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Karibische Stimmung: die Steelpan-Klasse der Aplerbecker-Mark-Grundschule in Dortmund. Foto: Peter Bandermann
Karibische Stimmung: die Steelpan-Klasse der Aplerbecker-Mark-Grundschule in Dortmund. Foto: Peter Bandermann
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Aus dem Ölfass tönt ein Mollseptnonenakkord

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Die Steelpan als Ergänzung des Instrumentariums zum Elementaren Musizieren
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Vor mittlerweile zehn Jahren ereilte den Dortmunder Musikpädagogen Werner M. Weidensdorfer beim Klang und Anblick einer Steelpan die Erkenntnis, dass dies das ideale Elementar-Instrument sein könnte. Das „runde Glockenspiel“, das in den 1930er-Jahren in Trinidad und Tobago als Karnevalsinstrument begann, fasziniert durch unvergleichliche Klangfärbung und -fülle bei gleichzeitig gut überblickbarer Klangerzeugung. Für zahlreiche Gruppen und Klassen, die derzeit nach neuen Möglichkeiten des Elementaren Musizierens suchen, bieten Steelpans eine interessante Ergänzung zum Orff-Instrumentarium.

Bereits in den Siebzigern hatte die Steeldrum oder Steelpan ihren Weg in das Ruhrgebiet gefunden. Eckard C. Schulz war von dem nach purer Lebensfreude klingenden Instrument derart begeistert, dass er anfing, dieses als Autodidakt, mit einem Vorschlaghammer und einem runden Metallresonanzkörper bewaffnet, nach traditioneller Art zu bauen. Inzwischen hat er weit über 10.000 dieser ungewöhnlich klingenden, einstigen Ölfässer ausgeliefert und dem Instrument eine ansehnliche Fangemeinde beschert. Die Steelpan kann dabei den musikalischen Elementarunterricht im Sinne einer Ergänzung der vorhandenen Instrumente und Klangfarben bereichern oder auch als einziges Instrument in einem reinen Steelpan-Ensemble oder einer Steelpan-Klasse dienen.

Wie die traditionellen Stabspiele ist die Steeldrum sowohl als Melodie- als auch als Harmonieinstrument gleichermaßen für Anfänger wie für Fortgeschrittene geeignet. Aufgrund ihrer individuellen Klangmischung wird sie auch weit reichenden musikalischen Ansprüchen gerecht, zumal es die Steelpan als Sopran-, Alt-, Tenor- und Bassinstrument gibt. Weidensdorfer und Schulz entwickelten gemeinsam eine für den Unterricht geeignete Sopran-Variante der Original-Steeldrum, bei der die Töne der diatonischen Tonleiter (c’-d’-e’-f’-g’-a’-h’-c’’-d’’-e’’-f’’, fis’ und b’) wechselseitig aufsteigend angeordnet sind. Die Lage der Töne entspricht dabei ihrer Platzierung im Notensystem: Auf der linken Seite finden sich die Töne, die im Zwischenraum notiert sind, auf der rechten Seite diejenigen, die auf einer Linie notiert sind. Die Anordnung der Töne lässt sich mit weiteren musiktheoretischen Inhalten in Verbindung bringen. So liegt auf der rechten Seite ein Durakkord mit großer Septime und None, auf der linken ein Mollseptakkord mit None. Für den Unterricht mit Vorschulkindern gibt es eine weitere Variante der „klingenden Schüssel“ in G mit den Tönen d’-e’-g’-a’-h’-c’’-d’’-e’’, bei der den einzelnen Spielfeldern neben dem Tonnamen auch eine Farbe zugeordnet ist.

Körperbetonte Spieltechnik

Die Steelpan wird in der Regel im Stehen gespielt, was die Entwicklung der Spielmotorik und auch die Konzentration auf den Lernprozess begünstigt. Durch einen höhenverstellbaren Ständer können die Instrumente optimal der Größe der Spieler angepasst werden. Die Arme können sich frei und leicht bewegen, durch die Anordnung der Töne wird von vornherein eine Rechts- oder Linkslastigkeit vermieden, da beide Körperhälften gleichwertig beteiligt sind. Das Instrument fordert damit zu einer ganzkörperbetonten Spielweise heraus, die den gleichzeitigen Einsatz von Stimme, Klang erzeugenden Spielbewegungen der Arme und ganzkörperlichen Bewegungsaktionen der Spieler ermöglicht. Die Klangschüsseln werden mittels kleiner Holzsticks mit Gummi-Enden bespielt und projizieren ihren Klang gleichermaßen in Richtung Publikum wie auf den Spieler. In der Gruppe oder Klasse kann so eine gute Synchronisation der Spielbewegungen gelingen.

