche Unterstützung und Würdigung, denn ohne das, was hier eingebracht wird, wäre ein wichtiger Teil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland nicht da. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung scheint dies kaum eine Rolle zu spielen. Ich habe mich zum Beispiel immer gewundert, warum es keinen Bundesjugendchor gab und lange Zeit nichts Vergleichbares im Chorbereich zu „Jugend musiziert“.

nmz: Sehen Sie neben der Vernetzung der nationalen Chorszene und der Lobbyarbeit für das Chorsingen auch Bedarf, internationale Kontakte zu intensivieren?

Görner: In meiner eigenen Chorerfahrung haben internationale Kontakte eigentlich immer eine große Rolle gespielt. Ich habe mit meinen Chören beinahe ganz Europa bereisen dürfen, war auf fast allen großen Festivals und Wettbewerben, und, soweit ich sehe, gilt das auch für viele andere anspruchsvolle Ensembles. Für mich hat das jedenfalls einen sehr gro­ßen Stellenwert gehabt, und ich würde allen jungen Sängerinnen und Sängern wünschen, dass sie solche Erfahrungen machen können. Schließlich kann man mit Menschen aller Nationen gemeinsam singen, und das sollte auch immer gepflegt werden. Ich kann nicht beurteilen, welche Rolle Chöre etwa im Internationalen Jugendaustausch spielen, aber wenn es hier Defizite gibt, möchte ich daran auch arbeiten. Die ADC hat ja durch den Beitritt zu „Europa Cantat“ ihr Engagement im internationalen Bereich kürzlich verstärkt.

nmz: Professionelle Interessenvertretung bedarf einer entsprechenden personellen Ausstattung. Wie sehen Sie die ADC hierfür aufgestellt, was wünschen Sie sich?

Görner: Ich wünsche mir schon eine Professionalisierung der Interessenvertretung, denn nur mit Ehrenamtlichkeit landet man dabei heutzutage viel zu oft im Hintertreffen. Die ehrenamtlichen Führungskräfte brauchen Zuarbeit. Insofern begrüße ich die bereits vor einigen Monaten getroffene Entscheidung der ADC-Spitze, eine hauptamtliche Geschäftsführung einzurichten, die sich auf diese Aufgabe konzentrieren kann. Die Stelle ist augenblicklich ausgeschrieben, und ich hoffe, dass wir sie möglichst bald besetzen können.

nmz: In einer Pressemitteilung vom April 2011 wird die Einrichtung eines Bundesjugendchores angekün­digt. Wann darf man mit der Premiere dieses Ensembles rechnen?

Görner: Wenn sich unsere Pläne realisieren lassen, wird die erste „Ausbauphase“, die natürlich noch etwas bescheidener angelegt sein wird, schon im Frühjahr 2012 Arbeitsergebnisse vorstellen können. Die volle Chorgröße sollte dann ein Jahr später erreicht sein. Wir verhandeln in den nächsten Wochen dazu mit dem Bundesjugendministerium.

nmz: Die Chorlandschaft ist hellhörig, und so konnte einem nicht entgehen, dass der Deutsche Chorverband (DCV), der bislang mitgliederstärkste in der ADC, seinen Austritt aus der ADC erklärt hat. Ist dies für Sie eine unabänderliche Tatsache?

Görner: Natürlich nicht. Die ADC ist ein Dachverband, der die Laienchorszene insgesamt vertreten soll. Es würde nach meinen politischen Erfahrungen außen auch überhaupt nicht verstanden, wenn sich hier mehrere Ansprechpartner anbieten würden. Die öffentlichen Zuwendungsgeber erwarten zu Recht, dass sich die Verbände untereinander verständigen und sich dann mit gemeinsamen Ergebnissen an die Politik wenden. Das verstärkt das Gewicht unserer Positionen. Es wäre töricht, sich auseinanderzudividieren. Deshalb muss uns daran liegen, dass nicht nur der Deutsche Chorverband und die anderen Mitgliedsverbände sich in der ADC zuhause fühlen, sondern auch andere, kleinere Verbände, die noch abseits stehen. Ich will dazu demnächst Gespräche führen.

nmz: Welche jüngere oder jüngste Entwicklung bezüglich des Singens in Deutschland bereitet Ihnen die größte Sorge und welche stimmt Sie besonders optimistisch?

Görner: Die größte Sorge habe ich gerade genannt. Es kann nicht angehen, dass die Laienchorszene sich untereinander nicht verständigt und damit einen Teil des Kapitals verspielt, das sie in der Öffentlichkeit einbringen könnte. Aber abgesehen davon: Ich bin ja Bildungspolitikerin. Mit Sorge habe ich in den letzten Jahren gesehen, dass im deutschen Bildungswesen die Schulmusik so sehr an Bedeutung verloren hatte. Man glaubte, sie auf reine Wissensvermittlung reduzieren zu können, die gegenüber den für die Wirtschaft verwertbaren Themen zurückstehen müsse. Dass Singen und Musizieren nicht nur für die Persönlichkeitsbildung, sondern auch für Hirnentwicklung, Lernvermögen, Sozialverhalten und vieles mehr von entscheidender Bedeutung sind, scheint aber in letzter Zeit doch wieder bewusster zu werden.
Und optimistisch stimmt mich, welchen enormen Aufschwung die Chormusik in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten genommen hat, wieviele leistungsfähige junge Ensembles entstanden sind und immer weiter entstehen und wie viele junge Leute inzwischen entdecken, wieviel Spaß es macht, im Chor zu singen. Und als jemand, der vor 30 Jahren nie vermutet hätte, dass er auch mit 60 immer noch in einem anspruchsvollen Chor singen kann, sage ich hinzu: Ich hoffe, dass auch die Älteren das verstärkt entdecken.

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