Im Zuge des Bologna-Prozesses wird an neuen Studiengängen gearbeitet. An der Musikhochschule Lübeck (MHL) hat sich mit dem Bachelor of Arts nun ein Studienangebot für Musikvermittler unterschiedlicher Art etabliert. Im nmz-Gespräch erläutern Prof. Inge-Susann Römhild (Präsidentin) und Prof. Bernd Ruf (Vizepräsident) das seit vier Jahren bestehende Studienmodell und die sich daraus ergebenden Optionen und Perspektiven.
neue musikzeitung: Wie ist die Idee zu einem neuen Studienmodell entstanden?
Inge-Susann Römhild: Bei der Umstellung des Studiengangs Schulmusik auf das neue Bachelor-/Master-System stand die MHL vor der Entscheidung, entweder den alten Studiengang einfach nur umzubenennen oder den Aspekt der Musikvermittlung neu zu definieren und weiter zu fassen. Wir haben uns für Letzteres entschieden und den polyvalenten Bachelor of Arts eingerichtet. Damit reagieren wir auf die Nachfrage nach einer hochqualifizierten und breit aufgestellten Ausbildung, in deren Fokus die Musikvermittlung steht. Die Erfahrung zeigt, dass viele Schulmusik-Absolventen nicht den Schuldienst aufnehmen, sondern aufgrund ihrer umfangreichen musikalischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Ausbildung anderen, außerschulischen Berufen nachgehen, wie beispielsweise als Chor- und Ensembleleiter. Es war naheliegend, einen Studiengang zu entwickeln, der sich der Vermittlung von Musik widmet und sie professionalisiert.
nmz: Welche Besonderheiten hat das Studienmodell in Lübeck?
Bernd Ruf: Der Studiengang „Musik Vermitteln“ ist eine intensive Verzahnung der künstlerischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Ausbildung. Neben den künstlerischen Schwerpunktfächern wie Gesang oder dem Hauptfachinstrument können Studierende sich im Laufe des Studiums in unterschiedlichen Profilen spezialisieren. Angehende Gymnasiallehrer beispielweise haben die Wahl, neben Musik ein zweites Unterrichtsfach zu studieren (in Kooperation mit der Universität Hamburg) oder sich im Rahmen des so genannten Doppelfachstudiums in einem außerschulischen Bereich zu profilieren. Zur Auswahl stehen IGP, allgemeine Musikvermittlung, Elementare Musikpädagogik (EMP), Popularmusik und die Kirchenmusik. Im letztgenannten Profil besteht die Möglichkeit, gleichzeitig auch den B-Kirchenmusikabschluss zu erlangen. Die Variabilität im Studienangebot ist von großem Vorteil. Alle Profile sind genreübergreifend, das bedeutet, sie umfassen sowohl den klassischen Bereich als auch die Popularmusik.
nmz: Was unterscheidet diesen Studiengang von anderen?
Römhild: Die MHL bietet zwei Studiengänge an: „Musik Vermitteln“ mit dem Abschluss Bachelor of Arts und „Musikpraxis“ mit dem Abschluss Bachelor of Music. Beiden ist die künstlerische und pädagogische, das heißt die vermittelnde Ausrichtung gemein. Lediglich die Gewichtung der Schwerpunkte oder besser gesagt ihre jeweilige Profilschärfe unterscheidet sie. Im erstgenannten Studiengang steht die Vermittlung der Musik in all ihren mannigfaltigen Formen im Fokus. In der „Musikpraxis“ hingegen liegt das Augenmerk stärker auf dem künstlerischen Aspekt, also hier bilden wir Orchestermusiker, Kirchenmusiker, Komponisten und Sänger aus. Beide Studienbereiche verzahnen sich. Diese Durchlässigkeit im System wollen wir so groß wie möglich gestalten, um den Studierenden Gelegenheit zu geben, ihre Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten individuell zu erweitern oder zu vertiefen.
nmz: Es gibt also eine gewisse Flexibilität im Angebot als auch die Offenheit, sich zunächst innerhalb dieser Studienbereiche zu orientieren und sich dann festzulegen.
Römhild: Ja. Wir haben den Bologna-Gedanken so verstanden, dass es möglich sein muss, so viele einzelne individuelle Studienfacetten bereitzustellen, wie wir Studierende haben.
nmz: Welche Lernziele sind mit dem Studiengang „Musik Vermitteln“ verbunden und wie sollte Ihrer Meinung nach Musik in der Schule vermittelt werden?
Ruf: Wir vertreten die Auffassung, dass die Studierenden auch können müssen, was sie vermitteln sollen. Deshalb ist unser Anspruch, insbesondere in der Musikvermittlung ein sehr hohes künstlerisch-praktisches Niveau zu halten. Erst dadurch wird Musik im schönsten Sinne des Wortes begreifbar. Dass die wissenschaftlich-theoretischen Fächer die Ausbildung zum „Musikvermittler“ komplettieren, versteht sich von selbst. In den Schulen richten sich die Lernziele nach den jeweiligen Curricula der Bildungsministerien. Wir versuchen, gestalterisch Einfluss zu nehmen. Wir sind davon überzeugt, dass Schüler Musik machen müssen, anstatt sich mit ihr nur theoretisch auseinanderzusetzen. Dazu braucht es künstlerisch und pädagogisch umfassend ausgebildete Musiklehrer.
nmz: Welche Möglichkeiten haben die Studierenden, sich im Musikunterricht auszuprobieren?
Ruf: Im Studiengang „Musik Vermitteln“ sind zwei Praktika vorgesehen: Das eine erfolgt bewusst im außerschulischen Bereich, um ein anderes Berufsfeld zu erkunden. Das andere findet in einer allgemeinbildenden Schule in Form von Hospitationen und unterrichtsvorbereitenden Begleitseminaren statt. Im Master of Education sind weitere, intensive Praktika zu absolvieren. Darüber hinaus arbeitet die MHL über die Einrichtung „MusiS – Musik in Schulen“ mit Schulen zusammen. Studierende bekommen Gelegenheit, sich in Arbeitsgemeinschaften und durch Projekte außerhalb des regulären Musikunterrichts auszuprobieren.
nmz: Wie widmet sich die MHL dem Bereich der musikalischen Vorschulerziehung?
Römhild: Die MHL hat erst kürzlich eine Professur für EMP mit Marno Schulze neu besetzt und steht im regen Kontakt zu lokalen Kindergärten und Grundschulen. Die Zusammenarbeit wird durch gemeinsame Projekte intensiviert.
nmz: Haben Sie für andere Bereiche der Musikvermittlung wie Musikjournalismus oder Neue Medien Dozenten, die qualifizierenden Unterricht anbieten?
Ruf: Im Rahmen der Angewandten Musikwissenschaft bieten wir Seminare zur Arbeit beim Rundfunk an, die von erfahrenen Dozenten geleitet werden. Das Gleiche gilt für Kurse zur Studio- und Aufnahmetechnik. In dem Zusammenhang ist uns wichtig zu betonen, dass wir hierfür lediglich die Basis anbieten können. Unsere Reputation haben wir nur deshalb erreichen und halten können, weil uns vor dem Hintergrund der personellen und finanziellen Ressourcen, die uns in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen, zuerst immer eine exzellente Ausbildung wichtig ist.