KulturRaum München ermöglicht seit Oktober 2011 Menschen mit geringem Einkommen den kostenlosen Zugang zu Münchner Kulturveranstaltungen. Nach dem „Tafelprinzip“ vermitteln Ehrenamtliche nicht verkaufte Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen an einkommensschwache Menschen in München. Bereits 96 Münchner Kulturinstitutionen stellen den ca. 2.400 registrierten Gästen von KulturRaum München monatlich ca. 1.000 Kulturplätze zur Verfügung.
Wenn Rahsan Fatos Gürses einen Anruf vom Kulturraum erhält, huscht ein Strahlen über ihr sonst oft ernstes Gesicht. Dann bekommt die arbeitslose Sekretärin Freikarten für einen Kabarettabend oder ein Konzert, das sie sich sonst nie leisten könnte. "Es ist jedes Mal wie Kurzurlaub", schwärmt Gürses. Regelmäßig Kino, Theater und Tollwood, das ist für sie viel zu teuer seit vor anderthalb Jahren ihre Firma pleite ging und sie ihren Job verlor. Kulturveranstaltungen sind für die 39-Jährige eine kostbare Rarität geworden und inzwischen nur möglich dank des Münchner Projekts Kulturraum.
Die Initiative vermittelt seit anderthalb Jahren Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen von rund 100 Kooperationspartnern an Bedürftige. Viele der 2.500 Kulturgäste sind Rentner, mehr als die Hälfte der Mitglieder junge Familien mit Kindern. Sie erhalten durch das Projekt nicht nur die Möglichkeit, weiterhin geliebte Veranstaltungen zu besuchen. Sie bekommen auch Zugang zu Angeboten, die sie zuvor nicht wahrgenommen hatten: Sie besuchen erstmals ein Kabarett, die Oper oder ein Popkonzert. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Kultur- und Musikmanagerin Katharina Maurer, die sich neben der ehrenamtlichen Mitarbeit im Kulturraum auch wissenschaftlich mit dem Projekt auseinandersetzte.
Tipps zur Kleiderfrage
Der Studie zufolge erhalten auch viele bildungsferne Menschen durch das Projekt Zugang zu Kulturveranstaltungen. Das liegt zum einen daran, dass der Kulturraum über soziale Einrichtungen auf sein Angebot aufmerksam macht. "Wir erreichen die Menschen also in ihrer Lebenswelt. Dadurch ist die Hemmschwelle geringer", erläutert Maurer.
"Das Wichtigste aber ist, dass wir unsere Gäste anrufen", sagt Maurer. Am Telefon bekommen die Kulturgäste nicht nur Tickets angeboten, sondern auch praktische Infos drumherum - etwa, worum es in einem Stück genau geht, welche U-Bahn zu dem Konzert fährt, wann es losgeht oder auch zur Garderobe. "Muss ich ins Theater ein Kleid anziehen oder geht auch eine Jeans?", sei eine aktuelle Frage, erzählt Maurer. Die umfassende Information baut Hürden ab.
Motivierend zum Ausprobieren neuer Angebote wirkt auch der Gratis-Aspekt. Nach dem Motto "Es kostet ja nichts, dann kann man es ja mal ausprobieren" wagt sich so mancher Kulturgast zum ersten Mal im Leben zum Beispiel ins Ballett. Dort steht er dann auf der Gästeliste und muss nicht etwa durch die "Hartz IV"-Bescheinigung seine Bedürftigkeit nachweisen. "So müssen sich unsere Gäste nicht schämen", betont Maurer.
Mehr Selbstwertgefühl
Gürses findet es auch toll, dass sie meist zwei Tickets bekommt und ihre Schwester oder eine Freundin einladen kann. "Es ist jedes Mal toll", schwärmt sie mit funkelnden Augen. "Und so ein Angebot hebt das Selbstwertgefühl." Es fühlt sich für sie nicht an wie "Almosen", sondern wie "ein gutes Angebot".
Viele Veranstaltungen richten sich bereits an Familien, doch künftig wollen sich Maurer und ihre Kollegen noch stärker an die jüngste Zielgruppe wenden. Derzeit laufen die Planungen für das Projekt KulturKinder München, das im Juni an den Start gehen soll. Es soll nicht nur Eltern ansprechen, die ihren Kindern mal einen Theater- oder Konzertbesuch ermöglichen wollen, sondern vor allem kleine Kulturgäste erreichen, deren Eltern mit dem Kulturraum eigentlich nichts am Hut haben. Dazu wendet sich das Team gezielt an Einrichtungen wie Familientreffs und lädt zum Beispiel gleich eine ganze Hortgruppe in eine Vorstellung ein. Aktuell im Angebot ist "Pünktchen und Anton" im Residenztheater.