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Spontane Session am Rande des AfS-Kongresses in Lübeck. Foto: AfS
Spontane Session am Rande des AfS-Kongresses in Lübeck. Foto: AfS
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Vor sich hinwerkeln reicht nicht mehr

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Trotz eines gelungenen Programms wirft der AfS-Bundeskongress in Lübeck Fragen auf
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Ein letztes Mal tagte der Arbeitskreis für Schulmusik (AfS) bei seinem Bundes­kongress vom 22. bis 25. September in Lübeck unter sich. Die nächste Tagung, den „Bundeskongress Musikunterricht 2012“ wird er gemeinsam mit seinem früheren Konkurrenten und jetzigen Partnerverband, dem Verband deutscher Schulmusiker (VdS), bestreiten.

Die Lübecker Tagung war in vieler Hinsicht ein großer Erfolg, und man mag dem stolzen Resümee der Veranstalter – „ein Kongress der Superlative“ – kaum widersprechen. Das Schwerpunktthema „Musizieren mit Schulklassen“ erwies sich als ebenso attraktiv wie (trotz nördlicher Randlage) der Veranstaltungsort Lübeck. Mit über 1.000 Teilnehmern war die Veranstaltung schon etliche Tage vor Beginn ausgebucht. Und die gute Stimmung, die vier Kongresstage prägte, war sicher nicht nur auf das spätsommerliche Wetter, auf das historische Flair der Lübecker Altstadt, auf die erfreulich kurzen Wege zwischen der Musik- und Kongresshalle, der Holstentorhalle und der Musikhochschule und auf die ziemlich perfekte Organisation zurückzuführen. Auch die geglückte Kooperation nicht nur mit dem VdS, sondern auch mit dem Verband deutscher Musikschulen (VdM), die hohe Qualität der 160 Referentinnen und Referenten und das Vergnügen am praktischen Musizieren spielten eine große Rolle. 

Allein schon die Systematisierung der etwa 220 Vorträge, Seminare und Workshops in 26 inhaltliche Kategorien und ihre Anordnung in parallele zeitliche Schienen war eine beachtliche konzeptionelle Leistung. Da sich natürlich jeder Kongressteilnehmer daraus sein eigenes „Veranstaltungsmenü“ zusammenstellte, lässt sich über den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Kongresses in unterrichts-

praktischer Hinsicht nur spekulieren. Kongresse sind aber auch eine Plattform der Verständigung darüber, was im Fach Musik auf der Tagesordnung steht, und sie prägen die Wahrnehmung des Faches in Politik und Öffentlichkeit. Und in dieser Hinsicht sind ein paar kritische Anmerkungen angebracht.

Pragmatischer Umgangston

Der pragmatische, manchmal etwas hemdsärmelige Umgangston im AfS kontrastiert zwar recht angenehm zu den Relikten studienrätlich-professoralen Gehabes im VdS, aber eine besser durchdachte Eröffnungssequenz hätte der Veranstaltung gut angestanden. Die interne Eröffnung am Donnerstagnachmittag erschöpfte sich in musikalischen Animationen und freundlichen Dank- und Grußworten. Bei der „politischen Eröffnung“, dem Festakt im Rathaus, ging es dann zwar durchaus „zur Sache“, aber eben nur in den Reden der Politiker und anwesenden Fachleute. Nur wenige interessierte Kongressteilnehmer fanden den Weg in den Sitzungssaal der Lübecker Bürgerschaft. Sie wurden musikalisch belohnt durch beeindruckende Auftritte junger Lübecker Musiker. Vom Gymnasium Johanneum spielten ein Celloquartett und ein Streicherduo, und vom Katharineum kam das Vokalensemble „Sounding Crowd“, das in seinem kurzen Auftritt mehr Lebendigkeit ausstrahlte als der hoch gepriesene dänische Popchor „Vocal Line“ in mehr als 90 Minuten am Vorabend in der Konzert- und Kongresshalle.

