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Charles Edward Ives vor seinem Haus in West Redding, Connecticut 1948. Foto: Archiv
Charles Edward Ives vor seinem Haus in West Redding, Connecticut 1948. Foto: Archiv
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Hymne auf das Ende eines tragischen Tages

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Charles Ives und sein „Orchestral Set No. 2“ · Von Wolfgang Rathert
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Erst langsam bricht sich die Einsicht Bahn, dass der amerikanische Komponist Charles Edward Ives weder ein komponierender Dilettant noch ein provokatorischer Außenseiter der musikalischen Moderne war, sondern einer der großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, dessen Musik die Physiognomie der musikalischen Moderne entscheidend bereichert hat. Wie die zahlreichen Konzerte und wissenschaftlich-publizistischen Aktivitäten anlässlich der Wiederkehr seines 50. Todestages am 19. Mai dieses Jahres und das damit verbundene öffentliche Echo zeigen, lässt sich diese Einsicht mittlerweile aber nicht mehr revidieren.

Es entbehrt dabei nicht einer gewissen – in der Musikgeschichte jedoch häufiger anzutreffenden – Ironie, dass es ausgerechnet sein Altersgenosse Arnold Schönberg (1874–1951) war, der den Rang Ives’ hellsichtig umriss, als er ihn in einem bekannten Diktum eine Persönlichkeit nannte, die weder auf Lob noch Tadel angewiesen sei. Denn es war gerade die beiderseits des Atlantiks zeitweise heilig gesprochene und zur Ideologie erhobene Ästhetik und Technik der Wiener Schule, die Ohren und Geist eine vorurteilsfreie Aufnahme und Auseinandersetzung mit Ives’ Werk unmöglich machte – eines Werks, das einen eigenen Kosmos darstellt, dessen stilistische Galaxien bis heute noch nicht restlos erforscht sind. (Ives’ Fragment gebliebenes Hauptwerk „Universe Symphony“, eine der radikalsten Klang-Utopien in der Musik des 20. Jahrhunderts, trägt den umfassenden Anspruch seiner künstlerischen Vision im Titel.)

Während Igor Strawinsky 1966 respektvoll-säuerlich bemerkte, Ives habe in der Vorwegnahme so vieler Techniken der zeitgenössischen Musik den „Kuchen“ verzehrt, bevor die anderen überhaupt am Tisch Platz genommen hätten, hielt Pierre Boulez ihm noch 1983 – knapp zehn Jahre nach der Zentenarfeier zum 100. Geburtstag Ives’, die erstmals eine umfassende Sicht auf das Œuvre ermöglichte – mangelnde Disziplin und Logik in der Umsetzung seiner zweifellos originellen, aber überbordenden Ideen vor. Diese kritischen bis ablehnenden Sichten auf Ives spiegelten ohne Frage einen europäischen Standpunkt wider. Bei Strawinsky war es der Fortschrittsbegriff, den Ives naiv, verbotener- und skandalöserweise in Frage gestellt und außer Kraft gesetzt hatte; bei Boulez war es das Postulat einer quasi universal gültigen Norm musikalischer Logik, die durch die motivisch-thematische Arbeit präsentiert sei. Auch dahinter steckt wieder eine teleologische Konstruktion, die das eigene Komponieren als Resultat eines zwangsläufigen geschichtlichen Prozesses rechtfertigt; glücklicherweise sind weder der Dirigent Boulez, zu dessen Repertoire-Fixpunkten inzwischen das Werk Béla Bartóks gehört, noch der Komponist Boulez – denkt man unter seinen jüngeren Kompositionen etwa an „Sur Incises“ – der dadurch drohenden Beschneidung künstlerischer Freiheit und Imagination erlegen.

