Die fünf Musikuniversitäten Österreichs, die Kunstuniversität Graz, die Anton Bruckner Privatuniversität Linz, das Mozarteum Salzburg, die Konservatorium Wien Privatuniversität und die Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien haben kürzlich beschlossen, sich in regelmäßigen Abständen auf Rektorenebene zu treffen. Dieser lockere Zusammenschluss soll dem Informationsaustausch, aber auch dem Entwickeln gemeinsamer Vorhaben dienen. Mit dem Initiator dieses Forums, Prof. Georg Schulz, Rektor der Kunstuniversität Graz, hat Juan Martin Koch gesprochen.
neue musikzeitung: Sie haben kürzlich einen Beitrag über die österreichischen Musikuniversitäten für eine bald erscheinende Publikation der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen (RKM) verfasst; welches Bild hat sich für Sie ergeben?
Georg Schulz: Das Bild ist dahingehend sehr spannend, als wir für dieses kleine Österreich sehr hohe Studierendenzahlen und eine sehr breit ausgebaute Landschaft an Musikuniversitäten haben. Der Anteil von etwa 50 Prozent ausländischen Studierenden zeigt deren Attraktivität. Ich finde es großartig, dass sich die Länder und der Bund so große Musikuniversitäten leisten.
nmz: Ist der hohe Ausländeranteil im Zusammenhang mit Fragen der Finanzierung in der Diskussion?
Schulz: Nein, im Gegenteil: Der hohe Anteil wird in Publikationen des Ministeriums positiv herausgestellt. Wir sind allerdings derzeit mitten in einer allgemeinen Finanzierungsdebatte über die Universitäten, man wird sehen, ob die teuren Musik-Studienplätze dann zum Thema werden.
nmz: Woher kommen die Studierenden in der Mehrzahl, gibt es favorisierte Standorte?
Schulz: Das ist unterschiedlich: Wien und Salzburg ziehen besonders asiatische Studierende an, Graz hat aufgrund seiner Lage bewusst einen Ost- Südosteuropa-Schwerpunkt, dennoch stellen die Deutschen innerhalb der ausländischen Studierenden die größte Gruppe; Salzburg und Linz sind natürlich aufgrund der Nähe auch für Deutsche besonders attraktiv. Die Bandbreite an Nationen ist insgesamt aber sehr groß.
nmz: Warum entscheiden sich Studierende für Österreich?
Schulz: Zunächst spielt natürlich die Entscheidung für einen bestimmten Lehrenden die wichtigste Rolle, und da haben wir in Österreich ein hohes Renommee. Durch die Größe der einzelnen Häuser bieten wir außerdem eine stilistische Breite, man kann sehr viel Unterschiedliches erleben. Wenn ich mit den deutschen Studierenden in Graz spreche, nennen die einen den musikwissenschaftlich begleitenden Aspekt, andere kommen wegen Jazz und Klassik, weil sie an den Grenzbereichen interessiert sind, andere wiederum haben neben der klassischen Ausbildung die zeitgenössische Musik besonders im Blick. Die Studierenden entscheiden sich bewusst für ein bestimmtes Profil einer Universität.
nmz: Wie hat sich aus Ihrer Sicht im Zuge der Bologna-Reform die Mobilität entwickelt?
Schulz: Durch die kürzeren Studiendauern haben sich die Möglichkeiten für ein Erasmus-Semester verschlechtert, entsprechend sind diese Aktivitäten eher reduziert. Was sich enorm verbessert hat, ist aber die Möglichkeit, nach einem ersten Abschluss zu wechseln: etwa nach dem Bachelor in Graz zunächst den Master in Berlin und dann ein Doktoratsstudium in Helsinki anzuschließen. Es gibt da überhaupt keine Diskussionen darüber, wie viel Musikgeschichte oder wie viel Tonsatz jemand gemacht hat. Der Grad als solcher ist eine Einheit. Was die Frage nach drei- oder vierjährigen Bachelorstudien betrifft, so gibt es mit den vierjährigen, die wir überwiegend haben, überhaupt kein Problem, aber auch nach einem dreijährigen wird mittlerweile nicht mehr wie früher jedes Zeugnis angeschaut. Der Bachelor ist aus einem Guss, man fängt mit dem Master gleichsam frisch von vorne an, das ist ein großer Vorteil.
nmz: Stichwort Bologna: Wie weit ist der Prozess in Österreich gediehen?
Schulz: An den beiden Privatuniversitäten ist er komplett abgeschlossen, weil dies mit deren Umwandlung unmittelbar einherging, in Salzburg und bei uns in Graz ist er weitgehend abgeschlossen, in Wien an der Universität für Musik und darstellende Kunst gibt es dagegen noch viele Diplomstudiengänge.
nmz: Hat sich das Studienangebot im Zuge der Bologna-Reform stark verändert, und wie haben die Studierenden reagiert?