Eine fachinterne Podiumsdiskussion: „Musizieren mit Schulklassen“ am Freitagnachmittag in einem kleinen Hörsaal schließlich war zwar recht gut besucht, brachte aber kaum Richtung in das bestehende Gewirr von Überzeugungen und Konzeptionen. Letztlich leistete der Kongress hier eben jener „Theorieverdrossenheit“ der Musikpädagogen Vorschub, die der AfS-Bundesvorsitzende Jürgen Terhag im lesenswerten aktuellen Sonderheft „Musizieren mit Schulklassen“ der Zeitschrift „Diskussion Musikpädagogik“ gerade beklagt (und mit unzureichender Vorbereitung auf die Alltags-

praxis in der Ausbildung auch recht plausibel erklärt). Der Ansatz, den Musikunterricht wieder „vom Kopf auf die Füße“ zu stellten, indem man das praktische Musizieren zum Ausgangspunkt der Beschäftigung mit Musik macht, ist zwar kaum mehr umstritten, doch nicht zu Unrecht stellt Terhag in seinem Beitrag „Gelingendes Klassenmusizieren zwischen Jeki und Adorno“ die Frage: „Ist Klassenmusizieren ein Unterrichtsprinzip oder bloße Beschäftigungstherapie?“ 

Verklärung des Musizierens

All zu oft, scheint mir, wird das gemeinsame Musizieren verklärt, ohne den Bildungsauftrag des Faches, den Aufbau musikalischer Kompetenzen und die ästhetische Qualität des Musikmachens in den Blick zu nehmen. Und merkwürdig oft wird in der Diskussion auch das Konzept des „aufbauenden Musikunterrichts“, das seit der Frankfurter Bundesschulmusikwoche 2010 in den Vordergrund gerückt ist, zum bloßen Schlagwort oder gar „Tot-Schlag-Wort“ degradiert – als ob lehrgangsartige und offene Phasen des Musikunterrichts einander ausschlössen, oder als ob musikalisches Können und ästhetische Kreativität nicht in einem spannenden und nicht immer berechenbaren Wechselverhältnis stünden. Letztlich ist der Status des Faches Musik zu prekär, als dass man sich derlei didaktische Grabenkämpfe leisten sollte. 

Es ist viel gewonnen, wenn Lehrer nach einem Kongress einen besseren, reflektierteren und vergnüglicheren Unterricht halten können, und dazu bot Lübeck gewaltige Chancen. Aber davon allein verschwindet die aktuelle Krise des Faches nicht. An vielen Schulen, vor allem Grundschulen, fehlen überhaupt Musiklehrer, und es wird entweder von fachfremden (im besseren Fall „fachnahen“) Lehrkräften unterrichtet oder gar nicht. Michael Pabst-Krueger, Vorsitzender des AfS-Landesbereichs Schleswig-Holstein, wies beim Festakt darauf hin, dass heute mehr Musikunterricht ausfällt als zu Zeiten des offiziellen „Mangelfach“-Status. Oft verschwindet das Fach nämlich einfach in  Kontingentstundentafeln, nach denen der ästhetische Bereich ebenso durch Bildende Kunst wie durch Musik und eventuell Darstellendes Spiel abgedeckt werden kann. Der Stundenausfall wird damit nicht einmal mehr aktenkundig. 

Selbstreflexion ist gefragt

Das achtjährige Gymnasium und die unausgegorenen Ganztagsschulkonzeptionen machen nicht nur den schulischen Ensembles das Überleben schwer, sondern auch dem qualifizierten Instrumentalunterricht, und vielerorts scheint sich das Verhältnis zwischen Musikschulen und allgemein bildenden Schulen in einer Weise zu verschlechtern, die von gemeinsamen Zielen nichts mehr spüren lässt. Immer wieder blühen musikpädagogische Initiativen größeren oder kleineren Zuschnitts auf, doch ihre Nachhaltigkeit steht oft in Frage (bis hin zu „JeKi“); hier sind Selbstreflexion und sinnvolle Vernetzung gefragt. AfS und VdS, die langjährigen Rivalen, setzen inzwischen auf Kooperation und Zusammenschluss. Der gemeinsame Bundeskongress 2012 wird um so mehr Signalwirkung haben müssen. Musiklehrerinnen und Musiklehrer werkeln gerne vor sich hin, aber das reicht heute nicht mehr.

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