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Auf der Suche nach pädagogischer Exzellenz

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Hochschulen engagieren sich für musikalische Bildung und sprechen darüber
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„Können Sie sich eine Welt ohne Musik vorstellen?“ Die Frage, mit der in der knackigen Anzeigenkampagne der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen (RKM) die Musik als fünftes Element oder fünfte Jahreszeit ins Bild gerückt wird, lässt nur eine Antwort zu: „Wir nicht.“ Dass darunter dann statt „Die deutschen Musikhochschulen“ ohne weiteres auch „Die deutschen Orchester“ oder „Die deutschen Instrumentenhersteller“ stehen könnte, signalisiert zweierlei: Zum einen hat die RKM einen Slogan mit hohem Identifikationspotenzial für sich entdeckt, zum anderen kann man immer das an Inhalt herauslesen, was man gerade will.

Was genau die Musikhochschulen mit dieser Kampagne aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der RKM eigentlich transportieren wollen, ist auf den ersten Blick also nicht zu erkennen. Auch die Startseiten der 24 Hochschul-Homepages, eigentlich nahe liegende Multiplikatoren für eine solche Botschaft, bieten keinerlei Hinweise (auf einer einzigen ist das Anzeigenmotiv überhaupt präsent), und auf der Seite der RKM selbst (www.die-deutschen-musikhochschulen.de) muss man erraten, dass die große Gemeinschaftsaktion im Bereich „Projekte“ ihrer Entdeckung harrt.

Und siehe da: Die Musikhochschulen haben eigentlich sehr genau definiert, was im Mittelpunkt dieses Aktionsjahrs stehen soll: eine „Initiative musikalische Bildung“. Klickt man sich weiter zur entsprechenden pdf-Broschüre, findet man das gemeinsame Ziel dann in einem Auszug aus einer RKM-Resolution auch klar ausformuliert:

„Die deutschen Musikhochschulen sehen sich sowohl der Ausbildung musikalischer Exzellenz verpflichtet als auch einer gesellschaftlichen Verantwortung für die Bereitstellung hochwertiger musikpädagogischer Angebote, die allen Kindern und Jugendlichen zugänglich sind. Als Ausbildungsinstitutionen für Persönlichkeiten in den Bereichen Musik, Pädagogik und Gestaltung des deutschen Musiklebens werden sie sich daher in der Wahrnehmung von künstlerischen, wissenschaftlichen und pädagogischen Aufgaben an den Zielen der ‚Initiative Musikalische Bildung’ ausrichten.“

Man muss freilich kein Hellseher sein, um aus dem ersten Teilsatz herauszulesen, dass dieses Bekenntnis zum pädagogischen Auftrag das Ergebnis grundsätzlicher Diskussionen gewesen sein dürfte. Man hört förmlich die Bedenkenträger an ihrer Last gequält aufstöhnen: „Musikalische Bildung? Meinetwegen – aber um Himmels Willen nicht auf Kosten unserer Spitzenmusiker!“ Als würde die Mitwirkung an einer Kinderoper das hohe C des mühsam aufgepäppelten Nachwuchstenors zum Einsturz bringen, als könnte der Workshop mit einer Schulklasse in den Hochschulräumen die Oktavgewitter der angehenden Fünf-Sterne-Pianistin übertönen.

Umso erfreulicher, dass sich die Fürsprecher der Initiative (zu der die RKM bezeichnenderweise den Impuls von der Kultusministerkonferenz benötigte) durchgesetzt haben und als ein Arbeitsergebnis nun eine Sammlung von Best-Practice-Beispielen vorliegt – wohl behütet in besagter pdf-Datei. Hier kann man sich nun ein Bild davon machen, was die Hochschulen schon immer in Sachen musikalische Bildung getan haben, aber bisher nicht so laut zu sagen wagten.
Nun kann man vielleicht geteilter Meinung darüber sein, welche der aufgelisteten Aktivitäten zum selbstverständlichen Kernbereich der Aufgaben einer Hochschule gehören (im Bereich der Schulmusikausbildung etwa) und welche ein darüber hinausgehendes Engagement belegen, die Bandbreite ist dennoch beeindruckend.

Vielfältige Aktivitäten

Stichwort Singen: Mehrere Hochschulen haben sich erfreulicherweise dieses Themas angenommen, sei es in regulären Studienangeboten (siehe hierzu auch den Artikel ab Seite II), sei es in speziellen Initiativen zur Lehrerfortbildung wie „SMS – Singen macht Sinn“ in Detmold (unser Titelfoto), „Stimm:Bildung“ in Köln oder „Primacanta – Jedem Kind seine Stimme“ in Frankfurt. Ein Bereich mit großem Zukunftspotenzial, der im Übrigen auch an kirchenmusikalischen Ausbildungsinstituten beheimatet ist, und gleichzeitig ein Musterbeispiel dafür, dass von den Hochschulen wirksame Impulse in die Breitenförderung ausgehen können.

