Nach einer unsteten Vergangenheit beginnt an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden eine ungewisse Zukunft: Rektorin Judith Schinker ist Anfang März zurückgetreten. Eine Überraschung war das nicht: Anfang März, unmittelbar vor einer Sitzung des Erweiterten Senats an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, versandte deren Rektorin Judith Schinker eine E-Mail mit dem Inhalt, dass sie nicht länger Rektorin sein würde. Der Nachricht „Ich, Judith Schinker, habe heute meinen Rücktritt (…) erklärt und zugleich mit sofortiger Wirkung die Amtsgeschäfte niedergelegt.“ folgte als knappe Begründung, dass es ihr nicht gelungen sei, „eine Mehrheit des Kollegiums“ auf ihrem Wege „mitzunehmen“.
Angesichts der Tatsache, dass sie, Judith Schinker, ihr Amt erst zum Studienjahr 2015/16 angetreten hat, dürfte der Rücktritt nur für jene überraschend wirken, die inzwischen vergessen hatten, dass bereits ihre Wahl im Mai 2015 eine Überraschung gewesen ist. Eine höchst umstrittene obendrein. Auf Betreiben des Erweiterten Senats in seiner damaligen Konstellation wurde die Kurzzeit-Rektorin gegen den ausdrücklichen Wunsch des Hochschulrat durchgesetzt, der eine Wiederwahl des ebenso ambitionierten wie erfolgreichen Vorgängers Ekkehard Klemm favorisiert hatte. Pikanterweise hatte der Judith Schinker erst zu seiner Stellvertreterin als Prorektorin erhoben, nachdem sie zuvor für die Koordinierung des Hochschulsinfonieorchesters und der Kammermusik verantwortlich war. Seinerzeit wurde in diesem Zusammenhang wiederholt das Wort von der „Königsmörderin“ laut. Der Hochschulrat war nach dieser Entscheidung geschlossen zurückgetreten.
Judith Schinker, von Haus aus Juristin und Kulturmanagerin, hatte sich - als hätte sie um ihre Dresdner Fortune bereits geahnt – genau ein Jahr vor ihrem Rücktritt als Dezernentin für die Bereiche Kultur, Tourismus, Stadtmarketing, Sicherheit und Ordnung nach Trier beworben; der dortige Stadtrat entschied sich jedoch gegen sie. Im Nachhinein kommentierte die Rektorin diese Peinlichkeit so: Es sei eine Ehre gewesen, sich in Trier vorstellen zu dürfen. Die dabei gemachten Eindrücke und Erfahrungen wollte sie für die Hochschule nutzbar machen. Selbst das ging offenbar schief.
Andere Stimmen, darunter Alt-Rektor und Ehrensenator Wilfried Krätzschmar, sahen bereits durch diesen Eklat vom März 2017 das Rektorenamt und damit die gesamte Hochschule beschmutzt. Entsprechend schwierig dürfte sich nun die Nachfolge gestalten. Sachsens Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange kommentierte den Rücktritt in aller Knappheit: „Wir wurden von Frau Schinker über ihren Rücktritt als Rektorin der Hochschule für Musik informiert. Dieser Schritt ist sicherlich wohlüberlegt und ist zu respektieren. Ich gehe davon aus, dass der Hochschulbetrieb auch im Interesse der Studierenden reibungslos fortgesetzt werden kann.“
Seitens der Hochschule hieß es dazu, es werde schnellstmöglich eine Ausschreibung zur Neubesetzung des Rektorenamtes erfolgen. Bis dahin solle die Bildungseinrichtung von Rebekka Frömling, der aktuell stellvertretenden Rektorin und Prorektorin für Lehre und Studium, vertreten werden. Judith Schinkers zusammen mit ihrem Rücktritt verfasster Rückblick auf rund zweieinhalb Jahre als Rektorin der Musikhochschule fällt ausnehmend positiv aus. Betont selbstbewusst schreibt sie: „Vieles wurde unter meiner Leitung erfolgreich auf den Weg gebracht“, schließlich sei sie „als Rektorin angetreten, um die Hochschule durch strukturelle Erneuerung für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen.“ Für die eigene Erfolgsbilanz führt sie „die Einrichtung neuer Professuren und Mittelbaustellen“ sowie „berufspraktischer Studienangebote, wie der gemeinsame Masterstudiengang Orchesterpraxis in Kooperation mit der Dresdner Philharmonie“ und darüber hinaus „die Sicherung der künstlerischen Exzellenz durch Öffnung und Verjüngung des Lehrkörpers“ an.
Hochschulinterne Kritiker hingegen attestieren ihr mangelnde Sensibilität im Umgang mit künstlerischen Vorgängen. Bereits durch das Wahlverfahren von 2015 würden sich erste Risse zwischen den Fakultäten aufgetan haben, die sich durch stetig gewachsenes Misstrauen längst zu breiten Gräben entwickelt hätten. Mit ihrem Rücktritt sei Judith Schinker folglich nur einer anstehenden Abwahl zuvorgekommen, für die sich längst eine Mehrheit gefunden habe.
Ihre Nachfolge sieht die zurückgetretene Rektorin „vor die schwierige und auch schmerzvolle Aufgabe gestellt (…), die Weichen für die Gestaltung der Zukunft so zu stellen, dass die Interessen künstlerischer, pädagogischer und wissenschaftlicher Studiengänge ausgewogen berücksichtigt sind.“ Dies bedürfe „der vertrauensvollen Zusammenarbeit aller“. Hätte man all dies nicht vorher wissen können?