Ende November vergab das netzwerk junge ohren den junge ohren preis bereits zum achten Mal. Eingeladen hat das Team um die neue Geschäftsführerin Lydia Grün in die Musikstadt Leipzig, und mehr als einhundert Musikvermittler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren der Einladung gefolgt. Freilich war der Grund für die zahlreiche Teilnahme nicht ausschließlich die feierliche Preisübergabe im Gewandhaus, dessen Verantwortliche dem Netzwerk „den roten Teppich ausrollten“, wie die Geschäftsführerin dankend erwähnte. Ergänzt wurde die Preisverleihung durch eine wissenschaftliche Fachkonferenz zum Thema „Perspektive: Musik & Medien“, auf der frische Ideen für ein lebendiges Musikleben gefunden werden sollten.
Die Vergabe des junge ohren preises erfolgte bisher in vier Kategorien, die mit je 5000 Euro dotiert sind: Best Practice – Konzert, Best Practice – Partizipatives Projekt, Musik & Medien und die Kategorie LabOhr. Eine 14-köpfige Jury wählte aus 103 Musikproduktionen, Musikexperimenten sowie musikalischen Hör- und Filmprojekten elf Finalisten, deren Vertreter am 21. November in Leipzig der Preisvergabe entgegenfieberten. In diesem Jahr gab es zudem ein Novum – die Kinderjury. Für den undotierten Sonderpreis „Musik & Medien“ begutachteten sechs 10 bis 13 Jahre alte Kinder insgesamt 27 Einreichungen und brachten drei davon ins Finale.
In der Kategorie Best Practice – Konzert waren drei Projekte nominiert. Alle drei bestätigten, dass in diesem Jahr eine zunehmende Tendenz festzustellen war: schauspielernde Musiker/Sänger und singende Schauspieler ziehen mit einer immensen Bühnenpräsenz das Publikum in ihren Bann und lösen die Grenzen zwischen den Genres auf. Durchsetzen konnte sich das fantasievolle Musiktheaterstück „Du bist da, Du bist fort“ des freien Theaters Kontra-Punkt aus Düsseldorf. Die Schauspieler spielen hier mit den unterschiedlichsten Formen der Vokalmusik und schrecken nicht davor zurück, schwierige Themen wie Abschied, Trauer, Eifersucht und Schmerz anzusprechen (www.kontra-punkt.de).
Der Preis in der Kategorie Best Practice – Partizipatives Projekt ging an „Die Zauberflöte“, eine Inszenierung, in der 80 geistig behinderte Schülerinnen und Schüler der Porta-Nigra-Schule mit dem Ensemble des Theaters Trier zusammenarbeiteten. Das behutsam und ebenso fantasie- wie humorvoll gestaltete Regiekonzept integrierte alle Kinder in die Handlung und ließ sie nie zur Staf-
fage werden. Die Proben und die zwei Aufführungen am Theater brachten nicht nur den Schülern, sondern auch den Theatermachern einen Gewinn. (www.lebenshilfe-trier.de/zauberflöte).
Das Stück „Die Hörer“ der Flensburger Theaterwerkstatt Pilkentafel und „Mullbau – Konzertreihe für Kinder“ des Luzerner Mullbaus haben sich den Preis in der „wilden“ Kategorie LabOhr geteilt. Beide gingen das Risiko ein, Neuland zu betreten und Grenzen auszutesten. „Die Hörer“ ist ein Lauschangriff im Klassenzimmer. Als Klangforscher verkleidet, überraschen die beiden Theaterpädagogen und Schauspieler Elisabeth Bohde und Torsten Schütte die unvorbereiteten Grundschüler und entführen sie in die Welt des Klangs (www.pilkentafel.de). „Mullbau“ lädt hingegen Kinder und deren Familien zehn Mal im Jahr in einen winzigen Raum in einem Luzerner Neubauviertel ein. Ein Treffpunkt und eine Werkstatt der improvisierten Musik wurden so erschaffen (www.mullbau.ch).
