Pünktlich zum Bundeswettbewerb 2024 ist der neue Verein Fördernetzwerk Jugend musiziert zum Leben erweckt worden. Nach den Beweggründen dafür sowie nach den handelnden Personen erkundigte sich die nmz bei der Vorsitzenden des neuen Vereins, Susanne Fließ. Begonnen hat es im Restaurant Kneitinger in Regensburg am Ende der Wespe 2021, dem Wettbewerb der Sonderpreise, erstmals nach der Pandemie wieder in Präsenz! Davor hatte ein ‚echter“ kleiner Bundeswettbewerb für die Ensemble-Kategorien in Bremen stattgefunden – wenn auch leider ohne Publikum. Vor diesem lag ein virtueller Wettbewerb in Bremen und 2020 war Jugend musiziert komplett ausgefallen – einmalig in der Geschichte des Wettbewerbs seit 1963. „Wir waren froh“ so Susanne Fließ, „wieder alle beieinander sitzen zu können und waren uns aber auch im Klaren, wie viel während der Dauer der Pandemie eigentlich verloren gegangen war an Kulturleben.“ Das war der Moment, wo eine kleine Gruppe Netzwerk-Gründer angefangen hatte, darüber nachzudenken, wie man den Wettbewerb „Jugend musiziert“ in seiner Vielfalt, in seiner Buntheit und vor allem in Bezug auf seinen Begegnungscharakter am Leben erhalten kann.
„Der Geist von Jugend musiziert fasziniert“
neue musikzeitung: Wer managt denn nun das neue Fördernetzwerk Jugend musiziert?
Susanne Fließ: Die Vorstandsmitglieder des Fördernetzwerks sind neben mir Marvin Braun, als stellvertretendem Vorsitzendem, Dr. Thomas Strang, Daniel Schenk, Julius von Lorentz, und den beiden Beisitzer*innen Ulrike Lehmann und Prof. Ulrich Rademacher. Gemeinsam haben wir an Satzungsformulierungen gefeilt. Zusammen mit weiteren jungen Leuten, die wirklich mit Herz und Seele und Verstand dem Wettbewerb verbunden sind, haben wir kontinuierlich weiter am Netzwerk-Projekt gearbeitet. Dann ist es uns gelungen, tatsächlich mit diesem Fördernetzwerk aus dem Ei zu schlüpfen.
nmz: Was ist der Unterschied zwischen einem Netzwerk und einem klassischen Jugend musiziert-Förderverein?
Fließ: Dieser Netzwerkgedanke, der ist uns ganz wichtig. Im Unterschied zu den Jugend musiziert-Fördervereinen, die es bisher in vielen Regionen Deutschlands gibt, agieren wir bundesweit. Wir wollen eine Plattform sein, über die sich Jugend musiziert-affine Menschen austauschen können. Das kann tatsächlich die Suche nach Lehrkräften sein, das kann die Suche nach musikalischen Begleitern sein, das kann die Suche nach finanzieller Unterstützung für einen Instrumentenkauf sein, nach Quartier, nach Mitfahrmöglichkeiten zum Wettbewerbsort.
nmz: Ihr seid nicht eingesetzt vom Deutschen Musikrat als Freelancer-Crowdfunding-Organisation?
Fließ: Nein, so ist es nicht gedacht. Dieses Fördernetzwerk ist keine Idee von Jugend musiziert selbst. Wir sind vollkommen unabhängig. Das wollen wir noch deutlicher machen, indem wir unser Profil in Zukunft weiter schärfen.
nmz: Unter euren ehrenamtlich engagierten Persönlichkeiten sind auch zwei hauptamtliche Jugend musiziert-Menschen dabei. Das ist einmal Prof. Ulrich Rademacher als Vorsitzender von Jugend musiziert und einmal Ulrike Lehmann als Projektleiterin. Was sind deren Aufgaben?
Fließ: Die Idee ist, dass man den Schulterschluss übt und dass man wirklich vertrauensvoll zusammenarbeitet und dass nicht das Fördernetzwerk unversehens Bereiche unterstützt, die nicht im Sinne von Jugend musiziert sind. Dazu ist ständige Kommunikation nötig. Wir haben zudem mit Julius von Lorentz einen mehrfachen Bundespreisträger im Vorstand des Fördernetzwerks. Ich halte es für bemerkenswert, dass ein junger Mensch wie er, Jugend musiziert nicht nur für einen Karriere-Durchlauferhitzer hält, sondern wirklich sein Herz an den Wettbewerb verloren hat und das, was er da erlebt hat und auch die Förderung, die er erlebt hat, weitergeben will.
nmz: Das Netzwerk will unterstützen und fördern, will es damit auch Einfluss nehmen? Und wenn ja, Einfluss worauf: auf kulturpolitische Fragen, auf die sogenannten Jugend musiziert-Problemzonen wie überfüllte Wettbewerbe auf Bundesebene oder knapper werdende öffentliche Förderung?