Musik über Musik

Versucht man also, sich möglichst vorurteilsfrei und im Bewusstsein der problematischen Wirkungsgeschichte der Musik Ives’ zu nähern, so muss man – sei es als Interpret, Hörer, Kritiker oder Musikhistoriker – die Unbequemlichkeit akzeptieren, dass es in Ives’ Musik keine wirkliche Vorherseh- oder Berechenbarkeit gibt. Doch ebenso wenig wie das Kriterium der Vorhersehbarkeit ein Garant künstlerischen Gelingens ist, führt dasjenige der Unvorhersehbarkeit zu einem durch Willkür oder Beliebigkeit ausgelösten Scheitern. Ives war sich seiner künstlerischen Mittel jederzeit bewusst, aber er setzte sie im Sinn und als Symbol einer „ästhetischen Demokratie“ ein, die der amerikanische Transzendentalismus im 19. Jahrhundert als Kernstück einer folgenreichen (in Europa den jungen Nietzsche faszinierenden) ästhetischen Theorie formulierte.

Diese Haltung Ives’ ging so weit, dass er den von ihm komponierten und dann in der Aufführung erklingenden Stimmen eine personale Autonomie zubilligte, die sie gegenüber anderen Stimmen ohne falsche Rücksichtnahme („regardless of consequences“) verfochten. Dieser Konflikt konnte selbst zum Hauptinhalt eines Werkes werden, dessen mögliche Verhärtung Ives durch Ironie und Humor zu brechen wusste. Auch verurteilte oder gar vernichtete er (anders als Brahms) seine frühen Werke nicht, sondern verteidigte ihr Existenzrecht noch gegenüber ihrem einstigen Urheber, indem er sie – manchmal mehr als autobiografisches denn als künstlerisches Dokument – bestehen ließ und sogar veröffentlichte.

Aus dieser Toleranz, die Ives freilich schlechter oder bloß nachahmend-angepasster Musik nicht zugestand, entwickelte er jene multipolare Musiksprache, die man in Anlehnung an Leonard Bernstein als meta-stilistisch bezeichnen kann. Ives’ „Musik über Musik“ ließ andere Musik jeglicher Herkunft als Bestandteil seiner eigenen Ausdruckswelt zu und machte sie damit auch zum Sprachrohr oder Vehikel kollektiver und anonymer, oftmals trivialer, abgesunkener oder von der Hochkultur nicht akzeptierter Musikstile, welche die multi-ethnische Kultur der USA in vielen Spielarten hervorgebracht hat und weiter hervorbringt.

Die Meta-Stilistik Ives’ macht auch den Gegensatz von Allgemeinem und Besonderem oder Norm und Differenz fragwürdig, der in der europäischen Musikgeschichte so eminent wichtig ist, wie leicht an der Kontinuität traditioneller Gattungen wie Konzert, Sonate und Symphonie in der neuen Musik zu sehen ist. Wenn Ives sich der traditionellen Gattungen und Formen als Gehäuse bediente (was nicht selten der Fall war), dann als bewusste Entscheidung, hinter der eine symbolische Absicht stand. Im jeweiligen Formvollzug, also im „Inneren“ des Werkes, war Ives jedoch frei: Er schuf darin hoch-individuelle Werke, die das Verhältnis von Norm und Differenz in dialektischer Weise umkehren, um damit auch eine Aussage über das Verhältnis von Leben und Kunst zu treffen.

