Der Rundgang über die diesjährige Musikmesse hat wieder eine reiche Ausbeute an musikpädagogisch relevanten Neuerscheinungen ergeben. Aus der fast unüberschaubar gewordenen Vielfalt an Lehrwerken, Sing- und Spielliteratur, Fachbüchern und Zubehör lassen sich dennoch zwei große Themen herauskristallisieren, die die musikpädagogische Realität widerspiegeln: Dies ist zum einen die Frage, wie Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Musikerinnen und Musiker effektiv üben und mit Freude auftreten können und zum anderen die Herausforderung, heterogene Gruppen in allen möglichen Situationen und Rahmenbedingungen zum aktiven Musizieren anzuleiten.
Doch zunächst Grundlegendes zu den Themen Musiklernen und musikalische Bildung: Michael Dartsch legt mit „Musiklernen – Musik unterrichten. Eine Einführung in die Musikpädagogik“ (Breitkopf) ein Lehr-, Studien- und Lesebuch für alle vor, die Musik unterrichten (werden). Systematisch werden hier Einflussfaktoren des Musiklernens, Inhaltsfelder, Methoden, Zielgruppen, Unterrichtsformen und Institutionen dargestellt.
Musikpädagogik aktuell und kompakt!
Stefan Gies und Frauke Heß (Hg.) beleuchten in „Kulturelle Identität und soziale Distinktion. Herausforderungen für Konzepte musikalischer Bildung“ (Helbling) die Frage, was musikalische Lernangebote leisten können, um junge Menschen bei der Herausbildung ihrer kulturellen Identität zu unterstützen. Die Beiträge dieses Sammelbandes sind aus der gleichnamigen Fachtagung im Frühjahr 2013 hervorgegangen.
Grundlegendes zur „Musik im Vorschulalter“ (Bosse) wiederum verspricht die Dokumentation zur letztjährigen Arbeitstagung des Bayerischen Musikrats, die Michael Dartsch herausgegeben hat. Hier werden in den einzelnen Beiträgen Grundfragen, Tendenzen und Studienergebnisse aus der vorschulischen Musikerziehung beleuchtet und zueinander in Beziehung gesetzt.
Jörg Sommerfeld widmet sich in seiner für Mai angekündigten Veröffentlichung „Instrumentalunterricht in der Grundschule. Wege zum erfolgreichen Gestalten“ (Breitkopf) dem „System Grundschule“, um es den vielen, inzwischen in Kooperation mit einer Musikschule dort unterrichtenden externen Instrumentallehrkräften verständlich zu machen. Er behandelt darüber hinaus Themen wie Binnendifferenzierung, Disziplin, Aufsichtspflicht, aber auch Anforderungen des Arrangierens. Ein brisantes Thema, dessen Umsetzung mit Spannung erwartet werden darf.
Ebenfalls geeignet für Kooperationen zwischen Musikschule und Grundschule ist der „Nachfolger“ der „Musikalischen Grundausbildung“ für Sechs- bis Achtjährige. Zum neuen Unterrichtswerk „Musik und Tanz für Kinder“ (Schott) von Sabine Anni Enders, Birgit Herwig, Rainer Kotzian, Rudolf Nykrin und Mine Yaprak Kotzian gehören neben dem Lehrerband das Schülerheft „Musik voraus. Das Entdeckerbuch“ und eine CD mit Tanz- und Bewegungsmusik sowie Hörbeispielen zur Instrumenteninformation.
Eine der raren wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Orgelpädagogik bildet „Orgelunterricht für Jugendliche und junge Erwachsene. Entwicklung eines integrativen instrumentalpädagogischen Lernansatzes“ von Andrea Kumpe (Bosse). Ausgehend von einer empirischen Studie entwickelt sie hier Kriterien für eine zeitgemäße Orgelschule. Das Lehrwerk, das diese Anforderungen erfüllt, soll folgen.
