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Die historische Stadtsilhouette von Lübeck: Prominent die Doppeltürme des Stadttores und die Doppeltürme der Marienkirche in der Ferne.

In die historische Lübecker Stadtsilhouette fügen sich die Gebäude der Bundesbank (links) in zentraler Lage ein. Foto: Andreas Nabor

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Neue Dächer für die Musik

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Spektakuläre Zukunftsperspektiven für die Musikhochschule Lübeck
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Mit klingenden Steinen assoziiert, besteht das Domizil der Musikhochschule Lübeck (MHL), einzige in Schleswig-Holstein (S-H), aus 22 verschachtelten, denkmalgeschützten Bürgerhäusern. Doch als der Mörtel für den letzten Umbauabschnitt dieses Komplexes 1993 getrocknet war, zeichnete sich bereits eine Überlastung der Raumkapazitäten ab. Zum Glück konnte diese Misere jetzt überwunden werden − die MHL wird ab November 2024 die beiden seit Jahren leerstehenden Bundesbankgebäude, zentral gegenüber dem Holstentor gelegen, übernehmen dürfen, die das Land S-H von der Bundesbank erworben hat. Damit sind neunzig Prozent des Raumbedarfs der MHL langfristig gedeckt. 

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Raummangel Retrospektive

Ursprünglich konzipiert für etwa 250 Studierende, machten sich bald massive Einschränkungen im Gebäudeensemble an der Großen Petersgrube, dem jetzigen Hauptsitz der MHL, bemerkbar, denn die Anzahl der Immatrikulationen stieg stetig an und hat sich seit damals fast verdoppelt. Außerdem sind inzwischen 41 Professorinnen und Professoren, 26 Personen im wissenschaftlich-künstlerischen Bereich, 41  Mitarbeitende in Verwaltung und Technik sowie 121 Lehrbeauftragte an der MHL beschäftigt. In solch räumlicher Enge musste man Projekte stets durch vorhandene Raumkapazitäten begrenzen, das Präsidialamt und andere Abteilungen in angemieteten Quartieren unterbringen und Instrumente im Keller oder in Korridoren lagern − ganz zu schweigen vom Kampf um stets begehrte Termine für Proben- und Überäume. Zwar war Kommunal- und Bildungspolitikern bewusst, dass notorische Raumnot kein Dauerzustand sein kann und darf, aber geeignete Gebäude und Flächen standen lange Zeit nicht zur Verfügung. Laut einer Studie des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung hatte die MHL 2023 einen Flächen-Mehrbedarf von rund 5.400 Quadratmetern, begründet nicht nur durch die wachsende Anzahl Studierender, sondern auch durch neue Professuren und Studiengänge wie für Digitale Kreation/SoundArt, Musizierendengesundheit und „Musik Plus“ für Grundschullehrkräfte. Es war ein Kipppunkt erreicht, die Erfüllung der Hochschulaufgaben schien gefährdet.

