Der scheidende Dresdner Kreuzkantor Roderich Kreile ist bei der Nachwuchsgewinnung der großen Knabenchöre mit langer Tradition in Deutschland optimistisch. Sie müssten sich „keine wirklichen existenziellen Sorgen“ machen, sagt der 65-Jährige, der nach 25 Amtsjahren Ende Juli in den Ruhestand geht, der Deutschen Presse-Agentur. Im Kreuzchor würden neben musischer, musikalischer Ausbildung Werte und soziale Kompetenz vermittelt, was attraktiv für Eltern sei. „Wir haben immer genug Nachwuchs, weil die Menschen für ihre Kinder nach diesem Gesamtbildungsweg Kruzianer suchen, der ja wertvoll ist.“
Allerdings habe sich das Vorbildungsniveau der Kinder im Laufe der Jahre nach unten entwickelt, sagt Kreile. Gesang in der Familie sei kaum noch verbreitet. Jungs im Chor, die ein Lied wie „Vom Himmel hoch“ nicht kennen, seien vor 25 Jahren undenkbar gewesen. „Wir brauchen heute schon länger, um einen Jungen richtig auf Kreuzchor-Niveau zu bringen, als in früheren Zeiten.“ Dabei sei das Singen an sich bei den Jungs „ein ganz elementares tiefes Sehnen“ und laut Kreile in der Corona-Krise spürbar, als gemeinsames Proben fehlte – und danach. Zuvor sei das „irgendwie eine Selbstverständlichkeit“ gewesen, man habe geprobt, gearbeitet, Auftritte gehabt.
Auch wenn die Nachwuchsförderung in der Pandemie beschränkt war – intensiver Kontakt mit persönlicher Ansprache fehlten -, macht sich Kreile keine Sorgen um die Zukunft der Knabenchöre. Sie blieben Auffangbecken für Jungs, die singen und musikalische Begabungen haben, „wo sie diesen Wunsch, diese Sehnsucht zu singen, verwirklichen können“. Zugleich lernten sie dort, Ziele zu haben und dass es zum Erreichen Disziplin „und einen gewissen Ehrgeiz“ brauche. „Dieses Feuer zu entfachen, ist schon eine Aufgabe, die wir haben.“
Der aus München stammende Kirchenmusiker Kreile ist seit 1997 der 28. Kreuzkantor. Der 1216 gegründete Kreuzchor zählt zur ersten Liga der Knabenchöre in Deutschland und ist eine städtische Institution. Ihm gehören bis zu 140 Jungen zwischen 9 und 19 Jahren an. Die Kruzianer gestalten in erster Linie Vespern, Gottesdienste und musikalisches Leben in der Kreuzkirche, das Repertoire reicht vom Frühbarock bis zu Uraufführungen zeitgenössischer Musik. Dazu kommen Auftritte und Tourneen ins In- und Ausland sowie Tonaufnahmen.