Schulz: Die Bologna-Umstellung und die Diskussionen darüber haben das Studienangebot stark beeinflusst und zu einer Profilierung der Standorte beigetragen. Ein prinzipielles Problem für die Studierenden, das aber nichts mit der Bologna-Reform zu tun hat, besteht darin, dass sie ihren künstlerischen Weg in diesem Alter zwischen 18 und 23 eigentlich erst finden müssen. Da kann sich zum Beispiel im Lauf des Studiums für eine Sängerin herausstellen, dass sie mehr zum Lied als zur Oper neigt, oder ein Instrumentalist entdeckt seine Begeisterung für altes Instrumentarium. Das ist ein ganz natürlicher Prozess, der dazu führt, dass Studierende häufig wechseln oder erst später entscheiden, dass sie auch eine pädagogische Ausbildung machen wollen, weil sie anfangen, darüber nachzudenken, was passiert, wenn sie nicht Solist werden.
nmz: Entscheidend ist somit die Durchlässigkeit?
Schulz: Ja, und die ist jedenfalls bei uns in Graz sehr hoch, weil bei der Anrechnung großzügig verfahren wird. Und nach einem Bachelor ist es möglich, in eine andere Master-Spezialisierung zu gehen. Auch zwischen Instrumental-/Gesangspädagogik und dem Konzertfach haben wir darauf geachtet, dass es möglichst viele Überschneidungen gibt und keine unnötigen Hürden entstehen.
nmz: Gab es im Rahmen dieses Prozesses strukturelle Vorgaben seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung?
Schulz: Nein, wir waren 100-prozentig frei in unserer Umsetzung. Das Ministerium geht erst jetzt an die Ausarbeitung eines bundesweiten Hochschulplans, von dem schon seit über 20 Jahren die Rede ist. Es kann also sein, dass nun eine Diskussion darüber entsteht, ob man alles an allen Standorten braucht. Wir haben nicht so sehr darauf geschaut, was die anderen Universitäten machen, sondern darauf, was wir gut können. Die Profilierung entstand in Österreich meiner Beobachtung nach aus den Qualitäten der Häuser selbst. Dadurch ist eine sehr schöne und vielfältige Landschaft entstanden, die vielleicht ein paar unnötige Doppelungen, dadurch aber auch gesunde Konkurrenz enthält. Es wäre, gerade aufgrund der unterschiedlichen Trägerschaften zwischen Universitäten und Privatuniversitäten, enorm schwierig, vom Ministerium aus klug einzugreifen.
nmz: Haben Sie die Initiative der RKM zur musikalischen Bildung verfolgt, wie ist der Stand der Diskussion an den österreichischen Musikuniversitäten?
Schulz: Zunächst einmal bewundern wir diese Initiative sehr, sie war mit ein Grund dafür, dass ich die Musikuniversitäten zum gemeinsamen Gespräch eingeladen habe. Was bei unserem ersten Treffen diskutiert wurde, geht genau in diese Richtung. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung, und zwar nicht nur für die Ausbildung von Spitzenmusikern, sondern für die Musikkultur insgesamt. Das hat, ganz eigennützig, auch etwas damit zu tun, dass wir Publikum brauchen. Ohne breite musikalische Bildung wird es für hochspezialisierte Musik und auch für Schauspiel irgendwann keine Zuschauer mehr geben, die auch erkennen, was gut ist.
nmz: Gibt es hier konkrete Initiativen, die von den Universitäten ausgehen?
Schulz: Es beschränkt sich bisher auf kleinere Einzelinitiativen, deswegen ist das ein Thema, worüber wir zu fünft reden wollen. Wenn die Musikuniversitäten gemeinsam sprechen, ist kulturpolitisch mehr zu bewegen. Die Frage nach Modellen wie dem Klassenmusizieren ist hier beispielsweise noch in den Kinderschuhen.
nmz: Ist der Prozess der Umwandlung von Konservatorien in Musikuniversitäten nun abgeschlossen, oder ist hier noch Bewegung zu erwarten?
Schulz: Nach meiner Beobachtung ist dieser Prozess nach den Umwandlungen in Linz und Wien nun auf längere Sicht beendet. Die Landeskonservatorien suchen aber den Kontakt zu in- und ausländischen Universitäten, um im Rahmen von Kooperationen in bestimmten Bereichen, meistens in der IGP, einen Bachelor anbieten zu können, zum Beispiel das Landeskonservatorium in Feldkirch mit dem Mozarteum oder das in Klagenfurt mit der Alpen-Adria-Universität.
nmz: Gibt es in Österreich Besonderheiten in den Bereichen Wissenschaft und Forschung?
Schulz: Es wird eine sehr intensive Diskussion über künstlerische Forschung geführt. Wir sind stolz darauf, dass der FWF, unser Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, seit nunmehr zwei Jahren ein eigenes Förderprogramm für künstlerische Forschungsprojekte aufgelegt hat und dass sich die Musikuniversitäten dort immer wieder mit Erfolg bewerben. Es geht darum, eine bestimmte Fragestellung nicht mit wissenschaftlichen, sondern mit künstlerischen Methoden zu untersuchen. Im Nachhinein betrachtet war zum Beispiel das, was Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus gemacht hat, künstlerische Forschung. Ein spannendes Feld, auf dem sich in Zukunft sicher noch viel bewegen wird.