Ende Oktober fand an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden der Fachtag „Traumberuf Musikpädagogik – Chancen und Herausforderungen eines Traumberufs!?“ statt. Für die nmz sprach Juan Martin Koch mit Katja Mangold von der Landeskoordinierungsstelle Musikalische Bildung in Sachsen über die Tagung.
Bestandsaufnahme und Lösungsansätze
neue musikzeitung: Was war der Impuls für den Fachtag „Traumberuf Musikpädagogik“?
Katja Mangold: Der Impuls für den Fachtag Musikpädagogik ging vom allgegenwärtigen Musiklehrkräftemangel sowohl im Bereich Schulmusik, als auch an Musikschulen aus. Ausgangspunkt für den Bereich Schulmusik waren die Ergebnisse der MULEM-EX-Studie, die drei Handlungsfelder identifiziert hat: erstens die Zugangsmöglichkeiten zum Studium – hier geht es um bessere und vielfältigere Vorbereitung – und eine Reform der Eignungsprüfungen, zweitens die Ausrichtung und die Inhalte des Lehramtsstudiums und drittens den Berufsalltag als Musiklehrkraft. Was die Musikschulen betrifft, so besteht schon seit längerem ein Fachkräftemangel, vor allem im ländlichen Raum, dessen Ursachen sicher auch in den schwierigen Rahmenbedingungen – darunter prekäre Beschäftigung in Honorarverhältnissen – und in mangelnder gesellschaftlicher Wertschätzung zu suchen sind.
nmz: Wie stellt sich der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel im musikpädagogischen Bereich in Sachsen konkret dar?
Mangold: Sachsen ist vom bundesweiten Trend betroffen. Laut Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm können zum Jahr 2035 nur 33 Prozent der benötigten Stellen im Schulfach Musik mit ausgebildeten Fachlehrkräften besetzt werden. Im Sommer 2024 wurde dazu eine neue Studie „Lehrkräftemangel in den Fächern Kunst und Musik“ veröffentlicht (Deutsche Telekom Stiftung), die einen gravierenden Mangel an Musiklehrkräften in den Sekundarstufen I und II prognostiziert. Auch an Grundschulen fehlen über 23.000 ausgebildete Musiklehrer, Tendenz steigend. Das hat zur Folge, dass nur 43 Prozent des von den Ländern vorgeschriebenen Unterrichts von grundständig ausgebildeten Musiklehrkräften erteilt wird. Im Musikschulbereich kommt verstärkend hinzu, dass nach 1989 ein großer Teil des Unterrichts (mancherorts bis 100 Prozent) auf Honorarbasis erteilt wurde, was prekäre Beschäftigung bedeutet und zu Altersarmut führt. In Anbetracht der Zugangsvoraussetzungen für ein Musikstudium, die nur durch einen hohen Anteil an privater Eigenleistung (Zeit und Geld) über viele Jahre hinweg zu schaffen ist, ist das Berufsbild zunehmend unattraktiv geworden. Selbst angestellte Musikschullehrkräfte sind schlichtweg falsch eingruppiert und somit massiv unterbezahlt. Corona hat das Problem wie durch eine Lupe hindurch betrachtet, vergrößert. Eine Abwanderung in andere Berufsgruppen hatte bereits vorher begonnen, sich dann aber verstärkt. Im ländlichen Raum herrscht akuter Musikschullehrkräftemangel. Aufgrund des Herrenberg-Urteils ist nur langsam mit einer entgegengesetzten Entwicklung zu rechnen. Im Moment müssen Länder und Kommunen entscheiden, wie viel ihnen musikalische Bildung wert ist und entsprechende Gelder bereitstellen, um die Kommunen nicht mit den Konsequenzen allein zu lassen. Im Moment verschärft das Urteil sogar den Fachkräftemangel, denn Honorarkräfte dürfen nicht weiter in der bisherigen Form beschäftigt werden. Viele Musikschulen müssen ihre Angebote kürzen oder streichen.
nmz: Von wem ging die Initiative für den Fachtag aus und wer waren die Teilnehmer?