Stichwort Musikvermittlung: Den Sprachwirrwarr einmal beiseite lassend, lässt sich feststellen, dass auch dieses Thema an den Hochschulen angekommen ist. Ob es nun das Implementieren entsprechender Module in die regulären Curricula, spezielle Studiengänge (mit unterschiedlichen Schwerpunkten) oder nur einzelne Konzert- und Opernaufführungen für Kinder betrifft: dass Musizieren immer auch etwas mit Kommunizieren zu tun hat, scheint sich auch in den Köpfen derer festzusetzen, denen das Wort Musikvermittlung schon immer suspekt war oder der zunehmend ausgeleierten Begrifflichkeit mittlerweile nichts mehr abgewinnen können.

Stichwort Kindergarten: Im Rahmen der Studienangebote zur Elementaren Musikpädagogik arbeiten zahlreiche Hochschulen mit Kindergärten zusammen, in Bremen ist mit „Amadeo“ kürzlich sogar ein Musikprofilkindergarten eingeweiht worden.

Stichwort Nachwuchsförderung: Alle 24 Hochschulen betreiben auf die eine oder andere Art Trüffelsuche in Sachen Hochbegabte. Die verschiedenen Modelle, darunter die Anbindung an Musikgymnasien wie in Dresden, Weimar oder Berlin (HfM „Hanns Eisler“), unterscheiden sich in der Konzeption und Ausgestaltung, machen aber zweifellos besonders dort Sinn, wo sie eng mit anderen Institutionen zusammengedacht werden und so ein Konkurrenzdenken erst gar nicht aufkommen lassen (am Beispiel der Kooperation der „young academy rostock“ mit den Musikschulen in Mecklenburg-Vorpommern beschrieben auf Seite V). Zweifellos gehört auch dies zu einem funktionierenden System musikalischer Bildung: dass überdurchschnittliche Talente nicht verkümmern, ohne andererseits von ehrgeizigen Eltern und Professoren verheizt zu werden.

Stichwort Kinderuni: Dies ist ein Format, das sich einige Hochschulen erfolgreich von Universitäten abgeschaut haben. Die Hörsäle öffnen sich und Professoren stellen sich der Herausforderung, Sachverhalte, die sie sonst Studierenden in aller Komplexität aufdröseln, einmal so zu erklären, dass auch Kinder sich etwas darunter vorstellen können. Übertragen auf die Musik bedeutet das in Nürnberg oder Weimar, dass den jungen Hochschulgästen Themen wie Dirigieren oder Filmmusik nahe gebracht werden – klingendes Infotainment sozusagen und eine prima Idee, bei der Fragen nach der Langzeitwirkung unangebracht sind.
Stichwort Neue Musik: Nicht erst seit den Aktivitäten des Netzwerks Neue Musik (wie etwa im KlangNetz Dresden) machen es sich Musikhochschulen zur Aufgabe, dem Zeitgenössischen außerhalb der eigenen Mauern Gehör zu verschaffen: Die UdK Berlin realisiert mit „Querklang“ experimentelles Komponieren nicht nur im Klassenverband, sondern bringt die Ergebnisse auch beim Festival MaerzMusik zur Aufführung; in Essen setzen sich Schüler aktiv mit der Musik eines lebenden Komponisten auseinander; in Lübeck erarbeiten Kompositionsstudenten an Schulen eigene Werke; in Freiburg ist das ensemble recherche unter dem Motto „Hör Mal!“ zusammen mit Schulmusikstudierenden aktiv; das Ensemble Modern ist in einem Response-Projekt Partner der Frankfurter HfMDK.

Wirkung nach innen

Soweit ein kleiner, keineswegs vollständiger und den Eigenarten der einzelnen Aktivitäten natürlich nicht angemessener Gang durch die von der RKM-Broschüre dokumentierte musikalische Landschaftspflege der Hochschulen, in der selbstredend auch die Themen JeKi oder Klassenmusizieren eine wichtige Rolle spielen. Die Nachfrage bei einigen Projektverantwortlichen bestätigte den Eindruck, dass diesem Engagement auch in den Hochschulleitungen der notwendige Rückhalt entgegengebracht wird (siehe hierzu auch die Gespräche mit den Hochschulpräsidenten in Nürnberg und Hamburg, Seiten IV und VII), während das Interesse der Kolleginnen und Kollegen aus unbeteiligten Fachbereichen sich vielerorts in Grenzen zu halten scheint.

Insofern genügt es nicht, das Aktionsjahr nur im Sinne einer Imagekampagne nach außen zu verstehen, vor allem auch innerhalb der Häuser muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Eine erste Gelegenheit ergibt sich bei der Rektorenkonferenz Mitte Mai in Trossingen. Denn erstmals wird hier der Hochschulwettbewerb nicht nur in künstlerischen Kategorien ausgetragen, sondern es werden auch die Gewinner der erstmals ausgeschriebenen Kategorie „Musikpädagogische Projekte“ ausgezeichnet.

Vielleicht versteht dann der eine oder die andere, dass es auch in der Musikpädagogik – die Instrumental- und Gesangspädagogik natürlich eingeschlossen – Leistungen gibt, für die nur ein Wort angemessen ist: exzellent.

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