Anfang Oktober 2024 feierten die Lehrenden der Klavierdidaktik und -methodik deutschsprachiger Musikhochschulen, Konservatorien und Musikakademien an der Hochschule für Musik Saar das 75. Jubiläum der Saarbrücker Gespräche. Der 1986 von Werner Müller-Bech gegründete Arbeitskreis vereint halbjährlich Fachleute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jubiläumssitzung in Saarbrücken. Foto: SBG-Archiv
Ansätze, die das Lernen und Lehren bereichern
Den Auftakt machte Benjamin Kammerer (Salzburg/Innsbruck) mit einem Vortrag zur Bedeutung des Fingersatzes für die Interpretation. Anhand historischer Schriften beleuchtete er die Rolle des Fingersatzes im Klavierunterricht vergangener Epochen und knüpfte die Brücke zur heutigen Praxis durch die Analyse aktueller Interpretationen und Fingersatzentscheidungen namhafter Pianist*innen. In der anschließenden Diskussion wurde betont, dass Fingersätze sich an den individuellen physiologischen Voraussetzungen orientieren und vor allem die Ausdrucksmöglichkeiten unterstützen sollten.
Isabel Gabbe (Salzburg/Innsbruck) thematisierte die Herausforderungen der Linkshändigkeit beim Klavierspiel und gab Einblicke in Entwicklungen im Klavierbau, die Linkshänder*innen unterstützen könnten. Es folgte eine rege Diskussion darüber, inwieweit Klavierunterricht die Bedürfnisse von Linkshänder*innen stärker berücksichtigen könnte.
Ulrich Hench (Nürnberg) eröffnete ein Forum zur fachdidaktischen Kompetenz als Studienziel. Seit jeher ist das Anliegen der Saarbrücker Gespräche, die Qualität der Ausbildung von Klavierlehrkräften zu stärken und den Austausch zu fördern. Er betonte die Bedeutung einer umfassenden Ausbildung, die Fachwissen mit sozialen, methodischen und personalen Kompetenzen verbindet, um Lehrkräfte auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler*innen vorzubereiten. Wilhelm Matanz (Nürnberg) bot Einblicke in die Klavierpädagogik, wie sie Sergei Rachmaninow von seinem Lehrer Nikolai Swerew erfuhr. Er hob die umfassende musikalische Bildung hervor, die neben der spieltechnischen Ausbildung auch unter anderem Konzertbesuche sowie intellektuelle Gesprächsrunden beinhaltete. Passend hierzu bot Linde Großmann (Berlin) einen Einblick in Samuel Majkapars Studium am Petersburger Konservatorium und entfachte eine lebendige Diskussion über das historische Curriculum.
Ein zentrales Thema der Saarbrücker Gespräche ist der Austausch über neue Entwicklungen. So wird mit der „Zukunftsinitiative SIRIUS 6.0“, die von Ulrike Wohlwender an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart initiiert wurde, seit 2020 das Spiel auf Flügeln mit schmaleren Tasten erprobt, was auch für die Prävention von Handproblemen bei Pianist*innen von Interesse ist. Inzwischen haben sich weitere Hochschulen dieser Initiative angeschlossen (siehe auch nmz 11/2024, S. 19). Auch das Thema Künstliche Intelligenz (KI) fand Einzug in die Klavierdidaktik: Karl-Heinz Simon (Dresden), Ulrich Hench (Nürnberg) und Benjamin Kammerer (Salzburg/Innsbruck) untersuchten die Möglichkeiten und Grenzen der KI im Klavierunterricht, in der Fachdidaktik und in der Lehrpraxis. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass KI zwar eine nützliche Ergänzung sei, jedoch keinesfalls die menschliche Interaktion und den künstlerischen Ausdruck ersetzen könne.
Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Forum zu Popmusik im Klavierunterricht. Birgit Göbel (Münster) zeigte Wege auf, wie sich Schüler*innenwünsche mit didaktischen Zielen verbinden lassen. Alexej Outekhin (Würzburg/Bremen) stellte Werke des Komponisten Daniel Hellbach zur Diskussion und Gesa Behrens (Frankfurt) präsentierte die pädagogisch motivierte Sammlung von Charakterstücken im Jazz- und Popstil „Cool Cat Piano Goodies“ von Ulrich Kallmeyer, die eine Brücke zwischen den verschiedenen Genres schlägt.
Die 75. Saarbrücker Gespräche regten zu neuen Ansätzen an, die das Lernen und Lehren bereichern. Die Entwicklungen der modernen Klavierpädagogik werden auch in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der Saarbrücker Gespräche bleiben und deren Relevanz für die klavierpädagogische Ausbildung weiter stärken.
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