Das am Institut für Begabungsforschung in der Musik (IBFM) der Universität Paderborn durchgeführte Absolventen-Projekt geht der Frage nach, welchen beruflichen Tätigkeiten (in musikalischen oder nicht-musikalischen Arbeitsfeldern) die Absolventen der künstlerischen Ausbildung der Musikhochschule nachgehen. In diesem Zusammenhang wird auch untersucht, welche Qualifikationen der Arbeitsmarkt von den Absolventen erwartet und wie die Ausbildung der Musikhochschulen darauf vorbereitet.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse sei hier vorab dargestellt. Eine ausführliche Darstellung aller Ergebnisse wird in Buchform Ende 2004/Anfang 2005 erscheinen.
Insgesamt wurden 659 Absolventen von sieben deutschen Musikhochschulen mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens zu ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer retrospektiven Einschätzung der Ausbildung befragt. Von diesen haben 418 eine künstlerische Ausbildung absolviert mit dem Ziel einer Tätigkeit im Orchester oder einer solistischen Laufbahn (160 Streicher, 108 Bläser, 100 Sänger, 50 Pianisten).
Um Informationen über die Anforderungen des Musikerarbeitsmarkts zu erhalten, wurden themenzentrierte Leitfadeninterviews mit 13 Arbeitsmarktexperten (Entscheidungsträger aus Orchester/Theater, Agenten aus privaten und staatlichen Künstleragenturen) durchgeführt. Darüber hinaus wurden mit 17 Dozenten von verschiedenen Musikhochschulen ebenfalls Leitfaden-Interviews durchgeführt, um Aufschluss darüber zu gewinnen, inwieweit die praktischen Anforderungen der spätere Berufstätigkeit in der Ausbildung berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse der Absolventenbefragung zeigen, dass von den befragten Instrumentalisten nur ein einziger seinen Lebensunterhalt als Solist bestreitet. Der Anteil der Streicher, die eine feste Stelle im Orchester erreicht haben, liegt bei 38 Prozent, der entsprechende Anteil der Bläser bei 42 Prozent. Die freiberufliche musikalische Tätigkeit spielt mit 34 Prozent bei den Streichern und 27 Prozent bei den Bläsern eine wichtige Rolle. Insgesamt bestreiten circa 80 Prozent der Streicher und Bläser ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit musikalischen Tätigkeiten. Der Rest geht einer Kombination von musikalischen und außermusikalischen Tätigkeiten nach. Nur ein kleiner Teil von 6 Prozent (Streicher) beziehungsweise 7 Prozent (Bläser) gibt rein außermusikalische Erwerbsquellen an.
Bei den Sängern liegt der Anteil der freiberuflich Tätigen bei 42 Prozent. Im Chor fest angestellt sind 26 Prozent und 12 Prozent haben ( befristete) Soloverträge. Einer Kombination von musikalischer und außermusikalischer Erwerbstätigkeit gehen 13 Prozent nach, 3 Prozent sind ausschließlich außermusikalisch tätig. Bei den Pianisten liegt der Anteil der freiberuflich Tätigen mit 60 Prozent signifikant höher als bei den anderen Instrumenten. Eine feste Vollzeitstelle an einer Musikschule haben 14 Prozent der Pianisten, weitere 8 Prozent haben dort eine feste Teilzeitstelle. Der Rest geht teils musikalischen, teils außermusikalischen Erwerbstätigkeiten nach. Hinsichtlich der Ausbildung wird die fachliche Betreuung durch den Hauptfachlehrer von den befragten Absolventen zum allergrößten Teil positiv bewertet. Die Karrierebetreuung der Hochschule, die Information über den Beruf oder die Herstellung von Kontakten zum Arbeitsmarkt wird größtenteils negativ bis sehr negativ bewertet.
Die Befragung der Arbeitsmarktexperten zeigt zum Teil erhebliche Diskrepanzen zwischen der Berufsvorbereitung der Absolventen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes auf. Erhebliche Defizite gibt es sowohl in der fachlichen Vorbereitung (wie mangelnde Vorbereitung auf das Spielen von Orchesterstellen, Vorspielen und Vorsingen) als auch in praktisch-organisatorischen Fähigkeiten (etwa Selbstmanagement). Es werden hier eine ganze Reihe von Hinweisen gegeben, wie die Ausbildung zu verbessern ist, wobei diese Hinweise mit den Erfahrungen der Absolventen in wichtigen Bereichen übereinstimmen. Die Befragung der Hochschuldozenten zeigt teilweise widersprüchliche Ansichten hinsichtlich der Konzeption der Ausbildung insbesondere der Sänger und Sängerinnen auf. Als generelles Problem wird die innerhalb der Hochschulen oft nur schwer durchzusetzende frühzeitige Leistungsbewertung und realistische Beratung hinsichtlich der Eignung für den Musikerarbeitsmarkt gesehen.