Die ersten Schritte auf der Steelpan können mit einfachen Bewegungsmustern auf beliebigen Tönen gemacht werden. Dabei ergeben sich durch die Auswahl und Anordnung der Töne wie auch durch den speziellen Sound des Instrumentes von Anfang an klanglich ansprechende Ergebnisse. Spielaufgaben können beispielsweise lauten: Die Sticks gehen federnd oder hüpfend auf der Trommel spazieren, erst gleichzeitig, dann abwechselnd rechts und links, im Kreis, auf und ab kletternd, kreuzend et cetera. Die gespielten Töne sollen von den Kindern gleichzeitig auf Notennamen dazu gesungen werden. Als Vorstufe zum Erlernen von Liedern können verschiedene Tonräume erkundet werden: Leiermelodik, Pentatonik, Fünftonraum und bestimmte Intervalle stehen dann im Mittelpunkt der Übungen. So erfolgt eine Entwicklung vom rein motorischen, visuell orientierten Anschlagen hin zum auditiv gesteuerten Spielen der Tonflächen mit dem Ziel eines musikalischen Spracherwerbs. Daher sollte neben dem Erlernen der grundlegenden Elemente der Musik wie Melodie, Rhythmus, Harmonie und Notenschrift das Singen unverzichtbarer Bestandteil des Unterrichts mit Steelpans sein.

Play-Alongs und Notenmaterial

Der Einsatz von Play-Along-Tracks, die im Unterricht und zu Hause zum Üben verwendet werden können, trägt zur weiteren Hörerziehung bei und sorgt dafür, dass die Schüler die Musik von Anfang an stets im vollständigen musikalischen Zusammenhang erleben können. Werner Weidensdorfer hat hierfür eine Reihe eigener Play-Alongs produziert, die auch die traditionelle Musik des Instruments, den Calypso, berücksichtigen. Ansonsten kann für die Steelpan-Gruppen und -Ensembles leicht Literatur anderer Instrumente wie beispielsweise Blockflötenliteratur adaptiert und verwendet werden. In dem Moment, wo die eine Quinte tiefer klingende Alt-Steelpan und die eine Oktave tiefer klingende Tenor-Steelpan zum Einsatz kommen, gelangt der volle Klang in das Ensemble. Die Begleitakkorde erhalten die richtige Fülle und mehrstimmige Liedsätze können musiziert werden. Das absolute Highlight für die Kinder ist jedoch die Bass-Steelpan. Mit ihr sammeln sie reichlich Tieftonerfahrung und da alle Instrumente das gleiche Layout bei der Tonanordnung aufweisen, lassen sich die auf der Sopran-Steelpan erworbenen Grundkenntnisse leicht auf die anderen Instrumente übertragen.

Breitenarbeit und Spitzenförderung

Abgesehen von den klanglichen Qualitäten des Instruments und seinen didaktischen Möglichkeiten bietet ein Steelpan-Ensemble neben dem Ohren- auch einen entsprechend publikumswirksamen Augenschmaus. Regelmäßige Auftritte der Steelpan-Gruppen oder -Klassen sollten daher selbstverständlich sein und stärken das Selbstvertrauen und die künstlerische Präsenz der jungen Musiker. Wer dann noch nicht genug hat, kann auf die Profi-Steelpans umsteigen und in einem Steelpan-Orchester mitspielen oder sogar eine professionelle Ausbildung anstreben.

Insofern ist dieses Instrumentarium gleichermaßen für die Breitenarbeit wie auch für die Förderung besonders leistungsbereiter Schüler geeignet. So hat beispielsweise die Gruppe PanGanG in diesem Jahr als erste Steelpan-Band beim Landeswettbewerb „Jugend jazzt“ teilgenommen und auf Anhieb einen ersten Preis erspielt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Erlernen von Steeldrums in Gruppen oder Klassen nach allen bisherigen Erfahrungen die musikalischen Fähigkeiten der Kinder voll entfaltet, musikalisches Verständnis und Sachkompetenz im Hinblick auf spieltechnische, hörerzieherische und musiktheoretische Inhalte vermittelt und gegebenenfalls auch den Umstieg auf Profi-Steeldrums oder jedes andere Instrument adäquat vorbereitet.

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