Vor zwei Jahren zog die konzertante Klanginstallation „What you hear is what you hear“ des Gitarristen und Detmolder Hochschuldozenten Kim Efert zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer in Detmold und Bielefeld in ihren Bann. Anfang des Jahres brachte die Hochschule das Werk auf CD heraus. Hierbei wurde ein spezielles Aufnahmeverfahren angewendet, das die einzigartige Atmosphäre des Konzertes für Kopfhörersystem adaptierte. Ein Gespräch mit dem Komponisten Kim Efert, Big Band-Leiter Shawn Grocott und Tonmeisterstudent Leonard Loock über das Projekt.
Die Vorgeschichte
Vor zwei Jahren brachte die Big Band der Hochschule erstmalig Kompositionen von Kim Efert zu Gehör. Das Konzert, das den Titel „What you hear is what you hear“ trug, gestaltete sich als ein besonderes Ereignis abseits der gewohnten Wege. Ihm haftete etwas Experimentelles an, wodurch der Charakter einer konzertanten Installation zustande kam. Dazu trug bei, dass sich die Band nicht frontal auf der Bühne, sondern in der Mitte des Geschehens, umringt vom Publikum, wie in einer Zirkusmanege, befand. Die klanglichen Auswirkungen der Wellenfeldsynthese waren in die Komposition integriert und verbanden sich mit der Lichtregie und der Musik zu einem homogenen Ganzen. Dadurch entstand ein perfektes 3-D-Erlebnis für Publikum sowie Musikerinnen und Musiker. Eindrücke sind bis heute in Form eines Live-Mitschnitts auf YouTube sowie einer Bildergalerie auf der Website des Zentrums für Ästhetik der Universität Bielefeld verfügbar.
Binaurale Tonaufnahme
Aufgrund der Einzigartigkeit des Projekts fiel kurze Zeit später die Entscheidung, das Ganze auf CD zu dokumentieren. Die besondere Herausforderung bestand darin, den besonderen Charakter der beiden Live-Konzerte auf ein Medium zu übertragen. Zahlreiche Vorbereitungen und Planungen standen an. Insgesamt neun Tonmeisterstudierende des Erich-Thienhaus-Instituts realisierten schließlich das Projekt mit der 18-köpfigen Big Band unter der Leitung von Shawn Grocott und Kim Efert mit einem binauralen Aufnahmeverfahren. Tonmeisterstudent Leonard Loock war einer davon und trug während des Projekts die wesentlichen Erkenntnisse zu seiner Masterarbeit zusammen. „Der Aspekt der Binauralität macht es möglich, dass man ein Signal über Kopfhörer in 3-D-Qualität wahrnehmen kann“, so Loock. „Physikalisch schaffen wir es ja auch über zwei Lautsprecher – nämlich unsere beiden Ohren – dreidimensional zu hören“, erklärt der Tonmeister. Durch die Änderung des Frequenzverhaltens ist es möglich, dass ein Signal nicht nur links und rechts von uns, sondern auch hinter uns wahrgenommen wird. Die Intensität sei abhängig von der „Bauart“ eines jeden Menschen. Für den Komponisten Kim Efert kam dabei eines zum anderen. „Uns war es wichtig, das Ereignis möglichst vielen Hörerinnen und Hörern zugängig zu machen.“ Ein Heimkino habe schließlich nicht jeder zuhause. Für die Aufnahme wurden zahlreiche Räumlichkeiten im Tonmeisterinstitut genutzt. Rhythmusgruppe und Bläser wurden getrennt voneinander aufgenommen und konnten sich über Monitore miteinander verständigen. „Die Studierenden waren sofort mit Feuereifer bei der Sache“, erinnert sich Shawn Grocott. Bei den Aufnahmen wurde den Studierenden eine große Eigenständigkeit gelassen. „Alles blieb bis zuletzt offen, wodurch viel kreatives Potenzial entstand“, sagt Leonard Loock.
Die Musik
„Eingefleischte Big Band-Fans werden beim Hören der CD überrascht“, antwortet Kim Efert verschmitzt auf die Frage nach der Musik. Vielmehr repräsentieren die acht Tracks ein vielschichtiges Kaleidoskop des Komponisten, der sich stets gegen das Schubladendenken seiner Musik wehrt. „Ich war immer ein Freund von grenzgängerischen Formaten“, fügt er hinzu. Dementsprechend changiert seine Musik zwischen Rock- und elektronischen Einflüssen. Improvisatorische Elemente beinhalten eine gewisse Nähe zum Jazz. Den besonderen Reiz machen für Efert die Integration von Harfe, Akkordeon und Horn aus. Instrumente, die für das Genre Big Band eher ungewöhnlich sind. Besonders leiten lassen hat er sich von den Prinzipien der Minimalisten wie dem Amerikaner Frank Stella, dessen besonderer Ansatz es war, dem Hörenden freien Interpretationsspielraum zu lassen und auf die individuelle Wahrnehmung jedes Einzelnen zu bauen.
Eine Hommage an den Minimal-Music-Komponisten Steve Reich ist Track 4 auf der CD. Der Name „Reich’sche Treppe“ ist zugleich eine Replik an die Bartók-Treppe, die mittlerweile in Detmolder Kreisen Kultstatus besitzt. Dabei handelt es sich um die Treppe, die das Konzerthaus mit den Institutsgebäuden auf dem Campus-Gelände verbindet. Ihren Namen verdankt sie der unregelmäßigen Struktur der Treppenstufen, die den ein oder anderen an Bartóks Kompositionen erinnert haben. Die Symmetrie der Treppenstufen assoziierte Kim Efert dabei eher mit Steve Reich. Die Initialzündung, eine Komposition darüber zu verfassen, erhielt er durch den Hinweis eines Kollegen, der darauf hinwies, dass man mal eine Partitur schreiben müsste, um sich auf diese Treppe vorzubereiten. Die Komposition „Hangar“ nahm Efert bereits in Trio-Besetzung auf. Sie wurde für ein Konzert im Hangar 21, einer ehemaligen Flugzeughalle innerhalb des britischen Kasernengeländes außerhalb Detmolds geschrieben. Der Ort dient heute als Kulturfabrik. Weitere Erläuterungen aus der Feder des Komponisten zu allen Tracks befinden sich im Booklet der CD.
Fazit: Alles wurzelt im Experiment
Mit der Realisierung des CD-Projekts zu „What you hear is what you hear“ wurde ein einzigartiges Zeugnis Detmolder Klangkunst geschaffen. Dadurch, dass keine Referenzen einer binaural gemischten Aufnahme vorlagen, konnten Studierende und Lehrende aus unterschiedlichen Ebenen im Haus gemeinsam Neuland betreten. „Von der Aufnahme, über die Mischung bis hin zum fertigen Produkt war alles ein Experiment“, sind sich alle Drei einig – eine Möglichkeit, die man nur innerhalb der Hochschule vorfindet. Das Ergebnis ist nun in Form der CD im Wert von 10 Euro über den CD-Shop der Hochschule zu beziehen. Finanziert wurde diese durch eine anonyme Unterstützerin, die ihre Stiftung unter dem Dach der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Paderborn-Detmold gegründet hat.