Zwei stilisierte Hände zieren die Plakate in den Straßen Frankfurts, die für den Schumann-Kammermusikpreis 2022 werben. Sie kommunizieren miteinander, ohne sich zu berühren. Um Kommunikation geht es auch bei der Kammermusik – durch Blicke, die Musik und Bewegungen.
Drei Tage lang fand Ende März der Wettbewerb für Klaviertrios und Klavierquartette in Frankfurt am Main statt – ein wahrer Konzertmarathon. 14 Klaviertrios und ein -quartett waren ursprünglich eingeladen. Elf von ihnen, nur Trios, spielten in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) um den Einzug in die Finalrunde. Die Jury unter dem Vorsitz von Erika Geldsetzer entschied sich nach einem langen Finalabend in der Alten Oper Frankfurt für einen ersten Preis und zwei zweite Preise: Gewinner war das Amelio Trio, das sich 2012 gründete und damit das älteste Trio des Wettbewerbs war. Johanna Schubert (Violine), Merle Geißler (Cello) und Philipp Kirchner (Klavier) studieren in Hannover und Köln. Die zweiten Preise gingen an das Trio Delyria (David Strongin, Uriah Tutter, Elisha Kravitz), das auch den Publikumspreis gewann, und das Trio Orelon (Judith Stapf, Arnau Rovira Bascompte, Marco Sanna) das zusätzlich den Sonderpreis der Schumann-Gesellschaft erhielt.
2008 wurde der Schumann-Kammermusikpreis auf Bestreben von Michael Sanderling und Julia Fischer gegründet und 2013 zum letzten Mal durchgeführt. „Mich freut es sehr, dass der Wettbewerb nun nach dieser Pause wieder stattfindet und es ein kammermusikalisches Miteinander der schönen Konzertorte Frankfurts gibt“, so Prof. Angelika Merkle, die die künstlerische Leitung des Wettbewerbs inne hatte. Zahlreiche Institutionen hatten sich zusammengeschlossen: Neben der HfMDK auch die Alte Oper und die Museumsgesellschaft, die Dr. Marschner-Stiftung als Förderer, die Robert-Schumann-Gesellschaft und die Festeburgkonzerte, bei denen das Anschlusskonzert im Sommer 2022 stattfinden wird. Die Fürsorge nach dem Wettbewerb sei ihnen sehr wichtig gewesen, meint Merkle. Alle Ensembles erhielten nach ihrem Auftritt Rückmeldung durch die Jury. Und die Finalisten gewannen einen Workshoptag zur professionellen Beratung. Dort erläutern Expert*innen, wie ein individuelles Profil für das Ensemble erstellt werden kann. Außerdem werden Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und der Arbeit mit Veranstalter*innen und Agenturen besprochen.
Aber vor allem muss die Qualität der Musik stimmen. Was macht ein gutes Klaviertrio aus? „Wir schauen, ob das Ensemble eine individuelle Sprache hat“, antwortet Angelika Merkle. „Wie sehen Klangbeziehungen aus, wie wird der ‚Text hinter dem Text‘ reflektiert? Bringt das Ensemble eine ganze Palette an Charakterzeichnungen zum Klingen?“. Das seien einige der Kriterien, nach denen die Jury sucht. Und sehr wichtig sei die Kommunikation. „Begegnen sich da drei Musiker auf Augenhöhe und wie kommunizieren sie miteinander? Wie werden Impulse gesetzt und aufgenommen?“. Auch durch die Auswahl der Stücke konnten sich die Ensembles profilieren.
Die elf Ensembles präsentierten in der zweiten Runde ein Programm mit klassisch-romantischem Fokus. Das war sicherlich den Vorgaben des Wettbewerbs geschuldet, die für diese Runde ein Werk von Robert Schumann, Johannes Brahms oder Felix Mendelssohn-Bartholdy vorsah. „Die drei wollten wir unbedingt dabei haben, weil das das Kernrepertoire der Kammermusik ist“, so Merkle. Außerdem lobte die Schumann-Gesellschaft einen Sonderpreis für die Interpretation eines Stücks von Robert Schumann oder eines seiner Weggefährten aus. Das führte dazu, dass Mendelssohns c-Moll-Trio sechsmal zu hören war. Selbst in der Finalrunde ohne strenge Vorgaben präsentierten das Amelio Trio und Trio Delyria ein identisches Programm mit den 4 Miniaturen von Johannes Maria Staud und Franz Schuberts Klaviertrio B-Dur op. 99. Für Vergleichsstudien mag das interessant sein, aber die Vielfalt der Trioliteratur spiegelt es nicht wider. Ein Wettbewerb könnte schließlich auch dazu anregen, gerade weniger bekannte Stücke zu entdecken und vorzustellen.
Die meisten teilnehmenden Ensembles hatten sich innerhalb der letzten drei Jahre zusammengefunden, viele davon auch erst während der Pandemie. „Musik ist immer auch ein Ventil mit Situationen umzugehen, die schwierig sind“, erklärt Angelika Merkle. Zeit zu proben gebe es auch und das kammermusikalische Musizieren war leichter wieder möglich als Orchesterproben. „Wenn ich das zu dritt oder zu viert machen kann, ist das natürlich sehr gut“, das gemeinsame Spielen mache ja auch Begegnungen möglich, die gefehlt haben. „Ich glaube, dass die Kammermusik für manche wirklich ein Rettungsanker war“.