Fließ: Eine gute Frage und auch eine schwierige Frage. Wir wissen alle, die Lage ist derzeit nicht einfach: Die Personalkosten machen einer personalintensiven Organisation, wie Jugend musiziert es ist, das Leben schwer; die klammen Kassen der Länder und des Bundes, insbesondere aber der Kommunen führen zu einem allgemeinen öffentlichen Förderengpass für den Kulturbereich. Auch das Herrenberg-Urteil zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten an Musikschulen hat Einfluss auf die Ausbildung von jungen Leuten und damit am Ende auch Einfluss auf den Wettbewerb Jugend musiziert. Wir sind nach unserer Satzung mit dem Wettbewerb Jugend musiziert verbunden. Daher ist es aus unserer Sicht viel zu früh, bereits jetzt einen Pflock einzuschlagen und zu sagen, wir planen im nächsten Bundeswettbewerb das und wir werden mit dem und dem Event oder mit dem und dem Projekt sichtbar werden. Wir warten ab, wie sich Jugend musiziert entwickeln wird.
nmz: Hat das Fördernetzwerks eine Haltung zu der aktuellen Frage, ob der Wettbewerb Massenereignis mit Breitenförderung wird oder eher ein Ereignis mit einer reduzierten Teilnehmerzahl für die Spitzenförderung?
Fließ: In der Satzung steht die Förderung von Bundespreisträgerinnen und -preisträgern ebenso wie die Unterstützung von herausragenden Musikern, die aber vielleicht aus kinderreichen Familien kommen, deren finanzielle Möglichkeiten begrenzt sind. Denkbar ist die Unterstützung bei der Quartiersuche; oder die Übernahme von Kosten für eine größere Gruppe für ein Gemeinschaftsquartier. Es steht im Raum, dass man Jugendlichen die Teilnahme am Kammermusikkurs, der jetzt, glaube ich, das zweite Jahr in Folge nicht stattgefunden hat, mit den Mitteln des Fördernetzwerks ermöglicht. Aber es bleibt dabei: Wir greifen Jugend musiziert nicht vor, sondern schauen gezielt, wo das Fördernetzwerk unterstützen kann.
nmz: Du selbst hast viele Jahre in der damaligen Jugend musiziert-Zentrale in München mitgearbeitet und auch mit Förderern wie der Sparkasse zu tun gehabt. An wen wollt ihr euch wenden, wer könnte euch Unterstützung geben?
Fließ: Meine Überlegung war: Jugend musiziert hat in all diesen Jahrzehnten fast eine Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehabt. Wenn nur die Hälfte von denen einen Euro in dieses Fördernetzwerk steckt, dann hätten wir schon ein ordentliches Pfund, mit dem wir wuchern könnten.
Das ist die Zielgruppe und das ist auch die Schlagrichtung. Ich glaube nicht, dass wir mit der Förderidee der Sparkassen und des Bundes kollidieren. In diese Bereiche wird das Fördernetzwerk mit Sicherheit nicht einsteigen. Das ist nicht unsere Aufgabe, die Struktur des Wettbewerbs zu stützen.
nmz: Du bist an der Musikhochschule in Detmold als Referentin für den Sprecher der Landesrektorenkonferenz NRW, Prof. Dr. Thomas Grosse tätig. Was hat dich dazu bewogen, dieses Ehrenamt als Vorsitzende des Fördernetzwerkes zu übernehmen?
Fließ: Mich hat tatsächlich die Idee, der Geist von Jugend musiziert fasziniert. Junge Leute, die sich intensiv mit einer Sache, dem Instrument oder der Stimme beschäftigen; die so versunken und so beseelt in die Musik einsteigen können, das hat mich nie losgelassen. Jetzt arbeite ich tatsächlich an einer Musikhochschule und manchmal sehe ich diejenigen wieder, die ich vor ein paar Jahren noch auf einer Jugend musiziert-Bühne gesehen habe, die kommen natürlich auch nach Detmold zum Studium. Die spreche ich dann an und frage sie nach ihrem Lebensweg. Aber ich sehe und höre auch, wie schwierig es ist, junge Leute für ein musikpädagogisches Studium zu begeistern. Wer hier an die Hochschule kommt, sind junge Leute, die eher einen künstlerischen Studiengang anstreben, Schulmusik und EMP wird kaum nachgefragt. Es ist vollkommen klar, so viele Stellen in Orchestern und auf den großen Bühnen dieser Welt gibt es gar nicht, wie Jugend musiziert hervorragende junge Leute hervorbringt. Denen zu vermitteln, dass Musikvermittlung und Unterrichtstätigkeit sehr erfüllende Tätigkeit sein können, auch dafür ist der Wettbewerb da. Mit bestimmten Förderschwerpunkten können wir dafür sorgen, dass diese Einbahnstraße-Solistenkarriere ein bisschen geweitet wird. Die kulturpolitischen Fragen sind der Fachkräftemangel sowie das Problem der Hochschulen, die in bestimmten Studiengängen nicht mehr ausgelastet sind.
nmz: Haben wir etwas vergessen?
Fließ: Ja! An dieser Stelle möchte ich aufrufen, zu spenden. Je stabiler unser finanzielles Fundament ist, desto mehr Gestaltungsraum gewinnen wir.
Nachtrag der Redaktion
Auf der Jugend musiziert-Konferenz in Bonn am Sonntag, den 16. Juni, genau fünf Tage nach diesem Interview, gab es nach Informationen aus den Landesmusikräten keinen Beschluss für ein Kontingents- oder Obergrenzenmonopol für die Projektgesellschaft und deren Geschäftsführer Stefan Piendl, sondern einen Kompromiss: Alle Jugend musiziert-Veranstaltungen stehen künftig unter Finanzierungsvorbehalt. Damit ist der gordische Knoten zerschlagen, aber das eigentliche Problem noch nicht vom Tisch. Wie justiert sich Jugend musiziert neu? ak
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