Im Februar 2011 folgte Katharina Rengger als Studiengangsleiterin in Musikvermittlung und Konzertpädagogik an der Zürcher Hochschule der Künste und der Zürcher Fachhochschule ihrer Vorgängerin Regula Stibi. Aufgabe von Rengger war nicht nur die Weiterführung eines bewährten Konzeptes, sondern eine Neuausrichtung unter Berücksichtigung heutiger Anforderungen.
Theorie und Praxis sind zukünftig noch stärker verzahnt, eine Tatsache, die sich auch in Renggers Biografie widerspiegelt. Sie kann als Querflötistin auf eine rege Konzerttätigkeit vor allem im Bereich der zeitgenössischen Musik zurückblicken, sie war bis 2011 Dozentin für Fachdidaktik an der HdK Bern und in den vergangenen zehn Jahren Projektleiterin der Lucerne Festival Academy unter Pierre Boulez. Für das Luzerner Festival kreierte und leitete sie außerdem die Reihe „Childrens Corner“. Ihre Studenten, die ja als Orchestermusiker, konzertierende Künstler oder Instrumentalpädagogen tätig sind, treffen also in Katharina Rengger jemanden, dessen Theorie der Musikvermittlung auf viele Jahre Erfahrung in der Praxis fußt.
Bisher war das Programm Musikvermittlung als Teil der Weiterbildungen Musik an der ZHdK als viersemestriges und berufsbegleitendes Studium konzipiert, das immer freitags in Zürich stattfand. Es war semesterweise modular aufgebaut, mit einem starken inhaltlichen Fokus auf die Gruppe Kleinkind/Kind. Damit glich sich das Konzept stark an bereits bestehende Studiengänge der Musikvermittlung an. Das neue Konzept bietet ein Certificate of Advanced Studies (CAS) an, das ein Semester dauert und aus drei Kursblöcken à drei bis vier Tage besteht. Es ist weiterhin berufsbegleitend.
Die strukturellen Reformen drücken sich auch inhaltlich aus. Es gibt vier Weiterbildungszertifikate, die thematisch fokussiert sind: Bei CAS 1 stehen Projekte für Konzert- und Opernhäuser im Zentrum, bei CAS 2 Projekte in soziokulturellen Zusammenhängen, bei CAS 3 Projekte zwischen Klangwerkstatt und Hörlandschaft und bei CAS 4 Projekte im Bereich Social Media.
Alle vier CAS können einzeln studiert sowie frei kombiniert werden und führen alle nach einem zusätzlichen Master Modul, das aus einem Master-Projekt, also der Erarbeitung und Aufführung eines eigenständigen musikpädagogischen Projekts sowie dem Verfassen einer Masterarbeit zum Master of Advanced Studies (MAS) in Musikvermittlung.
Durch die Möglichkeit, nur ein einzelnes CAS zu absolvieren, ist der Einstieg für die berufsbegleitend Studierenden jetzt deutlich niederschwelliger als bisher. Was bisher an Altersgruppen orientiert war, ist jetzt inhaltlich orientiert. Die Vertiefungen zu einzelnen spezifischen Themen richten sich an ebenso spezifische Berufsgruppen, etwa für Orchestermusiker an Opernhäusern, oder für freischaffende Musiker in der freien Szene. „Indem man erst einmal nur einen CAS belegt, kann man herauszufinden, was einem besonders liegt. Vielleicht findet man aber auch spannende Ergänzungen und merkt, dass es eine völlig klare Abgrenzung nicht geben kann, sondern dass Musikvermittlung ganzheitlich verstanden werden muss. Neben dem inhaltlichen Aspekt spielen aber auch zeitliche und finanzielle Aspekte eine Rolle. Es ist etwas anderes, sich für vier Semester zu verpflichten, als das nur für ein Semester zu tun. Die bisherigen Gebühren lagen bei circa 20.000 Schweizer Franken und nun liegen sie bei 5.000, wenn man weiterstudiert bei 4.500.“
Die CAS in Musikvermittlung sind eine Koproduktion mit der Schweizer Akademie für Musik und Musikpädagogik (SAMP). Die SAMP ist ein privater Bildungsanbieter und stellt in der Schweiz das einzige Angebot für vollwertige musikalische und musikpädagogische Berufsstudien in Klassik, Jazz und Pop bereit. Als weitere Partner nennt Rengger das Lucerne Festival, die Tonhalle Zürich, das Kulturvermittlungsangebot „Kultur macht Schule“ des Kantons Aargau. Und „Der Schweizer Radiosender DRS 2 hat erklärt, dass wir Projekte für sie umsetzen dürfen und sie Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Zudem gibt es zahlreiche Anfragen von Festivals, teils auch kleineren. Dabei muss ich prüfen, ob die Projekte realisierbar sind. Viele Anfragen, die ich bekomme, kann ich an Absolventen des Studiengangs weiterleiten, die sich kompetent darum kümmern. Das ist ein großer Vorteil des sich bildenden Netzwerkes. Mit Luzern bin ich durch genannte Projekte verbunden, aber auch durch die Akademie. Man bleibt aber ständig in regem Kontakt mit den Institutionen und durch seine Kontakte am Ball. Es ergeben sich laufend neue Kooperationen.“
Provokant formulierte Seminartitel wie „Musikpädagogik versus Musikvermittlung“ zeigen, dass Rengger kritischen Fragen an die Musikvermittlung nicht aus dem Weg gehen will. Für die Zürcher Studienleiterin gilt: „Musikpädagogik funktioniert nicht ohne Vermittlung und die Musikvermittlung braucht ein musikpädagogisches Grundwissen.“
Wer die Arbeit der Zürcher Musikvermittler kennen lernen will, dem empfiehlt sich die Teilnahme an der Tagung „Musikvermittlung auf dem Weg zur Partizipation“ am 31. März 2012, bei der unter anderem namhafte Experten wie Markus Fein, Martin Tröndle, Elisabeth Danuser und Ingrid Allwardt referieren und in Workshops diverse Vertiefungen anbieten. Die Tagung will eine erste Bilanz ziehen und Fragen stellen: „Was sind die wirklichen Anliegen und Interessen? Wann missraten gutgemeinte Musikvermittlungsprojekte zu reinen PR-Maschinerien?“