Politische Schritte zum Erwerb der Bundesbankgebäude

Gerade rechtzeitig wurden die Bundesbankgebäude im Zuge einer Versteigerung zum Verkauf angeboten. Interesse an diesem Objekt hatten private Investoren, die Hansestadt Lübeck und das Wissenschaftsministerium als für die MHL zuständige Institution angemeldet. Um Entscheidungen dieser disparaten Konstellation zugunsten der MHL voranzutreiben, waren Beschlüsse der Lübecker Bürgerschaft zum Bebauungsplan eine wesentliche Voraussetzung, nämlich die Nutzung nur für Zwecke der öffentlichen Verwaltung, der Kultur und der Hochschulbildung zu genehmigen. Kommerzielle Projekte wie zum Beispiel ein Hotel hatten auf diese Weise keine Chance. In einem erstaunlich reibungslosen politischen Willensbildungsprozess „haben uns die politisch Verantwortlichen in der Lübecker Bürgerschaft und im Kieler Landesparlament sowie die Unterstützung durch Bürgermeister Jan Lindenau zum Erfolg verholfen“, erklärt Andreas Nabor, MHL-Kanzler und Projektleiter (siehe unten). „Was für uns den Ausschlag gegeben hat, waren Fakten und Emotionen. Wenn wir nach der neuesten HIS-Studie nur 50 Prozent der Flächen haben, die wir eigentlich brauchen, sind das überzeugende Zahlen. Wir waren über eine lange Zeit die Hochschule mit dem prozentual höchsten Flächenbedarf in S-H.“ So konnte trotz prekärer Haushaltslage der Erwerb der Bundesbankgebäude legislativ genehmigt werden. „Das war ein emotionaler Moment“, erinnert sich Andreas Nabor, „und zugleich ein Bekenntnis der Landesregierung zur MHL.“ „Das ist ein guter Tag für die Musikhochschule und für den Hochschulstandort Lübeck“, freute sich Schleswig-Holsteins Kultur- und Wissenschaftsministerin Karin Prien nach dem Parlamentsvotum. „Mit dem Ankauf und der Herrichtung des Bundesbankgebäudes eröffnen sich für die Studierenden und Lehrenden der Musikhochschule ganz neue Perspektiven. Nun kann nicht nur der Raumbedarf der Hochschule endlich gedeckt werden. Es bietet sich zugleich im Herzen der Hansestadt und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptgebäude eine einzigartige Spiel- und Übungsstätte, die sich hervorragend einfügt in das ohnehin attraktive Gebäude-Ensemble der Musikhochschule.“ 

Andreas Nabor, Kanzler der MHL, ergänzt: „Wir sind der Landesregierung und dem Landtag für diese zukunftsweisende Entscheidung sehr dankbar. Trotz der komplizierten Haushaltslage diese einmalige Chance zu nutzen, ist eine mutige Investition in den Standort Schleswig-Holstein. Sie ist zugleich sparsam und wirtschaftlich, denn eine günstigere Alternative gab es trotz langer und intensiver Suche seit den 1980er Jahren in ganz Lübeck nicht.“ Die gesamte Prozedur kennzeichnet ein ungewöhnlich kooperativer und effektiver Habitus politischer Instanzen, die in enger Abstimmung dem von der MHL anvisierten Konzept kulturpolitischer Nutzung zustimmten.  

Kosten und Nutzung der MHL-Dependance

Nachdem nun bekannt geworden ist, dass die Bundesbankgebäude für 4,75 Millionen Euro den Eigentümer wechseln werden, verbreitet sich allgemeine Euphorie ob der verlockenden Möglichkeiten. Prof. Dr. Bernd Redmann, Präsident der MHL meint, dass „man auf politischer Ebene um die integrative Kraft musikalischer Bildung weiß. Der neue, exponierte Standort wird das kommunale und regionale Kulturleben maßgeblich bereichern. Er wird uns beflügeln, visionär zu denken, mehr Neues und Experimentelles zu ermöglichen und noch attraktivere Studienbedingungen zu schaffen.“ Doch zuvor sind einige Anpassungen und Umbauten erforderlich, für die im Landeshaushalt mittelfristig 15 Millionen Euro vorgesehen sind. Gebraucht werden: Unterrichts-, Seminar-, Übe-, Ensemble-, Proberäume und Veranstaltungsräume sowie Büro- und Lagerräume. Hinzu kommen Kosten für die Ausstattung, für die die Possehl-Stiftung Lübeck dankenswerterweise bereits vier Millionen Euro zugesagt hat. Der Standort der Bundesbankgebäude ist für die MHL, aber auch kulturpolitisch betrachtet, optimal. Die Hansestadt Lübeck hat die MHL in ihrem Marketing-Konzept verankert. „Deren Tourismus-Zielgruppe deckt sich zu hundert Prozent mit unserem Publikum: Menschen mit kulturellem Interesse. Nun können wir auch Menschen einladen, die bisher keine oder nur sporadische Verbindungen zu uns hatten: jene die am Holstentor vorbei gehen oder dort auf den Bus warten“, prognostiziert Andreas Nabor. Um diese und andere Potenziale demokratisch zu erörtern, wird die MHL-Öffentlichkeit durch einen eigenen Ausschuss beteiligt, in dem alle Hochschulmitgliedergruppen vertreten sind. „Nicht nur, um Akzeptanz zu schaffen, sondern intern die besten Ideen auszutauschen und zu beraten“, sagt Nabor.

