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In einem barocken weiß verputzten Saal mit creme-farbenen Vorhängen und bemalten Decken spielt ein Holzblas-Klavierquintett. Ein Mann steht vor dem Ensemble und spricht gestikulierend zu den jungen Musiker:innen.

Prof. Karsten Nagel in der Kammermusikprobe. Foto: Konstanze Frölich

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Einstieg ins Studium im Zusammenspiel

Untertitel
Die Projektwoche am Leopold Mozart College of Music
Vorspann / Teaser

Wenn junge Musikerinnen und Musiker sich für ein Studium entscheiden, ist der Studienbeginn für sie zum einen so, wie für alle jungen Studierenden: Verwirrend und herausfordernd, was die neuen Lehr- und Lernstrukturen anbelangt, aufregend im Ausloten dessen, was das erhöhte Maß an Freiheit und Eigenverantwortung bedeutet. Dennoch gibt es naturgemäß auch Unterschiede: Studierende eines Musikstudiums haben sich bereits über einen langen Zeitraum mit der Materie beschäftigt, die sie studieren. Sie haben darüber hinaus im intensiven Training der Stimme oder des Instruments gelernt, sich und ihre Leistung realistisch einzuschätzen, das heißt auch reflektiert mit ihrer Persönlichkeit umzugehen. Schließlich haben sie sich in einem Verfahren zur Bestenauslese noch einmal explizit für ihr Studium qualifiziert.

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Das künstlerische Bewusstsein, das nun geweckt werden soll, soll die angehenden Musikerinnen und Musiker selbstverständlich fördern, aber auch über sich selbst hinauswachsen lassen. Dabei geht es vor allem darum, ihnen verständlich zu machen, dass es in der Musik gleichermaßen um individuelle Exzellenz, wie auch um das Zusammenspiel, die Interaktion mit anderen geht. 

Um möglichst schnell Berührungspunkte für das Gemeinsame in Studium und Musik zu schaffen, hat das Leopold Mozart College of Music der Universität Augsburg (LMC) gleich im ersten Studienjahr eine Projektwoche eingeführt. Diese Neuerung entstand aus den Zielsetzungen für den aktualisierten Bachelor in einem vorangegangenen Transformationsprozess des Musikausbildungsinstituts, bei dem Praxisorientierung, Projektarbeit und Vernetzung von Disziplinen im Fokus stehen sollen.

Projektwoche als Studieneingangsphase

Die Projektwoche steht repräsentativ für eine Studieneingangsphase und sie dient den oben geannten Zielen: Zum einen dem wichtigen Aspekt des Sozialen, dem Kennenlernen von Dozentinnen und Dozenten sowie der Mitstudierenden. Zum anderen soll von Anfang an die künstlerische Herausforderung des Ensemblespiels angenommen werden. Für Prof. Karsten Nagel, Professor für Fagott und Kammermusik sowie Teil der LMC-Leitung, ist das Zusammenspiel die Keimzelle des Musizierens und bringt durch Freude und Lust erst die Harmonie und Pulsation in die Musik. 
Bereits vor dem Semesterbeginn findet sich eine Gruppe an versierten Dozentinnen und Dozenten des LMC mit den Studienanfängern sowie bereits arrivierten Bachelor- und Masterstudierenden in einem Rückzugsort zusammen. (In diesem Jahr in der baden-württembergischen Musikakademie Schloss Weikersheim.) Dort verbringen Lehrende und Lernende eine Woche und beschäftigen sich in unterschiedlichen Formationen, vom Duo über kleine und große kammermusikalische Besetzungen bis hin zum Vokalensemble, mit der Kunst gemeinsamen Musizierens. Diese wird nicht nur erprobt, sondern dann auch vorgeführt in einem öffentlichen Konzert – Ansporn und Belohnung gleichermaßen für die Bemühungen der vorangegangenen Arbeit.

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Ein Klaviertrio in einem kleinen ebenfalls weiß verputzten Raum mit creme-farbenen Vorhängne und glänzemdem Parkett. Allerdings kleiner und ohne sichtbare Deckemalerei. Der Dozent steht in der Ecke des Raumes, quasi hinter dem Trio und spricht von dort aus zu ihnen.

