Banner Full-Size

Komponieren und knobeln - In der Welt von Mozarts Handschrift

Autor
Publikationsdatum
Body

Salzburg (dpa) - Mozart hatte einen Hang zum Luxuriösen und zur Verschwendung. Zum Glück, muss man heute sagen. «Er hat immer gutes Papier und gute Tinte verwendet», sagt Johanna Senigl, Bibliothekarin in der Bibliotheca Mozartiana der Stiftung Mozarteum Salzburg. Sie hütet eine der bedeutendsten Sammlungen von Mozart-Briefen und Notenautographen der Welt.

 
 
«Sein Vater Leopold hat ihn sogar einmal ermahnt, auf gute Qualität zu achten.» Schon damals gab es natürlich auch Billigprodukte. Die vergilben schnell oder werden zum Leidwesen der Nachwelt oft Opfer des gefürchteten Tintenfraßes.
 
Die wertvolle Autographensammlung der Stiftung Mozarteum lagert hinter schweren Panzertüren im Untergeschoss des Mozart-Wohnhauses am Makartplatz nahe von Schloss Mirabell. Mozart lebte mit seiner Familie acht Jahre in dem Haus, bevor er 1781 nach Wien zog. Hierher verirren sich nur relativ wenige Touristen, im Gegensatz zum Mozarts Geburtshaus in der Getreidegasse. Die Autographensammlung ist aus konservatorischen Gründen nur nach Anmeldung zu besichtigen oder während der Salzburger Mozartwoche im Januar.
 
«Unser Allerheiligstes», nennt sie die promovierte Musikwissenschaftlerin. Im Gegensatz zum dampfigen Sommer der Oberwelt ist es hier unten angenehm kühl, wofür eine Klimaanlage sorgt. Etwa 800 Briefe der Familie Mozart werden in säurefreien Pappmappen aufbewahrt, darunter etwa 200 von «Wolferl» selbst. Die Briefe an seine Cousine Maria Anna Thekla Mozart, das Bäsle, sind nicht darunter. Der Bekannteste mit einer kleinen Bäsle-Zeichnung aus der Hand Mozarts liegt in der British Library.
 
Dann gibt es am Makartplatz noch rund 110 Notenblätter oder Notenblatt-Fragmente von Mozarts eigener Hand. Darunter eines der populärsten Werke des vielleicht größten Komponisten aller Zeiten: Die letzte Seite des «Rondo alla turca» aus Mozarts Sonate Nr. 11, A-Dur mit dem «türkischen Marsch». Dazu ist in einer Vitrine der Autographensammlung auch eine mutmaßlich aus dem frühen 20. Jahrhundert stammende Fälschung zu sehen. Sie ist auf minderwertigem Papier geschrieben. «Mozart benutzte nur handgeschöpfte Papiere aus Hadern (Stoffresten). Den Unterschied sieht man sofort», erläutert Senigl.
 
Nach Mozarts Tod 1791 verkaufte seine Witwe Constanze ein Konvolut mit Handschriften ihres Mannes an einen Offenbacher Verleger, der viele Werke Mozarts erstmals veröffentlicht hat. Seine Erben boten das Paket unter anderem den Salzburger Mozart-Freunden an, die damals jedoch nicht genug Geld hatten, um den Schatz kaufen zu können.
 
Schließlich landete ein großer Teil der Partituren in der Preußische Staatsbibliothek zu Berlin und wurde im Zweiten Weltkrieg nach Westdeutschland und Schlesien ausgelagert.
 
Die besonders kostbaren Opern wurden sicherheitshalber ihrerseits je zur Hälfte aufgeteilt. So kommt es, dass die beiden Teile von «Figaros Hochzeit» heute in Berlin und Krakau gehütet werden. Auch in Wien, London und Paris finden sich wichtige Mozart-Originale. Der Wert dieser Handschriften ist enorm. 2010 erwarb die Stiftung Mozarteum das unvollständige Autograph «Ah, vous dirai-je, Mamon» auf einer Aktion für 300 000 Euro.
 
Die Autographen geben tiefe Einblicke in Mozarts Lebens- und Arbeitsweise. So komponierte das Jahrtausendgenie immer so gut wie druckreif. Und zwar sofort in Partitur - zuerst die Melodiestimme und die Basslinie, dann fügte er die anderen Instrumente hinzu. «Er komponierte schnell und flüssig, allerdings nur, wenn es ihm Spaß machte», sagt Senigl. Wenig erwärmen konnte er sich für den Auftrag, Stücke für eine mechanische Orgelwalze zu komponieren. Das sei ihm zu «kindisch» gewesen. Trotzdem schuf er kleine Meisterwerke.
 
Es gibt auch allerlei Kurioses im kühlen Autographenkeller der Stiftung Mozarteum. Senigl deutet auf ein Fragment eines Menuetts, an dessen Rändern Mozart lange Zahlenreihen notiert hat. Es handelt sich um ein damals beliebtes Rechenspiel, bei dem man ermitteln sollte, wie viele Reiskörner zusammenkämen, wenn man auf das erste Feld eines Schachbretts ein Korn legen würde und auf die nächsten der 64 Felder jeweils die doppelte Menge. Treibt man das Spiel bis zum Ende, kommt man auf unvorstellbare 18,5 Trillionen Reiskörner. Mozart kam bei seiner Knobelei bis zum 24. Feld, was immerhin eine siebenstelllige Zahl bedeutet.
 
Viele Autographe tragen auffällige «Besitzvermerksstempel» von Sammlungen oder Bibliotheken, die längst selbst wieder ein Teil ihrer Geschichte sind. «So etwas würde man heute vermeiden», sagt Senigl. Was natürlich auch für die handschriftliche Notiz eines englischen Sammlers auf einem Fragment des Singspiels «Zaide» gilt: «Mozarts Handwriting. Take care of it.» 
 
Georg Etscheit
 
 
Ort
Autor