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Authentisch sein: die Gewinnerin Katharina Morin. Foto: Kai Bienert

Authentisch sein: die Gewinnerin Katharina Morin. Foto: Kai Bienert

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Gemeinsame Suche nach guter Chorleitung

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In den zehn Jahren seines Bestehens hat sich der Deutsche Preis für Chordirigieren weiterentwickelt
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Mit einem strahlenden Lächeln der Gewinnerin des Sechsten Deutschen Preises für Chordirigieren Katharina Morin und einer gefühlvoll-fließenden Interpretation von Josef Rheinbergers „Abendlied“ op. 69 Nr. 3 endete am 12. Oktober ein durch und durch gelungener Wettbewerbsabend in der St. Elisabeth-Kirche in Berlin-Mitte vor erstmals ausverkauftem Haus.

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Die drei Kandidat*innen Lucia Birzer, Katharina Morin und Lukas Siebert – eindeutiger Publikumsliebling des Abends und Gewinner des Publikumspreises – haben gemeinsam mit dem RIAS Kammerchor Beachtliches geleistet. Jeweils fünf Werke aus Barock (Heinrich Schütz), Spätromantik (Anton Bruckner), Moderne (Gerald Finzi, Einojuhani Rautavaara) sowie ein Wahlstück und damit vier verschiedene Stile in vier verschiedenen Sprachen präsentierten die Kandidat*innen hinterein­anderweg. Danach zog sich die Jury, bestehend aus sieben Vertreter*innen von Musikhochschulen, Theatern, aus dem Chormanagement, dem Musikjournalismus sowie dem RIAS-Chor unter dem Vorsitz von Prof. Florian ­Helgath, zur Beratung zurück. Diese hatte bereits die Probentage begleitet. Außerdem war das Publikum aufgefordert, je eine Stimme abzugeben, um den/die Gewinner*in des Publikums­preises, gestiftet vom KulturKaufhaus Dussmann, zu bestimmen. Darüber hinaus erhielten alle Finalist*innen einen Förderpreis des Bärenreiter-Verlags in Form eines Notengutscheins. Der Preis selbst ist mit 5.000 Euro dotiert und wird im zweijährigen Turnus unter anderem von unisono Deutsche Musik- und Orchestervereinigung und der Vereinigung deutscher Opern- und Tanzensembles e. V. (VdO) gestiftet und damit von Gewerkschaften, die den dirigentischen Nachwuchs fördern, eine absolute Besonderheit wie der Präsident des Deutschen Musikrats Prof. Martin Maria Krüger bei seiner Begrüßung betonte. Zusätzlich erhält die Preisträgerin ein Engagement beim RIAS Kammerchor sowie beim MDR-Rundfunkchor. Vergeben wird der Preis bisher ausschließlich an Stipendiat*innen des Forums Dirigieren. 

Dieses bundesweite Förderprogramm des Deutschen Musikrates ist 1991 aus einem Zusammenschluss der bis dahin unabhängigen dirigentischen Fördermaßnahmen in Ost- und Westdeutschland hervorgegangen, zunächst aber nur als Förderung junger Orchesterdirigent*innen bis zum Alter von 30 Jahren. 2008 erfolgte auf Initiative von Bernhard Heß, Manager des RIAS Kammerchores, Prof. Jörg-Peter Weigle, beratendes Mitglied des Deutschen Musikrats (Beirat), und dem damaligen Projektleiter des Forums Andreas Bausdorf, heute Geschäftsführer der Deutschen Orchester-Stiftung, die Ausweitung des Programms auf den Bereich Chordirigieren, mit drei Stipendiat*innen im ersten Jahrgang. 