Aura der Verräumlichung

Stünde die Bezeichung „Meisterwerk“ (die eine gewissermaßen ideale, zum Vorbild werdende Erfüllung von Norm und deren Aufhebung bedeutet) nicht im Widerspruch zu Ives’ Auffassung einer stets im Fluss begriffenen und offenen Funktion von Kunst, so wäre sie zweifellos für den „Orchestral Set No. 2“ angemessen – allerdings mit dem entscheidenden Zusatz, dass es sich nach wie vor um ein fast unbekanntes Meisterwerk handelt. Denn zusätzlich zu den ästhetischen Vorbehalten gegenüber Ives’ Musik werden insbesondere die Orchesterwerke aufgrund der hohen und zugleich unorthodoxen Ansprüche, die sie an Ausführung und Besetzung stellen, immer noch sehr selten aufgeführt. Nur das Diptychon „Central Park in the Dark“ und „The Unanswered Question“ ist relativ häufig zu hören, auch mehren sich Aufführungen der 4. Symphonie. Aber weder die vier weiteren Symphonien (unter Einschluss der „Holidays Symphony“), die „Robert Browning Overture“ und die beiden Orchester-Sets – mit dem ersten, von Ives mit dem programmatischen Zusatz „Three Places in New England“ versehenen, machte Nicholas Slonimsky 1931 erstmals das europäische Publikum in Paris, Berlin und Budapest mit Ives’ Musik bekannt – haben einen festen Platz im Konzertrepertoire gefunden. Den Hörern werden damit immer noch faszinierende und bewegende Hauptwerke der Sinfonik des 20. Jahrhunderts im Konzertsaal vorenthalten, sodass sie weitgehend auf Tonträger angewiesen sind. Diese können aber die auf einer bewusst „unfertigen“ Klanglichkeit und Verräumlichung beruhenden Aura von Ives’ Musik, die sich vor allem im Konzert entfaltet, nur sehr bedingt wiedergeben. (Immerhin ist die Ives-Diskografie in den letzten Jahren durch maßstabsetzende Interpretationen von Dirigenten wie Michael Tilson Thomas, Christoph von Dohnanyi oder Ingo Metzmacher bereichert worden. Und Leopold Stokowski – zusammen mit Bernstein ein Pionier des Orchesterwerks von Ives – hat nicht nur die vollständige Uraufführung der 4. Symphonie 1965 verantwortet, sondern 1970 auch eine großartige Einspielung des zweiten Orchester-Sets realisiert.)

Visionär und konkret

Die bei ihm häufiger für kleinere, flexible Besetzungen und Zyklen gewählte Bezeichnung „Set“ verwendet Ives in den Orchester-Sets, um ihren Unterschied zur Sinfonie zu markieren. Dies gilt zum einen für die (relative) Unabhängigkeit der einzelnen Sätze, die auch für sich bestehen können, wie die ihnen vom Komponisten nachträglich zugewiesenen programmatischen Beititel andeuten. Zum anderen ergeben die Anordnung der Sätze und ihre Charaktere die Idee und Dramaturgie einer spezifischen Form, die sowohl einen Kontrast wie auch auf die Idee einer in-sich-geborgenen Bewegung enthält. Zwei langsame Außensätze umrahmen einen bewegteren Mittelsatz: Dadurch schafft Ives einen Gegensatz von religiöser und weltlicher Sphäre, der für seine Musik generell außerordentlich bedeutsam ist. Diese Konstellation entfaltet Spannungsfelder von Erinnerung und Gegenwart, Reflexion und Aktualität, Visionärem und Konkretem, persönlicher und kollektiv-geschichtlicher Erfahrung, die beide Orchester-Sets in je anderer Ausprägung bestimmen.

So beziehen sich die parallel entstandenen Eröffnungssätze beider Sets thematisch auf den amerikanischen Bürgerkrieg der Jahre 1860–1965, der ein ebenso prägender wie traumatischer Einschnitt in der Geschichte der Vereinigten Staaten war, in den auch Ives’ Vater George (1845–1894) als jüngster Militärkapellmeister der Nordstaaten involviert war. In den „Three Places in New England“ entwirft Ives ein musikalisches Epitaph für das erste afro-amerikanische Regiment der Nordstaaten, im zweiten Set erinnert die „Elegy to Our Forefathers“ an Stephen Collins Foster (1825–1864), der sich als einer der ersten weißen Komponisten von der Musik der schwarzen Amerikaner – deren Versklavung in den Südstaaten bekanntlich ein Anlass des Bürgerkrieges war – nachhaltig inspirieren ließ. Ives bezieht sich in diesem Satz auf mehrere von Foster notierte und harmonisierte Plantagenlieder, darunter vor allem auf „Massa’s in de Cold Ground“, dessen Refrain „Down in the Cornfields“ fragmentarisch während des gesamten Geschehens präsent ist. Die Schwermut dieser aus dem Umkreis des Gospels stammenden, also Schicksalsergebenheit wie Auflehnung gleichermaßen thematisierenden Melodien und Texte werden von Ives in nur 48 Takten und kaum fünf Minuten Spieldauer zu einem eindringlichen Bild der politischen und religiösen Botschaft des Krieges verdichtet. Er greift dabei auf ebenso überraschende wie lapidare Mittel zurück, etwa auf den Einsatz einer Zither (die hier die Sphäre des Volkstümlichen vertritt wie in „Washington’s Birthday“ aus der „Holidays Symphony“ die Mundorgel) oder auf das beschwörende Festhalten des Intervalls der kleinen Terz als Orgelpunkt, die aus dem Lied „Old Black Joe“ abgeleitet ist.

