Duette von Telemann auf zwei Blockflöten – das war vor einigen Jahrzehnten unsere erste Begegnung mit diesem Komponisten, abgetan als Spielmusik für Dilettanten. Vier Jahre vor Bach und Händel geboren, beide überlebend, war Telemann, zwar dem Basso-continuo-Zeitalter des Barock verhaftet, aber zugleich in die Zeit der Empfindsamkeit hinüberweisend, zeitlebens über die Grenzen seines Landes hoch geschätzt, aber im Sog der Klassiker rasch in Vergessenheit geraten. Sich ihres Sohnes zu besinnen, sich mit seinem Opus ernsthaft zu beschäftigen, das an Zahl und musikalischer Vielseitigkeit das von J. S. Bach weit überschreitet, fühlte sich Telemanns Geburtsstadt Magdeburg zunehmend verpflichtet. Ihrem Zentrum für Telemann-Pflege und -forschung stehen unter anderem ein der Telemann-Popularisierung dienender Arbeitskreis zur Seite und die internationale Telemann-Gesellschaft mit ihrem vor zehn Jahren gestarteten Internationalen Telemann-Wettbewerb.
Anders als der Alte-Musik-Wettbewerb in Brugge konzentriert sich dieser ganz auf Telemann – jetzt zum sechsten Male ausgeschrieben – und ist diesmal der solistischen Barock-Violine mit 22 und der Viola da Gamba mit 15 Teilnehmern gewidmet, die aus 17 Ländern stammen und gegeneinander antreten. Alte Stimmung von 415 Hz ist selbstverständlich, Cembalo-Begleitung inklusive.
„Sein umfangreiches instrumentales und vokales Œuvre zu entdecken, das noch gar nicht genug erschlossen und auch deshalb noch nicht sehr bekannt ist, war Idee für diesen Wettbewerb, der sich deshalb allein mit Telemann beschäftigt“, erklärt der ungarische Musikwissenschaftler András Székely, Präsident der Telemann-Gesellschaft und Verantwortlicher für die Konzeption dieses Wettbewerbes. „Deshalb geben wir für die drei Durchgänge das Wahlrepertoire genau vor und stellen auch die Notenausgaben zur Verfügung“. Rund zehn Telemann-Werke soll jeder Kandidat parat haben (nur für Gambe auch vom älteren Zeitgenossen Marin Marais). Gewiss eine hohe Anforderung. Dem stehen allerdings auch lohnende Preisgelder (2.500, 5.000, 7.500 Euro sowie drei Sonderpreise à 500 Euro) gegenüber.
Auffällig bei einem Alterslimit von 18 und 34 Jahren ist das mit 28 Jahren relativ hohe Durchschnittsalter der Teilnehmer. Hier begegnen wir, erläutert Juryvorsitzender Jesper Bøje Christensen, Aufführungsspezialist in Kopenhagen und Basel, durchwegs bereits professionell tätigen Musikern mit entsprechenden Ensemblespiel-Erfahrungen und einem Spezialstudium für Alte Musik, wie es an den meisten Hochschulen in Europa inzwischen angeboten wird. Auch der Klang der Instrumente mische sich neben der persönlichen Interpretation, Artikulation, Phrasierung und Verzierung in der Juroren-Beurteilung.
Die meisten Geiger spielten hier tatsächlich auf alten, zum Teil sehr wertvollen Instrumenten, wie sie die Gambisten kaum haben und die deshalb fast nur auf nachgebaute Instrumente angewiesen seien. Der große Boom Alter Musik sei freilich vorbei, bei den Musikern ebenso wie beim Publikum, so dass zumindest die Geiger zeitgleich auch auf modernen Instrumenten tätig sein müssten. Ein Bonus dieser „Baroque Challenge“ in Magdeburg seien die gebotene Atmosphäre, freundschaftlicher Erfahrungsaustausch und weitere Begegnungskonzerte auch mit ehemaligen Preisträgern.
Im Preisträgerkonzert präsentierten sich die fünf ausgezeichneten Musiker: Ganz vorne der in Moskau ausgebildete Dmitry Sinkovsky (30) in seinem voller Engagement vorgetragenen Violin-Concerto B-Dur, begleitet von dem Hannoveraner Ensemble Musica Alta Ripa, dann die zweite Preisträgerin, die Schweizerin Anaïs Chen (30), die eine der gefürchteten Solo-Fantasien spannungsreich zu vermitteln verstand.
Als Dritte durfte die Französin Mathilde Vialle (22) mit Suiten-Sätzen von Marais ihre wunderbare Gambe zum Klingen bringen. Der Südtiroler Johannes Pramsohler (30), ausgebildet in Bozen und London, holte sich mit seiner subtilen Violin-Sonaten-Interpretation den Bärenreiter-Sonderpreis, der Österreicher Gambist Christoph Prendl (24), nach Linz in Basel studierend, den Rotary- und Melante-Sonderpreis für die beste Ausführung eigener Verzierung. Von den vier deutschen Bewerbern erreichte Anne Kaum (24), jetzt in Leipzig auf Barockvioline spezialisiert, zusammen mit zwei Geigern aus Tschechien und Großbritannien und der Gambistin Myriam Rignol aus Frankreich das Finale.
Die weitere Planung? „Vielleicht Kammermusik zu dritt bis zu acht, oder auch gerne Gesang, wenn es nur schon die dafür notwendigen Klavierauszüge des überreichen Vokalschaffens Telemanns aus Oper, Kantaten und Oratorien gäbe!“, antwortet András Székely.