Architektonische Potenziale

Zum Bundesbankdouble meint MHL-Gebäudemanager Heiko Heldt (siehe unten): „Durch die Lage, Größe und Qualität der baulichen Anlage wird ein ganz neues Kapitel für die MHL aufgeschlagen. Herausfordernd wird die Assimilierung der Flächen in den Organismus der MHL, die insgesamt neu zu denken ist.“ Welche Fachbereiche sind wo am besten aufgehoben, welche Schallschutz- und Akustik- und Statikauflagen sind zu beachten?   „Wir haben wohl mehrere Jahre Arbeit vor uns. Doch was wir dort bauen werden, ist ein neues Dach für die Musik im Land!“ Eine ganz besondere Gebäudeeinheit ist der Tresor, der über drei Stockwerke geht. Die Decken sollen herausgeschnitten werden, um einen Quader für flexible Veranstaltungsformate zu schaffen. Die mächtigen Tresortüren werden erhalten bleiben und an die ursprüngliche Nutzung erinnern. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Musikpräsenz in Lübeck an diesem markanten Standort deutlicher und die Neigung, Musik zu erleben, dort direkt gefördert werden kann. Die MHL strebt erwartungsvoll einer Zukunft in modernen, klingenden Steinen entgegen.

www.mh-luebeck.de

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Ein Mann in mittlerem Alter mit kurzen dunklen Haaren einem leichten Lächeln, Anzug und Krawatte.

Andreas Nabor. Foto: privat

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Akademische Qualität im Blick: Andreas Nabor

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Andreas Nabor ist seit März 2022 Kanzler der MHL. Er bringt internationale Erfahrung als Führungskraft für Hochschulentwicklung, Finanzmanagement und Digitalisierung mit an die MHL. Der gebürtige Bremer studierte Japanologie in Hamburg und Tokio mit den Nebenfächern Sinologie, Politikwissenschaften und Volkswirtschaft. Nach seiner Ausbildung arbeitete er in Forschung, Lehre und Consulting an Universitäten Großbritanniens, Deutschlands und Japans. An der Coventry University London leitete er in führender Funktion die Entwicklung und Umsetzung des Hochschulentwicklungsplanes, reorganisierte die Fachbereiche für weiteres Wachstum und stärkte die Digitalisierung in Lehre und Verwaltung. Seit 2017 führte er das Qualitätsmanagement und akademische Controlling der Jacobs University in Bremen, wo er unter anderem Strategieprozesse moderierte sowie die erstmalige Akkreditierung zahlreicher Studiengänge leitete.

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Ein Mann in mittlerem Alter mit kurzen grau-blonden Haaren, einem leichten Lächeln, Brille und blauem Pullover in einem rotweißen Treppenhaus.

Heiko Heldt. Foto: Emma Kraft

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Architektonische Expertise: Heiko Heldt

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Dipl.-Ing. Heiko Heldt verantwortet das Gebäudemanagement sowie die zentrale Beschaffung der MHL. Nach der Ausbildung zum Tischlergesellen in Flensburg studierte er Architektur an der FH Lübeck sowie Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Anhalt. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Frankfurt am Main und Leipzig, mit den Schwerpunkten Immobilienbewertung und Due Diligence gründete er sein eigenes Ingenieurbüro. Die Immobilienbewertung sowie die Bauschadenanalyse, Gebäudeinstandsetzung und ökologisches Bauen setzten Schwerpunkte seiner selbstständigen Tätigkeit. Mit dem Wechsel zur MHL obliegt ihm das Gebäudemanagement aller Liegenschaften. Hauptaufgabe ist hier die Instandhaltung und technische Überwachung der teilweise denkmalgeschützten Immobilien in Zusammenarbeit mit den hochschuleigenen Haushandwerkern und dem Gebäudemanagement Schleswig-Holstein.

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