Für öffentliche Diskussionen ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass sie in der Öffentlichkeit stattfinden. Ein banaler Satz. Nur leider finden viele interessante Beiträge, gerade auch zur Frage eines öffentlichen Zugangs zu Wissen und Kunst, hinter fast verschlossenen Türen statt oder auf einem auch theoretischen Niveau, welches mehr an Stammtischgeplauder erinnert. Hier sollen drei Publikationen vorgestellt werden, die man in guter alter Buchform lesen kann, die aber zugleich auch zum kostenlosen Download bereitstehen. Eine nicht ganz neue Entwicklung im Handel mit niedergelegten Inhalten. Auch die nmz praktiziert dieses Vorgehen seit ihrer Präsenz im Internet, die mittlerweile auch schon fast 10 Jahre andauert.
André Spiegel: Die Befreiung der Information – GNU, Linux und die Folgen.Matthes & Seitz Berlin, 2006, 14,80 Euro (Download als pdf und html über: http://www.die-befreiung-der-information.de/buch.html
Dass der inflationäre Einsatz von Computern nicht ohne Folgen für die Gesellschaft und ihren Zusammenhang im Umgang mit sich selbst oder auch in der Veränderung ihres Rechtssystems bleiben würde, kann niemand mehr bezweifeln. Dass dieser Prozess in seiner entwicklungslogischen Ausgestaltung jedoch keineswegs nur eindimensional ist, ist umstritten. André Spiegel untersucht in seinem 175 Seiten umfassenden Essay jene andere Computerkultur, die neben den großen Entwicklungsströmungen verläuft. Es geht ihm dabei um Nutzungs- und Arbeitsformen, die sich durch Kooperation und freien Austausch von Informationen bilden. Freie Software beispielsweise. Spiegel verweist immer wieder auf den Urvater der Computerbefreiungstheologie Richard M. Stallman und dessen wichtige Unterscheidung innerhalb des Begriffs. „Freie Software“ heißt nicht zwingend „umsonst“ sondern steht in Beziehung zur Verwendung, der Freiheit nämlich, die die Software dem Nutzer lasse. Und die sie dem Nutzer aber auch verpflichtend weiterreiche. Was einmal frei war, darf nicht wieder unfrei gestellt werden. Spiegel analysiert diesen Freiheitsbegriff in mehreren Sphären wie Kryptographie, Musik, Film und Wort. Was würde sich ändern, wenn diese Bedingungen allgemein zur Grundlage des Handelns würden. Spiegel meint, an der Kunst selbst würde es wenig ändern, wohl aber den ganzen Betrieb zwischen Künstler und Nutzer, wenn nicht gleich außer Kraft setzen, so doch erheblich relativieren. Insgesamt käme so ein Verfahren allen zugute, Barrieren des Zugangs würden eingerissen und zugleich eine Welt aktiver Partizipation eröffnet. Als prominentestes Beispiel verweist Spiegel auf die Online-Enzyklopädie Wikipedia, einem gemeinschaftlichen Lexikon. Das alles steht dabei nicht einmal üblichen Wertschöpfungsketten im Wege. Nur veränderten diese ihr Aussehen, die Geschäftsmodelle wären andere.