Nützlich dürften auch folgende Neuerscheinungen sein: Den Lehrplan Kammermusik gibt es jetzt im neuen Design (Bosse) und mit Hinweisen zur Aufführungspraxis, zur Improvisation im Ensemble, zur Aufstellung und Programmplanung. Angekündigt für Sommer 2014 ist „Hals über Kopf. Das Handbuch des Notensatzes“ von Elaine Gould (Peters). Hier werden Regeln und Besonderheiten des Notensatzes einschließlich elektroakustischer und mikrotonaler Musik behandelt. Das Buch ist als Hilfsmittel und Nachschlagewerk für Anwenderinnen und Anwender aller einschlägigen Notensatzprogramme gedacht.
Üben, üben, üben …
Ganz neue Übe-Erlebnisse versprechen die folgenden Publikationen: „Groove Connection“ heißt das neue Projekt von Klaus Dickbauer (Universal Edition). Und weiter im Untertitel „Üben wie noch nie! Das Workout“. Dreiklangs- und tonleiterbasierte Grooves mit Improvisationsteilen können mit der beiliegenden CD (Vollversionen und teilweise auch Play-Alongs) oder Spielpartnern im Einzel-, Gruppen- und Ensembleunterricht realisiert werden. Bisher sind Versionen für Flöte, Violine, Altblockflöte, Klarinette, Trompete, Altsaxophon und Tenorsaxophon erhältlich. Für Pianistinnen und Pianisten haben Martina Hussmann und Guido Klaus „Tastenforscher. Kreative Übungen zur Erlangung einer sicheren Klaviertechnik“ (Holzschuh) entwickelt. Neben Übungen zur „Fingerfitness“ geht es auch um Rhythmustraining, Improvisation und Musiktheorie.
An interessierte Eltern und ihre musizierenden Kinder jeden Spielniveaus wendet sich Paul Harris’ Buch „Die neue Leichtigkeit des Übens. Ein revolutionärer Ansatz für ein lustvolles, motiviertes und effektives Übe-Erlebnis“ (Peters/Faber). Ergänzt wird es durch den Lehrerband „Der virtuose Lehrer. Ein inspirativer Leitfaden für Instrumental- und Gesangslehrer“ vom gleichen Autor. Im Mittelpunkt stehen Überlegungen zur Motivation, gendergerechte Sprache scheint hier allerdings noch kein Thema zu sein …
Auch die beiden DVDs von Andreas Holz klingen vielversprechend: „Garantiert erfolgreich üben. Lerntechnik für Musiker“ besteht neben den DVDs für Kinder und Jugendliche aus einem Booklet für Eltern und Lehrkräfte (www.garantiert-erfolgreich-ueben.de).
Unter dem Titel „MusicPlayAlong“ (Claco Music) gibt es nun auch eine digitale Plattform beziehungsweise ein soziales Netzwerk zum Üben und Lernen. Webbasiert oder via App kann man sich aus einer umfangreichen digitalen Bibliothek mit Stücken aus allen Stilrichtungen versorgen und zahlreiche Sonderfunktionen wie Metronom, Mitlesefunktion, automatisches Blättern etcetera nutzen. Ganz ohne Papier und Stift.
Ein Dauerbrenner bleibt das Thema Gesundheit. Von Gerd Schnack wird demnächst „Burnout – Stress – Lampenfieber. Gesundheitsrituale für Musiker“ (Bosse) erscheinen. Der Autor stellt darin einfache und praktikable Methoden vor, die quasi als Training „im Vorübergehen“ eine Änderung des gegebenenfalls belastenden Lebens- und Musizierstiles ermöglichen.