Der zweite Satz mit dem eigentümlichen, eine Symbiose von Natur und menschlicher Aktivität vorstellenden Titel „The Rockstrewn Hills join in a people’s outdoor meeting“ geht auf eine Reihe ältere Ragtime-Sätze zurück, die Ives – wie er freimütig in seinen Erinnerungen schreibt – hier neu zusammengestellt und „aufgewärmt“ hat. Wiederum sind verschiedene Hymnen („Bringing in the sheaves“, „O Happy Day“) und volkstümliche Melodien („The Girl I left behind me“, „Yankee Doodle“) verarbeitet. Ihre Greifbarkeit oder Identifikation tritt aber sehr unterschiedlich stark im Lauf des Satzes hervor und ist ganz dem metrisch-rhythmischen Geschehen untergeordnet, das durch den hauptsächlich vom Klavier getragenen, wie improvisiert anmutenden Ragtime dominiert wird. Mal konkretisieren sich die Melodien zu einem emphatischen Chorus, dann wieder erscheinen sie nur als Schemen, als halb bewusste, traumartig anmutende Erinnerungsfetzen. Ives ging es auch hier einmal mehr um „Tone pictures of some bygone days“, wie ein anderer erläuternder Zusatz zu diesem Satz lautet: Die Musik wird zur Chronik in jenem Sinn permanenter Vergegenwärtigung, wie Proust seine „Recherche du temps perdu“ verstand. Die nur oberflächlich massiv anmutende Instrumentation (die einen außerordentlich anspruchsvollen Klavierpart vorsieht) spiegelt diesen Vorgang als ein subtiles Hell-Dunkel zwischen realistischen und surrealistischen Klangflächen und -feldern wider.

Dies gilt in höchstem Maße für den letzten Satz „From Hanover Square North, at the end of a tragic day, the voice of the people again arose“, der wiederum mit dem Finale der „Three Places in New England“ in einer engen, aber kontrastierenden Verbindung steht. War es dort ein mächtiges Naturbild („The Housatonic at Stockbridge“), so ist es hier ein Großstadt-Ereignis, dessen menschliche, aber auch weltgeschichtliche Dimension Ives zutiefst beeindruckte. Hintergrund ist die Nachricht über den Untergang des Handelsschiffs „Lusitania“ am 7. Mai 1915 nach einem deutschen Torpedo-Beschuss, durch den über 1.000 Menschen – darunter auch mehr als 100 amerikanische Staatsbürger – ihr Leben verloren. Diese Tragödie führte letztlich auch zum Kriegseintritt der USA im Jahr 1917, von dem sich Ives als Anhänger des demokratischen Präsidenten Wilson erhoffte, dass er als „war to end all wars“ in die Geschichte eingehen würde. Ives beschrieb die Verbreitung der Nachricht vom Untergang des Schiffs in seinen Erinnerungen wie folgt:

„Wir lebten in einer Wohnung an der West 11th Street 27, als ich eines Morgens beim Frühstück in der Zeitung las, dass die Lusitania versenkt worden war. Ich erinnere mich, wie ich auf dem Weg zum Geschäft in den Gesichtern der Leute auf den Straßen und in der Hochbahn einen anderen Ausdruck sah als sonst jeweils. (…) Nach der Arbeit verließ ich das Stadtzentrum und ging zur Hochbahnstation in der dritten Avenue am Hanover Square. Wie ich den Bahnsteig betrat, war eine große Menschenmenge vor mir, die auf die Züge wartete, welche weiter unten steckengeblieben waren, und während wir so warteten, hörten wir unten auf der Straße das Spiel einer Drehorgel oder eines Leierkastens. Ein paar Arbeiter, die neben den Gleisen saßen, begannen, die Melodie mitzupfeifen, andere wiederum fingen an, den Refrain mitzusingen oder mitzusummen. Ein Arbeiter mit einer Schaufel auf der Schulter betrat den Bahnsteig und stimmte in den Refrain ein, worauf der Mann neben ihm, ein Wall-Street-Bankier mit weißen Gamaschen und einem Rohrstock, ebenfalls einstimmte, und schließlich schien es mir, dass jedermann diese Melodie sang – aber nicht aus Übermut, sondern aus dem Bedürfnis heraus, ihren Gefühlen, die sie den ganzen Tag bedrückt hatten, Ausdruck zu geben. Alles war von einem Gefühl der Würde durchdrungen. (…) Was war denn dies nun für eine Melodie? Es war kein Broadway-Schlager, keine Operettenmelodie, kein Walzer, keine Tanzweise, keine Opernarie, keine klassische Melodie oder irgendeine allgemein bekannte Melodie. Es war (bloß) der Refrain einer alten Gospel-Hymne, welche schon in vergangenen Generationen viele Leute tief berührt hatte. Und zwar keine andere als – ‚In the Sweet bye and bye‘.“1

Die literarische Eigenart dieser Erinnerung und ihre verschiedenen Motivstränge – unter ihnen am auffälligsten wohl die nach-romantische Utopie einer klassenlosen, in der und durch die Kunst vereinten Gesellschaft – wäre selbst einen Exkurs wert. Doch wie hat Ives jenes eindrucksvolle Erlebnis musikalisch umgesetzt? Er teilt im letzten Satz das Orchester in eine Fern- und Hauptgruppe, und er setzt einen Chor ein, der gleich zu Beginn die Hymne „In the Sweet Bye and Bye“ singt, dann jedoch nicht mehr in Erscheinung tritt. Vielmehr entfaltet sich nun ein rein instrumentales Drama, dessen imaginative Gewalt wohl niemand, der es einmal gehört hat, wieder vergessen wird: Aus einer Vielzahl diffuser und keiner Gesamttonalität zuzuordnender instrumentaler und klanglicher Schichten tritt nach und nach – realisiert als so genannte „kumulative“ Formkonzeption – die von den Bläsern intonierte und in den anderen Gruppen nur zitathaft angedeutete Hymne hervor, die auf dem Höhepunkt dann mit einer regelrechten Kadenz abgeschlossen wird. Man könnte hier an eine „per aspera ad astra“-Konstellation im Sinne Beethovens denken (dessen Sinfonien Ives in höchstem Maß verehrte): Doch der Kontrast zwischen diffuser Atonalität und metrisch-rhythmischer Verwischung auf der einen Seite und der schlichten Tonalität, der wie ein Cantus firmus eingesetzten Hymne verleiht diesem Satz eine eigentümlich tragische Wucht und Monumentalität – eine Seite von Ives’ Musik, die gerade in den Schluss-Sätzen immer wieder anzutreffen ist und einmalmehr die lebensphilosophische Grund- lage seines Musikdenkens bezeugt. Autobiografie, Geschichte und philosophisch-religiöse Maximen verbinden sich in der programmatischen Vorlage und kompositorischen Umsetzung des letzten Satzes zu einer Vision, die nur Ives in dieser paradoxen Weise einer „Einheit in der Vielheit“ in Klang zu verwandeln wusste, in eine Musik, die noch oder vielleicht gerade heute ein für die Zwischentöne des Lebens und der Kunst empfängliches Publikum zu erreichen und berühren vermag.

Für Felix Meyer

1 Charles Ives: Ausgewählte Texte, hrsg. v. W. Bärtschi (aus dem Amerikanischen übers. v. Felix Meyer), Zürich 1985, S. 221 f.

Diskografische Hinweise:

Charles Ives: Symphonies No. 1–4 und Orchestral Sets No. 1 & 2; Cleveland Orchestra, Los Angeles PO, Acad. St. Martin in the Fields; Z. Mehta, C.v. Dohnanyi, N. Marriner
Decca 466-745-2

Die genannte Aufnahme mit Leopold Stokowski und dem London Symphony Orchestra and Chorus ist derzeit nur in den USA lieferbar (Music & Arts). Die von James B. Sinclair betreute kritische Ausgabe der Partitur ist bei Peer Music erschienen.

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