Joan Baez war das Gesicht und die Stimme der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung. Noch vor Bob Dylan prägte sie die US-Folkmusik. Und wenige Monate vor dem Ex-Gefährten wird die große Sängerin und nimmermüde Polit-Aktivistin nun 80.
Joan Baez sang mit glockenheller Sopranstimme gegen den Vietnamkrieg an, sie protestierte mit ihrer Akustikgitarre in der Hand gegen die Unterdrückung von Afroamerikanern. Im Kampf gegen die Todesstrafe setzte sie sich für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein, sie unterstützte 1989 die Samtene Revolution in Prag. Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man diese Sängerin auf der gerechten Seite der jüngeren Geschichte einordnet.
An diesem Samstag (9.1.) wird Baez 80 Jahre alt – und hat nichts von ihrem Idealismus verloren, sich aber auch einen gewissen Pessimismus erhalten. „Nein, ich war nicht mutlos, als ich anfing, und ich bin es jetzt auch nicht“, sagte sie 2018 im Deutschlandfunk. „Als ich damals mit meinen Ideen auf die Straße ging, hatte ich schon ein ziemlich genaues Bild von der menschlichen Natur und den menschlichen Verhaltensweisen. Das menschliche Verhalten ist schlecht.“
„Damals“, das ist sechs Jahrzehnte her. Baez – am 9. Januar 1941 bei New York als Tochter eines Vaters mit mexikanischen Wurzeln und einer Schottin geboren – nahm in der florierenden Folk-Szene als junge Frau eine Pionierrolle ein. Innerhalb kurzer Zeit wurde sie, zumindest für die unruhigen Sixties, zum „vermutlich berühmtesten weiblichen Folksänger der Welt“, wie das Internetlexikon Allmusic schreibt.
Schon ihre drei ersten Alben – das 1960 veröffentlichte Debüt mit 13 traditionellen Songs, „Joan Baez, Vol. 2“ von 1961 und „Joan Baez in Concert, Pt. 1“ ein weiteres Jahr später – wurden Hits. Plötzlich war Baez das Gesicht der US-Folkmusik – und Aushängeschild der linken und liberalen Bewegungen jener Zeit, mit einem Höhepunkt am 28. August 1963: Auf dem „Civil Rights March“ der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King sang Joan Baez „We Shall Overcome“, bis heute eines der bedeutendsten Protest- und Durchhaltelieder.
Eine wichtige Begegnung hatte schon zwei Jahre zuvor stattgefunden: Baez lernte 1961 den damals noch unbekannten Bob Dylan kennen, den sie in ihren Konzerten einem größeren Publikum vorstellte. Die beiden Musiker wurden für einige Jahre auch privat ein Paar. Und sie schafften den Sprung vom puristischen Akustik-Folk der Anfangszeit zu einem neuen, teils elektrisch verstärkten Musikstil.
Baez war zunächst kommerziell erfolgreicher und politisch aktiver als Dylan – heute ist ihr Ex-Partner, der am 24. Mai selbst runde 80 wird, Literaturnobelpreisträger und Weltstar, sie indes eher die Ikone einer vergangenen Ära. Auf die Frage nach Wertschätzung antwortete Baez im Radio-Interview so nobel, wie man es von ihr kennt – ohne Neid oder Groll: „Als ich noch jung war, hat es mich auch nie entmutigt, dass es zwischen Frau und Mann einen Unterschied gibt.“
Tatsächlich ist ihre eigene Karriere kaum zu unterschätzen. Baez trat 1969 als Schwangere beim Woodstock-Festival auf und prangerte auch dort Missstände an. Die damals mit dem Anti-Kriegs-Aktivisten David Harris verheiratete Musikerin sang Dylans „I Shall Be Released“ und Gospel-Stücke wie „Swing Low, Sweet Chariot“.
Baez war stets eine fabelhafte Interpretin fremder Songs, so auch 1971 mit ihrer Coverversion von „The Night They Drove Old Dixie Down“, einem Top-10-Hit. Für das eher am Pop orientierte „Diamonds & Rust“ (1975), eines ihrer Meisterstücke, schrieb sie aber auch eigene Lieder, etwa den Titelsong über die schwierige Beziehung zu Dylan.
In den 80ern und 90ern brachte Joan Baez weiterhin regelmäßig Platten heraus, von der Kritik besonders empfohlen werden „Recently“ (1988) und „Gone From Danger“ (1997). Zuletzt kamen die Veröffentlichungen sporadischer auf den Markt. Die Grammy-Juroren waren ihr bei acht Nominierungen nicht so gewogen, wie man es angesichts der Qualität ihrer Musik denken sollte – immerhin bekam sie 2007 den „Lifetime Achievement Award“ fürs Gesamtwerk.
Mit dem 24. Studioalbum „Day After Tomorrow“ (2008) und „Whistle Down The Wind“ (2018) legte Baez gleichwohl auch jenseits der 60 noch beeindruckende Alterswerke vor. Ihren 75. Geburtstag feierten 2016 unter anderem Paul Simon, Jackson Browne und Emmylou Harris mit, im Jahr darauf wurde sie in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen.
Inzwischen hat Baez die große Live-Bühne de facto verlassen. Wohl auch, weil sie manchmal mit ihrem Gesang hadert, der – ähnlich wie bei der noch berühmteren Kollegin Joni Mitchell – mitgealtert ist. Es sei kompliziert, jedes Lied für einen begrenzteren Stimmumfang zu rekonstruieren, sagte sie 2019 dem „Guardian“. „Mein Stimme wird weiter absinken, egal wie sehr ich mich bemühe.“
„I Wish The Wars Were All Over“ (Ich wünschte mir, alle Kriege wären vorbei) heißt das letzte Stück ihres jüngsten Albums, ein anderer aktueller Songtitel lautet „Be Of Good Heart“ (Sei guten Herzens). Im Lied „The President Sang „Amazing Grace“„ schwärmt Joan Baez von Barack Obama. Ihre politischen Ideale sind also intakt geblieben – trotz vieler Enttäuschungen seit dem hoffnungsvollen Aufbruch in der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung vor fast 60 Jahren.
Für ihre Kreativität und ihr gesellschaftliches Engagement hat Baez die Malerei entdeckt – mit Porträts von Visionären, die ohne Gewalt für soziale Veränderungen eingetreten sind. Neuere Bilder zeigen die designierte US-Vizepräsidentin Kamala Harris und die schwedische Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg. Als eine Art Fazit sagte Joan Baez dem Deutschlandfunk 2018: „Mein Leben ist reich. Und das meine ich nicht im finanziellen Sinn.“