Vokal-/Instrumentalpädagogik
Aus den zahllosen Veröffentlichungen zum (Chor-) Singen in allen Alters- und Könnensstufen sei exemplarisch folgende herausgegriffen: Michael Gohl legt mit „Sing along – Singt mit! Chor- und Liederbuch zum offenen Singen“ (Peters) eine Sammlung vor, die auch spontanes gemeinsames Singen zum Beispiel von Chor und Publikum, ermöglichen soll. Hierzu dienen Lieder verschiedener Stilistiken, die mit Gestaltungs- und Bewegungsanleitungen versehen sind. Auf die positiven Effekte des Singens hebt auch die „VOCES8 Methode. Der musikalische Senkrechtstart in den Schultag – für Stimme, Geist und Körper“ von Paul Smith (Peters) ab. Achtminütige Warm-ups sollen die Konzentration, Motivation und Lust am Lernen steigern. Zum Buch gibt es kostenlose Videos im Internet und eine interaktive App für Schülerinnen und Schüler.
Lerntechnisch nach wie vor spannend, wenngleich auch immer noch (zu) wenig genutzt, sind die Publikationen zur Relativen Solmisation von Aniko Baberkoff-Montag und Wilhelm Baberkoff. Komplett überarbeitet und im neuen Design sind im Eigenverlag unter dem Titel „Hören Singen Spielen“ Materialien für Elementaren Musikunterricht, Instrumental- und Gesangsunterricht sowie Vortragsstücke und Kammermusik auf der Basis der Relativen Solmisation veröffentlicht.
Neu im Bereich der Instrumentalschulen ist Birgit Heller-Meisenburgs unter dem Titel „Accelerando“ (Hofmeister) erschienene Oboenschule, die für das Grundschulalter konzipiert und sowohl für den Einzel- als auch Gruppenunterricht geeignet ist. Für Kinder von 8–12 Jahren hat Barbara Ertl einen weiteren Band ihrer durch konsequenten Aufbau und Methodenvielfalt bestechenden Blockflötenschule vorgelegt: „Jede Menge Flötentöne 2. Die Schule für Altblockflöte mit Pfiff“ ist für Kinder gedacht, die schon Erfahrungen auf der Sopranblockflöte haben. Ergänzend gibt es neu den Band „Nette Duette. Spielstücke Neuer und Alter Musik für Sopran- und Altblockflöte“ und „Jede Menge Flötengriffe“, diverse Griff- und Trillertabellen für alle Blockflötenregister (Holzschuh). Vorspieltaugliche Stücke für Blockflötenklassen finden sich in Matthias Mautes „Oskar und Lisa. Blockflötenabenteuer in der Schule“ (Heinrichshofen). Partitur und Einzelstimmen der vom Autor komponierten Stücke werden ergänzt durch eine CD, auf der alle Stücke in zwei Tempi eingespielt sind. Wer schon immer einmal Baglama lernen wollte, findet in Özgur Ersoys „Lehrbuch für Baglama“ (Ries & Erler) Spieltechniken, Grifftabellen sowie Spiel- und Übungsstücke für Anfänger und Fortgeschrittene (inkl. DVD).
Bei der Sichtung von neuem Spielmaterial für den Klavierunterricht fällt auf, dass eigenwillige Besetzungen im Trend liegen: Barbara Arens‘ Band „One Hand Piano. 40 Stücke für links oder rechts“ (Breitkopf) macht es künftig möglich, auch Zeiten mit verletzungsbedingtem Ausfall einer Hand zu überbrücken, die schwächere Hand gezielt zu trainieren, Menschen mit körperlichen Einschränkungen sinnvoll zu unterrichten oder einfach zum Spaß mit nur einer Hand aufzutreten. Auch Mike Cornick setzt die erfolgreiche Reihe mit Stücken für fünf oder sechs Hände mit seinen „4 Afro Caribbean Songs“ (Universal Edition) für fünf rechte Hände am Klavier fort. Die Ausgabe besteht aus zwei Spielpartituren, die Einzelstimmen gibt es als Gratis-Download. Genreübergreifende Klaviermusik für sechs Hände gibt es neu in der Reihe „Solo für 3“ (AMA) von Rasim Ramazanov (Heft III) und Lidi Kalenderaeva und anderen (Heft IV). Für Klavierklassenabende und den Gruppenunterricht ist man auch bestens gerüstet mit Manfred Schmitz’ Heft „Mini-Tango“ (Breitkopf) mit 18 Vortragsstücken für Klavier zu 6 Händen mit im technischen Anspruch vergleichbaren Stimmen.