Die Kategorie vier führt direkt zum Thema der Konferenz: „Musik und Medien“. Martina Taubenberger vom Schwäbischen Bildungszentrum Irsee hat beim Projekt „Spurensuche 2.0“ gemeinsam mit dem Wiener Künstler Gammon vierzehnjährige Schülerinnen und Schüler angeleitet, mit Tablets und Software Alltagsgeräusche und instrumentale Klänge in einen künstlerisch anspruchsvollen Kontext zu stellen. Das war der Jury einen ersten Preis wert. (www.tonspuren.de)
Zum gleichen Thema wurde auch der Sonderpreis vergeben. Die Kinderjury schlug drei Finalisten vor, deren Protagonisten unterschiedlicher nicht sein konnten. Die zwanzigteilige aufwendige TV-Doku „Romeo feat. Julia“ mit Rap, HipHop und klassischer Sinfonik (SWR, SWR Sinfonieorchester und Produktionsfirma Nordisch TV) und eine Hörcollage zur NS-Geschichte „Wie klingt Geschichte. Auf Spurensuche in München“, die vom Bayerischen Rundfunk und dessen Orchester produziert wurde, stand hier dem ambitionierten Projekt „Big Breaks – BigBand meets HipHop der Uni Big Band Augsburg gegenüber (www.uni-big-band-augsburg.de). Die Kinderjury entschied sich erstaunlicherweise für das nachdenklich stimmende Geschichtsprojekt mit Hörbildern zu Kindertransport – Euthanasiemorden – Jugendwiderstand – Displaced Persons (www.br.de/aufspurensuche). Ein Beweis, dass Kinder nicht nur konsumieren sondern engagiert, ernsthaft und konzentriert urteilen können. Die zwölfjährige Ita, Mitglied der Kinderjury, sagte dazu: „Natürlich ist es ein sehr trauriges Projekt. Aber: So ein Projekt braucht die Welt!“
Bei Auswahl der Nominierten aus der vorliegenden Fülle von Formaten steckt die Jury in einem gewissen Dilemma. Die Bewerber sind aus finanziellen Gründen oft nicht in der Lage, ihre Musikvermittlungsprojekte mit technisch hohem Aufwand im Video festzuhalten und aussagekräftige Trailer zu produzieren. Nicht jeder verfügt über Technik, Schnittplätze und Knowhow einer öffentlich-rechtlichen Anstalt oder einer professionellen Produktionsfirma. Bei der Fülle der Einreichungen spielt natürlich die Qualität der Bewerbung eine große Rolle für die Jury und ein zündender professionell geschnittener Trailer hat oft die besseren Chancen. Wünschenswert und auch nützlich für das netzwerk junge ohren wäre es zudem, wenn alle Bewerbungen für die Netzwerkteilnehmer zugänglich gemacht würden.
Die Fachkonferenz „Perspektive: Musik und Medien“ brachte nur teilweise einen Zugewinn für die Musikvermittler. Vor allem vom Panel „Musik in Szene setzen“ haben die Konferenzteilnehmer zielführendere Informationen erwartet, um die mediale Darstellung ihrer Projekte umsetzen zu können. Statt dessen stellten die Referenten ihre eigenen Produktionen vor oder dozierten zur audiovisuellen Gestaltung an Theatern. Im Panel „Mein Projekt in den Medien“ wurden hingegen wertvolle Informationen präsentiert. Der Leiter des Kulturressorts der Leipziger Volkszeitung, Peter Korfmacher, erläuterte (leider nur kurz), wie ein Musikvermittlungsprojekt medial aufbereitet sein sollte, um bei Zeitungsredakteuren Gehör zu finden. Und Gewandhaus-Pressesprecher Dirk Steiner schilderte die Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Online-Radio detektor.fm, die Schule machen könnte. Marketing und Musikvermittlung stehen bei der Hörfolge „Saitenwechsel. detektor.fm entdeckt Klassik“ in einem gesunden Verhältnis.
Panel „Mobile Welten“ forderte die Kreativität der Teilnehmer heraus. Der Medienpädagoge Matthias Krebs vom DigiEnsemble Berlin navigierte durch den Irrgarten der Musik-Apps. Mann erfuhr, dass es etwa 30.000 verschiedene gibt, aber nicht einmal zehn Prozent davon zu gebrauchen sind. Im Workshop wurden Musik-Apps vorgestellt, die dem Nutzer einen gewissen musikalischen Gestaltungsraum bieten und die auch ausprobiert werden konnten. Ob Musik-Apps der richtige Weg zur Vermittlung von Musik sind, bleibt dahingestellt.
Eine der künftigen Aufgaben des Musikvermittlers wird sein, eine gesunde Balance zwischen reellem und virtuellem Musizieren zu finden und zu entscheiden, welcher der richtige Weg zur Musik ist.