Seine sanfte Stimme klang fast zerbrechlich, war aber in dieser ruhigen Art von solcher Überzeugungskraft, dass Widerspruch jedem schwer fiel, obwohl fachlicher Disput durchaus willkommen gewesen wäre. Sein Humor und seine lachenden Augen haben immer zu einem kommunikativen Spiel eingeladen, das Ernsthaftigkeit und Tiefe besaß, wie man sie nicht oft findet – eine fröhliche Wissenschaft eigener Art.
Sich selbst nicht zu wichtig nehmen war immer ein Leitgedanke, die Relativierung der eigenen Person Markenzeichen der rheinischen Geisteshaltung oder auch Erfahrung des Angehörigen der Kriegsgeneration. Und doch legte er in Professur und staatliche Auszeichnung so viel Gewicht für die vertretene Sache – die musikalische Arbeit mit behinderten Menschen, dass sie von außen mit der verdienten Ernsthaftigkeit wahrgenommen wurde und wird. Überhaupt, die Achtung vor dem Gegenüber: Jeder, der mit ihm sprach, hatte das Gefühl, für diesen Moment im Mittelpunkt seiner Betrachtung und Aufmerksamkeit zu sein, merkte aber auch, wie in ihm zugleich viele Gedanken arbeiteten, die über das Gespräch hinausragten.
Die Musikschule Bochum, die er nach seinen Musikschuljahren in seiner Geburtsstadt Leverkusen aufbaute, war immer eine Drehscheibe der Musikschulpolitik und Impulsgeber in der Musikschullandschaft. Namen wie Read, Starzinger, von Gutzeit und Grunenberg sind alle, wenn man so will, Freunde und „Kinder“ von Werner Probst. Übrigens zum Ausspruch „Kinder“: Wenn Werner Probst dieses Wort in den Mund nahm, wurde man sofort konzentriert wieder an den Kern der Sache herangeführt, den man soeben im Überschwang der Gedanken zu verlassen gedachte. Die Sache, die ihn bewegte, war, nach und neben vielen anderen Aktivitäten, das Musizieren mit behinderten Menschen. Dieses umfangreiche Arbeitsfeld forderte seinen ganzen Einsatz: die Erarbeitung von Bildungs- und Unterrichtskonzepten, die Erforschung von Praxismodellen und, ausgehend vom Modell-Lehrgang, die Entwicklung von Fortbildungen, die Veröffentlichung von Standardwerken und vor allem die Ausbildung von Generationen von Studierenden als Professor an der Universität Dortmund. So viele von seinen Schülerinnen und Schülern wirken heute an Musikschulen und anderen Instituten in seinem Geist fort, in der musikalischen Arbeit mit Behinderten, in integrativen Gruppen, aber auch wieder in der Lehre, allen voran Irmgard Merkt als Nachfolgerin auf seinem Lehrstuhl in Dortmund.
Doch nicht dieses Markenzeichen allein steht für die weit gespannte Wirkung, die Werner Probst in seinem Arbeitsleben entfaltet hat. Der Aufbau der deutschen Musikschullandschaft (u.a. als Fachberater der Landesregierung NRW für das Musikschulwesen) stand über lange Jahre vor der Berufung an die Universität im Mittelpunkt seines Handelns. Dabei legte er viel Wert auf die Begegnung mit Musik im frühen Lebensalter und auf Zugangsoffenheit der Musikschule. Die Entwicklung und Erarbeitung des Lehrplans „Musikalische Grundausbildung“ im Verband deutscher Musikschulen ist das Werk von Werner Probst. Die Mitwirkung in zahlreichen weiteren VdM-Konzepten wie etwa dem Strukturplan und der Musikalischen Früherziehung, die unzähligen Aufsätze und Vorträge, die Mitarbeit bei den Musikschul-Kongressen und Tagungen, die vielen Beratungen von Musikschulen – all dies zu beschreiben, erfordert eigentlich die Herausgabe einer eigenen Biographie. Die Arbeit und die Bedeutung von Werner Probst in den Jahrzehnten seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Verband deutscher Musikschulen, davon lange Jahre im Bundesvorstand und als stellvertretender Bundesvorsitzender des VdM, können hier gar nicht ausreichend beschrieben und genug gewürdigt werden. Einiges ist im Rückblick und der Chronik zum 50-jährigen Bestehen des VdM nachzulesen, was aber ebenso wenig die Vielfalt und die Tragweite seiner Aktivitäten widerspiegeln kann. Auch die zahlreichen Ehrungen lassen nur wenig erkennen, wie tief Werner Probst in die Musikschulszene hinein gewirkt hat und heute noch wirksam ist. Es ist so vieles an Strukturen und Arbeitsweisen in Musikschulen der Persönlichkeit von Werner Probst zu verdanken, was meist dadurch ausgelöst und realisiert wurde, dass er seine Gesprächspartner immer für die wichtigen Dinge aufgeschlossen machte und sie davon überzeugte, sei es den Einzelnen im vertraulichen Gespräch, sei es die Gruppe in der Sitzung eines Gremiums. Jeder hat durch die Kraft von Werner Probst gewonnen, am meisten die Sache, die er jeweils vertrat.
Uns beiden als dem ehemaligen und dem amtierenden Bundesgeschäftsführer des VdM, die er wie den gesamten Verband immer unterstützt hat, wird Werner Probst in seiner warmherzigen und weisen, freundschaftlichen und Rat gebenden Art sehr fehlen. Wir sind traurig, dass er von uns gegangen ist, und dankbar, dass wir ein Stück gemeinsamen Weges haben durften.