Das Projekt We Dig It! entstand vor vier Jahren im Corona-Lockdown, als die Hochschule für Künste Bremen vor der Herausforderung stand, von einem Tag auf den anderen die Online-Lehre für sich zu erfinden. In dieser Situation der erzwungenen Digitalisierung eröffnete eine Ausschreibung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre neue Möglichkeiten: In der Förderlinie Hochschullehre durch Digitalisierung stärken sollten laut Ausschreibung ad hoc entwickelte, pragmatische Lösungen konsolidiert und weiterentwickelt werden, um die digitale und hybride Hochschullehre zukunftsfähig zu machen. Seit mittlerweile drei Jahren erprobt das Projekt gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden digitale Ansätze in Studium und Lehre. Noch bis Ende 2025 kann We Dig It! weitere wichtige Impulse für die Hochschulentwicklung geben.
Digitale Impulse in der musikalischen Lehre
Digitale Plattform HfK – Virtual Spaces
Der Untertitel des Projektes – Innovative Lehr-, Lern-, Konzert- und Ausstellungsräume für Kunst und Musik – gibt bereits einen Hinweis, worum es bei We Dig It! geht, nämlich um das Erkunden und Experimentieren mit neuartigen Raumkonzepten. Dabei sind vor allem virtuelle und hybride Räume von großem Interesse: So wurde im Rahmen des Projektes die digitale Plattform HfK – Virtual Spaces realisiert, die auf einem Modell des Speicher XI in der Bremer Überseestadt, dem Standort des Fachbereichs Kunst und Design, basiert. Initiiert hat die Plattform Marcus Liebich, der Leiter der 3D-Werkstatt. In den HfK – Virtual Spaces sind mehrere reale Räume der Hochschule digital nachgebildet und ermöglichen neue Ausstellungsformate mit digitalen Exponaten. Auch einen virtuellen Konzertsaal gibt es auf dieser Plattform sowie eine Klanglandschaft, in der 3D-Aufnahmen binaural erlebbar sind.
Immersive Klangwelten
Nicht nur in der virtuellen Klanglandschaft der Plattform HfK – Virtual Spaces spielen immersive Klänge eine große Rolle. Auch der Konzertsaal der HfK Bremen wurde mit einem 3D-Lautsprecher-Setup ausgestattet, das für elektroakustische Musik und audiovisuelle Projekte bereits intensiv genutzt wird. Das Setup soll innerhalb von We Dig It! noch im Sinne einer „virtuellen Akustik“ ausgebaut werden, so dass auch klassische Musik um neue und flexible räumliche Qualitäten erweitert werden kann.
Neue Impulse für die Lehre
Um solche immersiven Möglichkeiten zu erkunden, wurden auch mehrere Studios als Lern- und Produktionsräume technisch erweitert. Auch klassische Unterrichtssituationen haben sich an der HfK teilweise verändert, beispielsweise in musiktheoretischen Seminaren. Prof. Dr. Christoph Prendl (Musiktheorie Alte Musik) setzt Tablets im Unterricht ein. Die gemeinsame Bearbeitung einer Partitur erlaubt eine engere Zusammenarbeit und verbesserte Gruppendynamik, weil die Studierenden in Echtzeit die Arbeit ihrer Kommiliton:innen verfolgen können. Die Tablets werden an der HfK auch in Prüfungssituationen eingesetzt. Vor allem bei den Aufnahmeprüfungen in Musiktheorie und Gehörbildung liegen die Vorteile der sogenannten Online-in-Präsenz-Prüfungen auf der Hand: Diese digitalen Klausuren mit einer sehr hohen Zahl an Teilnehmenden können erheblich schneller korrigiert werden als analoge. Das ist für die Prüfenden sehr vorteilhaft, aber natürlich auch für die Verwaltung und die Bewerber:innen ein großer Gewinn, da die Ergebnisse zeitnah vorliegen.
Auch in der Elementaren Musikpädagogik wurden im Kontext des Projekts We Dig It! innovative Technologien im Unterricht erprobt. Die Musikpädagogin Prof. Dr. Barbara Stiller nutzte neue Analysetools für eine differenziertere Auswertung von Lehrversuchen. Dabei setzte sie beispielsweise 360-Grad-Kameras in Lehrpraxis-Kontexten der EMP ein. So sollten die Studierenden ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie sie sich in der jeweiligen Lehr-/Lernsituation verhielten und mit den Schüler:innen interagierten. Dabei wurde immer wieder aufs Neue hinterfragt, wie sich das Verhältnis von technischem Aufwand zu erkennbarem Mehrwert für die Studierenden verhält.
Zum Projekt We Dig It! gehört auch ein Steinway Spirio | r – ein Flügel mit Aufnahme- und Selbstspielfunktion. Dieser kann das Spiel aufzeichnen und über seine Klaviermechanik wiedergeben. Zudem lässt er sich über das MIDI-Protokoll mit anderen elektronischen Instrumenten verbinden. Mit dem Flügel wurden einige interdisziplinäre Projekte realisiert, die eine Verbindung von Musik und Multimediakunst verfolgten. Zudem wurde der Einsatz der Aufnahme- und Selbstspielfunktion im Klavierunterricht erprobt. Besonders die Möglichkeit, das Gespielte unmittelbar nach der Aufnahme auf demselben Instrument hören zu können, war für die Studierenden hilfreich bei der Reflexion des eigenen Spiels.