Frank Fechner (Hrsg.): Die Privatkopie – Juristische, ökonomische und technische Betrachtungen. Mit Beiträgen von Ulrich Loewenheim, Jürgen Nützel, Björn A. Kuchinke, Iris Lenke und Heike Walterscheidt. Ilmenau, 2007. 14,50 Euro (Download als pdf über: http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=7543
Fünf Autoren nähern sich fachübergreifend auf unterschiedlichen Wegen und mit teils abweichenden Ergebnissen dem Themenfeld „Privatkopie.“ Diese im wissenschaftlichen Tonfall gehaltenen Analysen fragen das Thema ab und stellen es mit modernen theoretischen Modellen letztlich in den gesellschaftlichen Zusammenhang. Denn das ist der gemeinsame, wenngleich im Titel nicht ausgesprochene Nenner der Fragen. Dabei sind die Autoren frei von jeglicher Lobby-Position. Diese Abstraktion von konkreten Interessen, die gleichwohl nicht über die Interessen der beteiligten Akteure der von Privatkopien Betroffenen hinweg sieht, macht den Reiz dieses Fachbuches aus. „Im Wesentlichen stehen sich dabei zwei Gruppen von Interessenvertretern gegenüber: Die Urheberrechtler, die einen Schutz geistigen Eigentums im Interesse der Urheber wie auch im Interesse der Allgemeinheit an einem lebendigen Geistesleben vertreten, auf der einen Seite und Nutzer von Geistesgütern, die nach Möglichkeit alles zum Nulltarif gebrauchen möchten, auf der anderen Seite. Wie diese Gegenüberstellung verdeutlicht, bezieht sich diese Frage nicht nur auf Details in der Abgrenzung von Urheberrechten, vielmehr geht es um die gesamtgesellschaftlich elementare Haltung der Allgemeinheit zum Privateigentum,“ schreibt der Herausgeber der Sammlung, Frank Fechner.
Leonhard Dobusch und Christian Forstleitner (Hrsg.): Freie Netze. Freies Wissen. 19,90 Euro (Download als pdf: http://www.freienetze.at/pdfs/fnfw(komplett).pdf
Das umfangreichste Buch mit 338 Seiten geht auf Aspekte des freien Netzes im Allgemeinen ein. Von Funknetzen, über Freiheit in Wissenschaft und Forschung, freie Software, Blogs, Wikis, Kunst bis zu Fragen der aktuellen Stadtentwicklung. Neben Hauptaufsätzen wie „Kreativität in Fesseln: Wie Urheberrecht Kreativität behindert und doch mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden kann“ oder „Freiheit der Kunst durch freie Werke? Kunst und Kultur im Zeitalter digitaler Remixes“ stehen Interviews mit beteiligten Personen oder Vertretern entsprechender Thesen und Visionen wie dem bekannten amerikanischen Rechtsgelehrten und Begründer der „Creative Commons Bewegung“ Lawrence Lessig. Die Herausgeber beschreiben ihr Vorhaben so: „Dieses Buch versucht, die auf freien Netzen basierenden und in freien Netzen agierenden sozialen Bewegungen rund um ,Open Sources‘ in ihren zahlreichen Facetten zum (kommunalen) Thema zu machen. Die Darstellung der teilweise sehr abstrakten Themen an Hand eines konkret-kommunalen Beispiels soll sie dabei auch technischen Laien zugänglich machen … .“ Insgesamt ist diese Veröffentlichung nicht auf dem theoretischen Niveau der anderen beiden Veröffentlichungen, sondern parteilich. Aber diese Parteinahme muss nicht von Schaden sein, denn hier wird noch radikaler eine mögliche Welt dargestellt, die bei Spiegel noch den Spagat zwischen Wirtschaftsinteressen und gemeinschaftlicher Produktivität zu vermitteln versucht.
Eine Leerstelle ist den beiden eher populärwissenschaftlichen Arbeiten jedoch eigen. Wie eine Gesellschaft bestellt und eingerichtet sein müsse, damit diese Überlegungen auch greifen können. Denn im Prinzip gehen sie von Idealvorstellungen einer aufgeklärten und kooperativ selbstlosen Gesellschaft aus. Leider ist dem jedoch nicht so. Zwischen Gebrauch und Missbrauch solcher Freiheit ist es daher oft nur ein kleiner Schritt. Dass eine auch befreite Gesellschaft Ergebnis einer auf Freiheit gegründeten Wissenschaft und Kunst sein könnte, was so direkt freilich nie ausgesprochen wird, gehört zum Begründungstenor. Dass sich andererseits allein mit Mitteln von Rechtsanalysen oder ökonomischen Erwägungen der radikale Wandel auch technischer Art bewältigen lasse, ist ein offenes, kaum bearbeitetes Problem der Studie der Wissenschaftler aus dem Ilmenauer Projekt.