Mangold: Der Fachtag Musikpädagogik geht auf die Initiative der Landeskoordinierungsstelle für Musikalische Bildung in Sachsen, des Zentrums für Nachwuchsförderung Leipzig sowie des Netzwerks musikalische Nachwuchsförderung in Sachsen zurück. Teilgenommen haben 40 führende Vertreter*innen der beiden sächsischen Musikhochschulen (Leipzig und Dresden), Vertreter des Staatsministeriums für Kultus sowie des Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, des Bundesverbandes Musikunterricht e.V. (LV Sachsen), des Verbandes deutscher Musikschulen e.V. (LV Sachsen), des Landesamtes für Schule und Bildung, des Zentrums für Nachwuchsförderung Leipzig, des Netzwerkes Musikalische Nachwuchsförderung in Sachsen und der Landeskoordinierungsstelle Musikalische Bildung in Sachsen, die Landeselternvertretung sowie Musikpädagogikstudierende.
nmz: Wie war die Veranstaltung strukturiert?
Mangold: Eröffnet wurde der Fachtag durch Impulsreferate. Da ging es zum einen um „die Fähigkeit der mehrdimensionalen Welterschließung als Ziel musikpädagogischen Wirkens“, zum anderen um die MULEM-EX-Studie und eine Befragung sächsischer Schüler*innen. Es schloss sich eine Podiumsdiskussion an, in der zentrale Fragen diskutiert wurden, zum Beispiel, ob die Ausbildung an den Hochschulen den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen entspricht. Diese Diskussion mündete unmittelbar in drei aufeinanderfolgende, intensive Arbeitsphasen, bei denen die heterogene Zusammensetzung der Arbeitsgruppen wichtig war.
nmz: Worum ging es dabei inhaltlich?
Mangold: Zunächst ging es um eine Analyse, wie sich das System zusammensetzt, was gut und was weniger gut gelingt, anschließend um Optimierungsmöglichkeiten. Dabei wurde nach der Methode des „Reverse Brainstorming“ vorgegangen, bei der eine Vergrößerung des Problems im Ergebnis dazu führen soll, kreative Lösungen zu finden. Bei den Lösungsansätzen wurde dann in ressourcenabhängige und ressourcenunabhängige unterschieden. Schließlich ging es um Transformation: Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, die Handlungsoptionen herausarbeiten, Schnittstellen identifizieren und Schritte festlegen sollten.
nmz: Welche Lösungsansätze haben sich bei der Tagung ergeben und welche davon wären kurzfristig, welche eher mittel- und langfristig angelegt?
Mangold: Kurzfristig könnte eine Sensibilisierung für Musikpädagogik in der Spitzenausbildung helfen, etwa unter Jugend-Musiziert-Teilnehmenden. Mittelfristig soll ein Musikmentoren-Programm auch in Sachsen etabliert werden. Dabei handelt es sich um ein Scouting-System, das perspektivisch zu mehr Bewerbern in musikpädagogischen Studiengängen führen kann. Daran sollen übergreifend alle Institutionen musikalischer Bildung beteiligt sein: Hochschulen, Schulen, Musikschulen, Vereine. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, einen Zertifikatsabschluss zu erwerben, der in Form von Creditpoints bei der Studienbewerbung Berücksichtigung findet. Überdies müssen die Zugangsvoraussetzungen für musikpädagogische Studiengänge unter dem Aspekt der Prüfung pädagogischer Qualifikationen überarbeitet werden. Langfristig wäre an eine Reformierung der Zugangsvoraussetzungen für den Seiteneinstieg ins Lehramt Schulmusik zu denken. Ein Seiteneinstiegsprogramm für musikalische Laien oder Studienabbrecher als Musikschullehrer könnte sich am Vorbild der Berufsakademie Trossingen orientieren. Weitere Ziele wären, einen Abiturabschluss im Fach Musik an allen Gymnasien zu ermöglichen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Pädagogik Kunst ist.
nmz: Wie wird der Impuls der Tagung weitergeführt, ist eine Fortsetzung in dieser oder anderer Form geplant?
Mangold: Als Ergebnis des Fachtages wird sich eine Steuerungsgruppe musikalische Bildung in Sachsen konstituieren, die die identifizierten Handlungsoptionen in Arbeitsgruppen weiter verfolgt. Es finden schon jetzt unterschiedlichste Vernetzungen von Teilnehmenden statt, die auf dem Fachtag gemeinsame Schnittstellen festgestellt haben. Ein weiterer Fachtag, der die Musikpädagogik in der Praxis in den Blick nimmt, ist für Herbst 2025 geplant.
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