Flexibel einsetzbar
Gefragt sind einerseits Materialien, die in verschiedenen Situationen und mit unterschiedlichen Zielgruppen nutzbar sind und andererseits Arrangements, die ein flexibles Musizieren in wechselnden Besetzungen und heterogenen (Groß-)Gruppen ermöglichen.
So findet man etwas in Björn Tischlers Buch „Musik spielend erleben. Grundlagen und Praxismaterialien für Schule und Therapie“ (Schott) zahlreiche Spielideen mit Instrumenten, Bewegung, Szene, Sprache sowie neue und bekannte Lieder zu verschiedensten Themen. Der Band ist mehrstufig aufgebaut, so dass er in unterschiedlichen Unterrichtsformen und -stufen bis hin zur Sonderpädagogik und Therapie einsetzbar ist. „Improvisation. Elementare Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ von Albert Kaul und Jürgen Terhag bietet Einstiegsmodelle in die Improvisation, die für alle Altersgruppen und für Schule und Musikschule gleichermaßen geeignet sind und Ulrike Schimpf und Alexander Kowalsky legen mit „Easy Pattern. 5 Hits für jede Besetzung“ (Peters) Spielstücke vor, die ab einem Jahr Spielpraxis realisierbar sind. Neben einer CD gibt es noch Spielanleitungen und Tipps für den Einsatz in Bläserklassen, Streicherklassen, Posaunenchören, Street Bands, Kleingruppen, (Musik-)Schulorchestern etcetera. Demnächst erscheint von Helmke Jan Keden und Philipp M. Kaufmann „SymphoniClass. Sieben Stücke für sinfonisches Ensemble in Schule und Musikschule“ (Breitkopf). Das Material ist ebenfalls für wechselnde Besetzungen in Musikklassen oder im Schulorches-ter gedacht. Das Stimmenmaterial gibt es auf CD-ROM, so dass es ganz nach Bedarf zusammengestellt werden kann.
Für das Musizieren mit älteren Menschen gibt es folgende neue Materialien: Michael Betzner-Brandt hat in „High Fossility. Rock- und Popsongs mit Senioren“ (Bosse) Arrangements von Liedern aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren zusammengestellt. Zusätzlich zu den englischen Originaltexten gibt es eine deutsche Fassung sowie Tipps zur Vermittlung zum Singen mit Älteren allgemein und zur Instrumentalbegleitung. Auch der Band „Aktivieren mit Sprichwörtern, Liedern und Musik“ von Ulrike Eiring (Schott) kann helfen, auf die Bedürfnisse von hochbetagten und demenziell erkrankten Menschen einzugehen. Die Themen aus dem Jahreskreis und Alltag sowie die Lieder zum Mitsingen (CD inklusive) können sich auch Angehörige, Pflegekräfte oder Ehrenamtliche erschließen.
Den musikalischen Anfängen dagegen widmet sich die neue Zeitschrift „Musik, Spiel und Tanz mit Kindern von 0 bis 6“ (Schott). Sie wendet sich an alle, die mit Kindern im vorschulischen Alter Musik erleben: Eltern, Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik sowie Erzieherinnen und Erzieher in Krippe und Kindergarten. Letztere könnten auch Zielgruppe von Evemarie Müllers „Crashkurs Musiklehre“ (Schott) sein. Hier wird Grundlagenwissen in leicht verständlicher Form anhand von zahlreichen Liedern und anschaulichen Audio- und Videobeispielen vermittelt.
Neu sind auch die Materialien zur Musikvermittlung der Universal Edition: Veronika Großberger und Johannes Voit haben eben solche zu György Ligetis „Atmosphères“ zusammengestellt, Constanze Wimmer und Helmut Schmiedinger zu Alban Bergs „Violinkonzert“ (siehe die Rezension auf Seite 13). Und was kommt 2015? Ein Band zu Luciano Berios „Rendering“ und vieles andere mehr.