Digitale Professionalisierung für Lehrende und Studierende
Neben den zahlreichen Maßnahmen für Lehrende und Studierende in der curricularen Lehre fördert We Dig It! auch Qualifizierungen darüber hinaus. Im Teilprojekt „Digitale Professionalisierung“ wurden zahlreiche ein- oder mehrtätige Workshops angeboten, die anhand von vorherigen Befragungen der Zielgruppen initiiert wurden. Dabei gab es eine große Bandbreite – vom Gestalten einer eigenen Website, der Nutzung von KI in Kunst und Musik bis hin zum kurzen „digitalen Wochenstart“ am Montagmorgen. Als besonders nachgefragt hat sich dabei die „Sprechstunde Recht“ herausgestellt. Bei diesem Format können sowohl Studierende als auch Lehrende eine juristische Beratung in Anspruch nehmen, wenn rechtliche Fragen zur Digitalität bei der Umsetzung von Projekten bzw. künstlerischen Ideen auftauchen.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt des Projektes ist die Equipment-Ausleihe. Hierfür wurden aus Projektmitteln viele technische Geräte angeschafft, die sowohl die Lehre als auch studentische Projekte ergänzen und unterstützen sollen, insbesondere in den Bereichen Video, Ton und Virtual Reality. Zweimal wöchentlich betreut ein Team aus studentischen Hilfskräften die Ausleihe. Diese sogenannten eTutor:innen sind für alle Lehrenden und Studierenden der Hochschule ansprechbar und unterstützen beispielsweise auch bei komplexeren Konzerten oder Inszenierungen, wo vielschichtige Technik zum Einsatz kommt.
Multimediale Erweiterungen
Ein Bereich, der die Angebote wie technisches Equipment und das eTutor:innen-Team besonders intensiv nutzt, ist die Elementare Musikpädagogik. Die Studierenden müssen zum Abschluss ihres Studiums eine Inszenierung konzipieren und aufführen. Diese zentralen – oftmals noch analog praktizierten – Studieninhalte der EMP werden aktuell mit digitalen Technologien neu erkundet und erweitert. Was früher traditionelles Schattenspiel war, ist heute interaktive Performance-Kunst. Studierende der EMP erlernen digitale Szenarien selbst zu produzieren und zu bearbeiten. Auf diese Weise erwerben sie technische Fertigkeiten zur Erweiterung ihrer künstlerischen Kompetenzen, die für ein zukunftsorientiertes musikpädagogisches Studium wichtig sind.
In einem weiteren Teilbereich von We Dig It! wurde insbesondere die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Musik mit Kunst und Design gefördert. Raphael Sbrzesny, bis Sommer 2023 Professor für Kreation und Interpretation mit den Schwerpunkten Sound, Performance und Konzept, initiierte dabei maßgeblich interdisziplinäre Konzertperformances. Für die Studierenden ging es pragmatisch auch darum, innerhalb der HfK Bremen jeweils andere Disziplinen und Studiengänge kennenzulernen und gleichzeitig mit einem Ort außerhalb der Hochschule zu kooperieren. Insbesondere die Studierenden des Fachbereiches Musik sollten mit unkonventionellen Konzertformaten in Berührung kommen und neben den klassischen Spielstätten neue Performance-Möglichkeiten erproben.
Konzerte mit immersivem Sound finden regelmäßig im neu ausgestatteten Konzertsaal der HfK Bremen statt. In den elektroakustischen Konzerten stellten renommierte Gäste wie Natasha Barrett, François J. Bonnet und Ludger Brümmer ihre Musik vor. Zur Einweihung des neuen Speicher XI A in der Bremer Überseestadt unterstützte We Dig It! ein Projekt, in dem Studierende aus beiden Fachbereichen sich mit Iannis Xenakis’ Polytope de Cluny (1972) auseinandersetzten, um eine immersive Inszenierung in der neuen Architektur zu entwickeln. Besonders erfolgreich präsentiert aktuell Youngjae Cho seine Werke, der Elektroakustische Komposition im Konzertexamen bei Prof. Kilian Schwoon studiert. Unter anderem gewann er Mitte November die „International Student 3D Audio Production Competition“ in der Kategorie „Contemporary/Computer music“.
Um insbesondere die Zusammenarbeit zwischen den beiden Fachbereichen Musik sowie Kunst und Design zu fördern, hat We Dig It! bereits mehrere hochschulinterne Wettbewerbe ausgeschrieben. Im Rahmen dieser Wettbewerbe können Studierende und Lehrende Projekte umsetzen, beispielsweise zu innovativen hybriden Lehrformaten oder zur Interaktion mit dem Steinway Spirio | r. Im aktuellen Wintersemester lautet der Wettbewerbstitel Performing in HfK – Virtual Spaces und fördert performative Projekte, die in oder mit dem virtuellen Modell der HfK Bremen stattfinden.
Projektergebnisse – erlebbar für alle
Viele Ergebnisse aus dem Projekt We Dig It! können nur vor Ort entdeckt werden. Aber auch von außerhalb können Sie einen Einblick in die große Vielfalt der Projekte bekommen, denn seit kurzem gibt es auch einen We Dig It! YouTube-Kanal. In diesem gibt es beispielsweise mehrere Konzerte, die in 3D-Audio aufgenommen und anschließend für die binaurale Abspielung optimiert wurden, also für die Wiedergabe per Kopfhörer. Aber auch interdisziplinäre Konzertperformances oder audiovisuelle Inszenierungen sind dort erlebbar.
Links für mehr Informationen zu...
Zugang zur Plattform HfK – Virtual Spaces
Wir empfehlen einen Computer für die optimale Wiedergabe.
- Share by mail
Share on