Hauptbild
Kundgebung vor dem Sächsischen Landtag. Foto: Barbara Lieberwirth
Kundgebung vor dem Sächsischen Landtag. Foto: Barbara Lieberwirth
Banner Full-Size

Nachhaltige Verbesserungen angemahnt

Untertitel
Kundgebung der Initiative „Faire Lehre“ vor dem sächsischen Landtag
Publikationsdatum
Body

Als Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1842 das Conservatorium der Musik in Leipzig gründete, war es noch üblich, dass Musiker des Gewandhausorchesters als Instrumentallehrer verpflichtet wurden. Mit der Aufgabe, den Nachwuchs auszubilden und so den traditionellen Klang des Orchesters fortzuführen. Diese einmalige und erfolgreiche Tradition wurde an der Hochschule für Musik Felix Mendelssohn Bartholdy nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 aufgegeben. Ähnlich verhielt es sich in Dresden, wo Musiker der Sächsischen Staatskapelle ihren eigenen Nachwuchs an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber ausbildeten. Die lehrenden Musiker in Leipzig und Dresden waren selbstverständlich durch Festanstellung in ihren Orchestern sozial abgesichert.

Gemeinhin wurden Lehraufträge vergeben, die dem Wissenstransfer und der Deckung von vorübergehendem Lehrbedarf dienten. Heute sehen sich Musikstudierende einer grundlegend anderen Lehrstruktur gegenüber, von vorübergehendem Lehrbedarf kann keine Rede mehr sein. Musikhochschulen sind nicht mehr ausschließlich Orchesterakademien. Zunehmend spielen Lehramt, Instrumental- und Gesangspädagogik oder Jazz eine Rolle. Mehr und mehr wird die Ausbildung in diesen Fächern durch „selbständige“ Lehrbeauftragte gedeckt.

Von angemessener Bezahlung, sozialer Absicherung oder ausreichender Altersvorsorge können diese Lehrbeauftragten nur träumen. Auch bleibt ihnen jegliche Mitgestaltungsmöglichkeit an den Hochschulen versagt. In einer aktuellen Umfrage geben zwei Drittel der Befragten an, keine sonstige Festanstellung zu haben. Für ein Drittel ist der Lehrauftrag die Haupteinnahmequelle. Dies widerspricht der Grundidee, dass der Lehrauftrag nur ein Nebenberuf ist. Mehr als die Hälfte der sächsischen Lehrbeauftragten ist seit mehr als zehn Jahren im Lehrauftrag tätig, was zeigt, dass es hier nicht um eine vorübergehende Deckung des Lehrbedarfs geht, sondern die Lehre dauerhaft an Lehrbeauftragte ausgegliedert wird. Die Rechtsstellung der Lehrenden wird seit Jahrzehnten in den Hochschulen, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, missbraucht. Und Bemühungen den Missstand zu beseitigen, wie zum Beispiel das Memorandum des Deutschen Musikrats zur Situation der Lehrbeauftragten von 2015, verlaufen im Nichts, da sie keine rechtliche Bindung haben.

Deshalb rief Sebastian Haas, Sprecher der Bundes­konferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen und Mitglied im Vorstand von unisono, die Kampagne „Faire Lehre“ ins Leben. Hauptziel ist die Festanstellung und faire Bezahlung für Lehrbeauftragte an – vorerst sächsischen – Kunst- und Musikhochschulen. In einem weiteren Schritt will die Initiative auch für eine bessere Bezahlung des akademischen Mittelbaus und der studentischen Hilfskräfte kämpfen. Haas hat sich neben Musikerpersönlichkeiten wie Christian Thielemann oder Till Brönner (beide Dozenten an der Dresdner Musikhochschule) auch Politiker mit ins Boot geholt.

Am 21. November lud er zu einer Kundgebung vor den Sächsischen Landtag, wo sich vorwiegend Studenten für ihre Lehrer stark machten. Ein Offener Brief wurde dem Staatsminister für Wissenschaft Sebastian Gemkow (CDU) übergeben. Denn eine Überprüfung und Veränderung der Hochschulgesetzgebung ist Voraussetzung für einen Erfolg der Kampagne. Im Landtag wurde zeitgleich zur Demonstration ein Antrag der Linksfraktion behandelt, der für eine nachhaltige Verbesserung der Lehrsituation an den Musikhochschulen sorgen soll. Dieser Antrag wurde auf eine Ausschussversammlung im Januar/Februar vertagt. Danach soll eine öffentliche Anhörung im Sächsischen Landtag folgen.

Auch besteht Hoffnung auf eine Novellierung des Hochschulgesetzes, die im Frühjahr stattfinden wird. Sollte sie gelingen, könnte es dazu kommen, dass Musikhochschulen in Sachsen besser ausgestattet und neue Lehrstellen ausgeschrieben werden können. Das wiederum bedeutet den nächsten Drahtseilakt für die Lehrbeauftragten. Eine Garantie für die Übernahme in den Staatsdienst wird es nicht geben. Doch das, was einheimische Lehrbeauftragte in den Ring werfen können, ist unbestritten: langjährige Erfahrung.

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!