Am 19. und 20. April trafen sich rund 60 Vertreterinnen und Vertreter der bayerischen Musikverbände und -institutionen zur jährlichen Arbeitstagung in der Musikakademie in Hammelburg. Diesmal standen Bedingungen und Möglichkeiten frühkindlicher musikalischer Bildung im Fokus. Hierzu hatte Tagungsleiter Prof. Dr. Michael Dartsch ein hochkarätiges Referententeam gewinnen können, das sowohl die Rahmenbedingungen in der Praxis als auch den musikpädagogischen Forschungsstand facettenreich beleuchtete.
Nach dem Auftaktvortrag von Michael Dartsch zu Grundfragen und Tendenzen des Musiklernens im Vorschulalter ging es in den Referaten und Arbeitskreisen des ersten Tages vor allem um Fragen zur konkreten Umsetzung der Bayerischen Bildungsleitlinien und Bildungspläne, um Möglichkeiten und Notwendigkeit der Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern sowie verschiedene Modelle und Ausrichtungen von Musikkindergärten. Das vom Bayerischen Musikrat (BMR) im Nachgang der Tagung verabschiedete Positionspapier (vgl. www.musikinbayern.de) stellt hierzu unter anderem folgende Forderungen auf: Musikalische Bildung müsse zum integrativen und zentralen Bestandteil der Ausbildung sowie Schwerpunkt der Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern werden. Die elementare Musikpraxis in den Kernzeiten des Kindergartens müsse intensiviert werden. Die Bereiche Musik, Sprache/Stimme und Bewegung müssen auf der Grundlage der Bildungs- und Erziehungspläne konzeptionell und durch qualifizierte musikpädagogische Arbeit verknüpft werden. Hierfür müssen Kooperationen mit qualifizierten externen Bildungspartnern, insbesondere den öffentlichen Musikschulen, abgesichert und ausgebaut werden. Und schließlich: Landtag und Staatsregierung sind aufgefordert, die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen und dauerhaft zu gewährleisten.
Der zweite Teil der Tagung stand ganz im Zeichen der wissenschaftlichen Fundierung musikalischer Bildungsprozesse. Prof. Dr. Stefanie Stadler Elmer (Universität Zürich) betont in ihrem Vortrag zur musikalischen Entwicklungsforschung, dass bis zum Alter von 5 Jahren eine kritische Phase angenommen wird, in der durch die Stimulation mit Klängen, Stimme und Sprache die musikalischen Wahrnehmungs- und Differenzierungsfähigkeiten gefördert werden können. Prof. Dr. Peter Schatt (Folkwang Universität der Künste Essen) näherte sich den Fragen frühkindlicher Musikpädagogik unter anderem über die teils unkritisch benutzten Begriffe des Elementaren und Kindgemäßen an. Um Bildungsprozesse in Gang zu setzen, müsse bei der Planung von Unterricht vor allem berücksichtigt werden, welche elementaren (also für die Sache grundlegenden) Inhalte mit welchen fundamentalen (das heißt für den Menschen bzw. das Kind bei der Befassung mit der Sache grundlegenden) Zugängen erschlossen werden können. Dr. Anne Weber-Krüger (Hochschule für Musik und Tanz Köln) stellte die sehr interessanten Ergebnisse ihrer Dissertation vor, in der sie musikalische Bildungsprozesse im Kindergarten aus der Perspektive der Kinder und ihrer Wünsche, Bedürfnisse und Erwartungen erforscht. Um seitens der Kinder eine individuelle Anschlussmöglichkeit an die angebotenen Inhalte zu gewährleisten, fordert Weber-Krüger eine systematische Einbeziehung der Impulse der Kinder in die Unterrichtsgestaltung. Prof. Dr. Wilfried Gruhn (Freiburg) kritisierte in seinem Vortrag, dass den meisten Lehrwerken und Programmen für das Musiklernen im Vorschulalter kein expliziter Lernbegriff zugrunde liege. Dass die einzelnen Phasen und Schritte des Musiklernens nicht beliebig ablaufen, sei dagegen mittlerweile neurobiologisch und empirisch belegbar. Prof. Dr. Gerd Schäfer (Universität Köln/Hochschule für Künste Bremen) betonte abschließend, dass es Aufgabe musikalischer Bildung im Vorschulalter sei, auf der Basis von sensorischer Differenzierung und mimetischer Enkulturation (Nachahmung entsprechender Vorbilder) explizite Erfahrungen durch Spielen, Improvisieren und Gestalten mit musikalischen Inhalten zu ermöglichen.