Hunderte von Musikwettbewerben stehen zunehmend in gegenseitiger Konkurrenz. Welches ist der Top-Concours mit den lukrativsten Preisen, mit attraktivem Förderangebot danach? Aber was ist dafür einzubringen: technische Virtuosität, individuelle künstlerische Aussage, Standhaftigkeit physisch wie psychisch, vielseitiges oder/und spezielles Repertoire? Doch welche Schulen vertreten die richtenden Juroren? Und welches Umfeld erwartet die Kandidaten? Das sind wohl die ersten Erwägungen für junge Musiker, die an ihrem Karrierestart arbeiten.
Wer steht mit welchen Intentionen vor und hinter einem Wettbewerb, der ein so spektakuläres Unternehmen für junge Paganinis wie dieses in Hannover ermöglicht, der trotz Sparwelle großzügig punktet und damit die Aufmerksamkeit auf sich zieht?
Drei dem Violinspiel gewidmete internationale Wettbewerbe in diesem Jahr dicht hintereinander allein in Deutschland. Für die fast gleiche Zielgruppe bei einem Alterslimit von 27 bis 29 Jahren. Das reizt zum Vergleich: Augsburg (Leopold Mozart), München (ARD), Hannover (Joseph Joachim). Zeitnah daneben ein Dutzend weitere Concours-Angebote jenseits der Landesgrenzen.
Statistisch ähneln sich diese drei Wettbewerbe, alle mit jeweils weit über 100 Bewerbern. Für Hannover waren heuer 35 vorausgewählt, 28 letztlich angetreten, nahezu die Hälfte aus dem fernen Asien, 4 aus Ost-, 7 aus Westeuropa, darunter 2 Deutsche (mit zweifelsfrei nichtdeutscher Herkunft).
Der zu erspielende Preissegen ist enorm, mit diesmal auf rund 140.000 Euro aufgestockt das Vierfache von dem, was in Augsburg und München ausgeschüttet werden kann. 50.000 Euro allein für den ersten Preis. Aber in dem „höchstdotierten Violin-Wettbewerb der Welt“, wie die veranstaltende Stiftung Niedersachsen stolz feststellt, sind ebenso enorm die Anforderungen: ein konzertreif präpariertes Repertoire durch alle Epochen und Stile, solistisch (unter anderem Ysaÿes Sonate op. 27), mit Klavierpartner und mit Orchester, gegenüber dem des ARD-Wettbewerbes wohl etwas erweitert, dazu auch hier ein anspruchsvolles Auftragswerk, das eine Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten abverlangt, komponiert von Johannes Schöllhorn unter dem Titel „oréade“.
Das künstlerische Niveau der Teilnehmer, resumiert Juryvorsitzender Krzysztof Wegrzyn, sei noch nie so hoch gewesen, die Ausstrahlung, Begeisterung, Tiefsinnigkeit und menschliche Reife habe alle tief berührt. Größte Entdeckung sei der bislang jüngste Preisträger, der 16-jährige Japaner Fumiaka Miura, der durch eine außergewöhnliche musikalische Persönlichkeit beeindruckte.
Auf ihn konzentrieren sich nun neben dem Superpreis von 50.000 Euro auch die Voten von Publikum und Musikkritikern. Dazu die Guadagnini-Leihgeige der Fritz-Behrens-Stiftung. Miura stammt aus einer Musikerfamilie, bisher in Tokio ausgebildet, war 2006 beim Menuhin-Wettbewerb ausgezeichnet. Jetzt geht sein Weg nach Wien.
Die zweite Preisträgerin, die Deutsch-Koreanerin Clara-Juni Kang (22) begann ihr Studium mit vier Jahren in Mannheim und setzte es konsequent in Lübeck, Berlin, New York und Seoul fort. Bei der dritten Preisträgerin Yura Lee (24), in Korea und USA ausgebildet, erinnerte man sich an ihren Erfolg 2006 in Augsburg, dann in Indianapolis und Genua.
Die drei weiteren Finalisten aus Japan, Südkorea und Frankreich gelten als unplatzierte Preisträger und gehen noch mit je 8.000 Euro, die übrigen 6 Semifinalisten mit je 1.000 Euro nach Hause. Ihre für den Wettbewerb erarbeitete Höchstform konnten die Kandidaten auch noch anderweitig hören lassen. Mit zusätzlichen Gastkonzerte in der Region, in der Musikhochschule und bei den in den Unterricht integrierten, pädagogisch vorbereiteten Begegnungen in 40 niedersächsischen Schulen begeisterte der Veranstalter geschickt ein Fan-Publikum, das bei den öffentlichen Wettbewerbsrunden mitfieberte. Denn neben dem neuen eingeführten Preis bestellter Musikkritiker galt es, den Publikumspreis, jeweils satte 5.000 Euro, zu vergeben.
Mit Rahmenkonzerten, zu Gast Gidon Kremer und die Hannover-Preisträgerin 2006 Suyoen Kim, mit der Beteiligung von NDR-Radiophilharmonie und Polnischem Radio-Kammerorchester, mit Auftritten per Livestream im Internet (violin-wettbewerb.de), mit Experten-Gesprächsrunden rund um das „Erfolgsrezept Wettbewerb?“ wurden die 15 Tage zu einem ausgedehnten Festival rund um die Violine. Zugleich ein Modell dafür, wie ein Musikwettbewerb zu einem belebenden Event ausgestaltet werden kann, wenn dem Veranstalter Fantasie und Initiative, aber vor allem auch „man and power“ wie hier großzügig zur Verfügung stehen.
Das 125-seitige deutsch-englisch gehaltene Design-Programmbuch lenkt den Blick auch auf die Vielzahl von Partnern öffentlicher wie privater Hand, die zu dieser musikalischen Spitzenförderung beitragen. Hannover sieht sich damit bewusst an der Spitze der Concours-Konkurrenz, allerdings mit der Gefahr, andere Musikwettbewerbe im Blick potentieller Teilnehmer zu entwerten.