Prof. Edward King mit Studierendentrio. Foto: Konstanze Frölich

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Alle Beteiligten sind sich einig, dass diese intensive Zeit in jeder Hinsicht ein wirklicher Vorteil ist.  Für Willi Nuszbaum, künstlerischer Mitarbeiter für Saxophon am LMC, bringt diese Woche eine Erfahrungsdichte, wie sie sonst ein ganzes Semester bietet. Die Studierenden können konzentriert an einem musikalischen Thema arbeiten, die eigene Position besser verstehen und auch ihre Entwicklungspotentiale einschätzen.

Künstlerische und soziale Kompetenz

Prof. Karsten Nagel betont, dass gerade die Wahrnehmung der eigenen Unsicherheit eine wichtige Schule ist. Fehlerkultur will auch erlernt werden und Nagel bemüht sich, den jungen Musikerinnen und Musikern begreiflich zu machen wie vorzuleben: Spielfreude, Humor und Energie erwecken die Musik erst zum Leben, Fehlerkultur und Selbstvertrauen gehören fundamental zusammen. All dies hat in der Projektwoche seinen Platz und wirkt zusätzlich weit darüber hinaus, denn – auch im Bereich des Sozialen wird gelernt: Nicht nur unzählige nationale wie kulturelle Verschiedenheiten begegnen sich beim Musizieren, auch die Charakteristika einzelner Instrumentengruppen sowie die Persönlichkeiten von Sängern, Bläsern oder Streichern werden sichtbar und spürbar. Zuwendung und soziale Kompetenz ist in hohem Maß gefragt. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, exzellente junge Musikerinnen und Musiker zu fördern und auszubilden, die künstlerische und soziale Kompetenz in gleichem Maß vereinen und die wir persönlich als Kolleginnen und Kollegen schätzen und mögen würden“, sagt dazu Prof. Dominik Wortig, Institutsleiter des LMC, Initiator und als Professor für Gesang Mitgestalter der Projektwoche.

Improvisation als Erfahrungsraum

Ein besonderes Angebot hält Markus Schmitt, Dozent für Musiktheorie und etablierter Komponist neuer Musik, bereit: Mit ihm gemeinsam lassen sich die Studierenden auf freie Gruppenimprovisationen ein. In der diesjährigen Projektwoche wird nach der graphischen Vorlage des amerikanischen Komponisten Robert Moran gearbeitet. Die Vorlage zeigt eine Zeichnung von Strichen, Pfeilen und Farbflecken, die für musikalische Bewegungen stehen sollen. Markus Schmitt leitet die Musiker dazu an, mit ihrem Instrument diese Figuren interpretatorisch zu definieren und dabei die Mitspielerinnen und Mitspieler nicht aus dem Auge zu verlieren. Wie kann ein Crescendo, durchschnitten von einzelnen kreisförmigen Bewegungen und Punkten, dargestellt werden? Welche Instrumente eignen sich besser für flächige Musikstellen, welche trennen besser die Fläche? Und vieles mehr …

Die Unsicherheit ist dabei erwartbar – Selbstbewusstsein beim Improvisieren ist oft auch für professionelle, reproduzierende Künstler eine Hürde. Je länger die Studierenden jedoch das Vorschussvertrauen des Dozenten nutzen, desto natürlicher werden ihre Bewegungen, desto mutiger ihre musikalischen Schritte. Am Ende entsteht ein zweieinhalbminütiges Gebilde, das im traditionellen Konzert zur Semestereröffnung aufgeführt wird.

Wirkung ins Studium und darüber hinaus

Hier findet die Projektwoche schließlich ihren zeitversetzten Schlusspunkt. Vieles muss und soll sich bis dahin noch setzen und verschiedentlich überdacht und verdichtet werden. Aber: Entwicklungen gehen, vielfach im Stillen aber auch ganz „hörbar“, kontinuierlich weiter. Das Feedback der Studierenden ist ermutigend, das Experiment des schnellen Eintauchens in die Kunst des Zusammenspiels und der sozialen Interaktion scheint sich also zu lohnen. Die Verantwortlichen des LMC sind jedenfalls davon überzeugt, dass diese Arbeitsform in jeder Hinsicht gewinnbringend ist und dass dieser positive und intensive Start ebenso positiven Effekt auf ein gesamtes Studium haben wird – und darüber hinaus.

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