Auch wenn damals schon feststand, dass es einen Preis geben soll, dauerte es weitere sechs Jahre, bis 2014, und damit vor genau 10 Jahren, erstmals der Deutsche Chordirigentenpreis vergeben worden ist, damals an den ers­ten Preisträger Manuel Pujol. Die Stipendiat*innen des Forums durchlaufen zwei Förderstufen über jeweils mindestens zwei Jahre, in denen sie die Möglichkeit erhalten, mit renommierten Profiensembles, vor allem Rundfunk-, aber auch Opernchören, zu arbeiten. Durch dieses Förderprogramm soll Studierenden und frisch Absolvierten die Möglichkeit gegeben werden, oft erstmals mit professionellen Ensembles zusammenzuarbeiten und sich ein Netzwerk aufzubauen. Damit versucht der Deutsche Musikrat, eine Lücke im Hochschulsystem zu schließen, da es in der Ausbildung meist an Kontakt zum professionellen Musikleben mangelt. Gerade im Bereich Chor ist der Werdegang oft nicht so eindeutig vorgezeichnet, wie sich an der höheren Varianz an Studierenden aus verschiedenen Musikstudiengängen wie Schul- und Kirchenmusik oder Gesang neben Chorleitung erkennen lässt. 

Die zehnjährige Geschichte des Preises selbst ist durch Neuerungen geprägt. So firmiert der Deutsche Chordirigentenpreis ab sofort unter dem Namen „Deutscher Preis für Chordirigieren“, um Aspekten wie Gender und Diversity auch im Titel gerecht zu werden. Während die ersten drei Preisträgerkonzerte im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin stattfanden, war das Forum 2021 in der Sophienkirche und seit 2022 in der St. Elisabeth-Kirche zu Gast. Der Publikumspreis wurde erstmals 2018 vergeben. Seit 2021, damals coronabedingt, mittlerweile wegen der größeren Reichweite, wird das Finalkonzert als Livestream auf dem YouTube-Kanal des RIAS Kammerchor Berlin gezeigt. Diesmal durften die Finalist*innen außerdem zwei Wahlstücke einreichen, von denen die Jury eines fürs Konzert bestimmte. Dadurch konnten sich die Kandidat*innen noch besser mit ihrer eigenen Künstlerpersönlichkeit präsentieren. Zukünftig wäre zu überlegen, ob der Preis in Anlehnung an den im Bereich Orchester vergebenen German Conducting Award ebenfalls für Kandidat*innen außerhalb des Forums geöffnet werden könne. Dafür müssten aber erst die Voraussetzungen geschaffen werden, so Andrea Will Projektkoordinatorin Chordirigieren – Forum Dirigieren und German Conducting Award, unter anderem in Bezug auf die finanzielle Ausstattung und die Ausweitung der Probenphase. Wünschenswert wäre auch, wenn Imagefilme über die Kandidat*innen produziert werden könnten sowie weitere Partnerchöre für die Kursphasen im Förderprogramm gewonnen werden könnten. 

Ebenfalls zum ersten Mal fand vor ein paar Wochen auch ein Alumnitreffen mit allen ehemaligen Stipendiat*innen des Forum Dirigieren, Orchester und Chor, statt. Die Atmosphäre war hier durch gegenseitiges Interesse und Solidarität geprägt. Der Konkurrenzgedanke spiele heutzutage weniger eine Rolle als früher, so Andrea Will. Der freundschaftliche Umgang war auch zwischen der Jury und den Kandidat*innen deutlich zu spüren, die Bewertungssituation für alle Beteiligten eher schwierig, denn eigentlich steht ja die Vermittlung von chordirigentischen Feinheiten im Bereich Dirigiertechnik und musikalische Gestaltung der unterschiedlichen Stile im Vordergrund und, so Florian Helgath, die gemeinsame Suche danach, was eine gute Chorleitung eigentlich ausmacht. 

Die Preisträgerin Katharina Morin findet darauf eine klare Antwort: „Das Wichtigste ist, dass man authentisch ist, dann gewinnt man die Leute für sich.“ Deshalb freut sie sich auch am allermeisten darauf, dass sie für eine weitere Einstudierung zum RIAS Kammerchor wiederkommen darf, denn der Chor und sie seien eine Einheit gewesen und hätten zusammen gute Musik gemacht und einen schönen Klang erzeugt. Davon kann man sich noch bis zum 19. November auf der Website von Deutschlandfunk Kultur, wo der Mitschnitt des Konzerts in der Sendung vom 22. Oktober zu hören ist, und in der DLF Audio­thek-App oder im Stream auf dem YouTube-Kanal des RIAS Kammerchors und auf der Website von Forum Dirigieren selbst überzeugen.

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