Body
Auf den Seiten 52 und 53 dokumentiert die nmz die Diskussion im Internet (donauwelle.org), die der offene Brief der jungen Komponisten Köszegy und Heyde auslöste.
Auf den Seiten 52 und 53 dokumentiert die nmz die Diskussion im Internet (donauwelle.org), die der offene Brief der jungen Komponisten Köszegy und Heyde auslöste. Lieber Herr Köszegy, lieber Herr Heyde, Ich habe erst jetzt gesehen, dass ihr einen winzigen Teil meines Schreibens auf der so genannten Donaueschingen-Seite veröffentlicht habt. Da ihr aber offenbar nicht den Mut habt, die ganze Kritik meinerseits abzudrucken, verlange ich, dass ihr auch diesen Teil herausnehmt. Mein Schreiben war nicht zur Veröffentlichung im Netz bestimmt, die Seite www.donaueschin gen.org gab es damals noch nicht. Es ist gelinde gesagt eine Frechheit, etwas in dieser Weise zu veröffentlichen, ohne die Autorin diesbezüglich zu fragen. Das wäre das Mindeste gewesen. In diesem leichtfertigen Verfahren spiegelt sich im Übrigen eure unseriöse Haltung im Umgang mit dem Gegenstand „Kritik am Festivalgeschehen neuer Musik“: Ihr kümmert euch weder darum, was wirklich aufgeführt wird und wie das geklungen hat – denn natürlich gab es auch in diesem Jahr in Donaueschingen entdeckenswerte Arbeiten mit neuen Akzenten, wie ich bereits schrieb –, noch um die Arbeit der Veranstalter. Ihr schlagt ohne konkrete und benennenswerte Substanz einfach wild um euch. Macht doch erst einmal eine anständige Analyse von internationalen Festivalprogrammen über fünf oder zehn Jahre, damit signifikante Aussagen zustande kommen. Dann werdet ihr zumindest sehen, dass sich die Namen an einem Veranstaltungsort keineswegs wiederholen, weil sich das ein Veranstalter nicht leisten kann. Auch Festivals sind in erster Linie für ein Publikum an einem konkreten Ort da. Und wenn sich Namen in Brüssel, Bremen, Graz, Witten, Donaueschingen wiederholen, ist das von der Rezeptionsseite her völlig legitim, weil jeweils für andere Ohren bestimmt. Und wisst ihr überhaupt, dass das Musikprotokoll Graz im Steirischen Herbst seit einigen Jahren Computer-, Laptop- und Performance-Künstler aus der ganzen Welt vorge-stellt hat? Euer pauschales Urteil geht ziemlich ins Leere, wenn man auch weiß, was in den letzten Jahren bei musica nova Bremen oder bei den Grenzgängen vorgestellt wurde, die das Podewil seit Jahren präsentiert, genau die Sachen, wo die von euch zu wenig repräsentierten Experimente in der neuen Musik stattfinden. Doch ich habe den Verdacht, ihr kümmert euch nicht wirklich um das, was veranstaltungsmäßig passiert. Und dass ihr den Veranstaltern, deren Arbeitstag wahrscheinlich um ein Vielfaches arbeitsreicher ist als der eurige, Faulheit und Entdeckungslust vorwerft, grenzt an Rufmord. Ich bin gespannt, wie euer Artikel für die Positionen aussieht, den ich nur drucke – und auch das habe ich bereits geschrieben – wenn er sachlich und gedanklich konstruktiv ist. Das muss dann inhaltlich schon einige Qualität mehr haben als euer Protestbrief, der für mich in seiner Unsachlichkeit keineswegs unterstützenswert ist. Also nehmt meinen Briefausschnitt aus eurem Feedback heraus oder veröffentlicht dazu diesen Brief, aber nur in seiner gesamten Länge, wenn ihr den Mut dazu habt. Es kann ja wohl nicht angehen, dass ihr euch die Zensur darüber vorbehaltet, was auf die donaueschin gen.org-Seite gestellt wird und was und wen ihr weglasst. Mit freundlichem Gruß, Gisela Nauck [...] Es muss was passieren, durchgreifend! Stefan Amzoll, Berlin [...] Ich stimme dem im Wesentlichen zu. Donaueschingen ist nicht (mehr) der Spiegel der Moderne, à la Häusler, sondern der Spiegel seiner selbst. Nur: Wo erscheint dieser offener Brief? Es wäre gut, ihn auch gedruckt, statt nur im Netz zu haben. Claus-Steffen Mahnkopf, Freiburg Ich habe ihren offenen Brief „Donaueschingen in der Kritik“ erhalten. Die Darlegung der Situation der jungen Komponisten ist überzeugend. Daher schließe ich mich als „junger Komponist“ mit 92 Jahren dem Aufruf an – denn das gleiche Problem betrifft alle Generationen von Komponisten. Kurt Schwaen bravo – ich unterschreibe euren offenen brief hiermit gern, da er nicht nur „junge“ komponisten betrifft. seid euch allerdings klar, dass die permanente kürzung der finanzmittel für neue musik und avancierte kunst einerseits auf das versagen der neue-musik-institutionen zurückzuführen ist, andererseits ihnen immer mehr macht in die hand gibt, da sie es sind, die mehr oder minder feste personal-verträge und finanzmittel in der hand beziehungsweise zu verteilen haben. wenn man sich mit grundlegenden fragen von avancierter musik und kunst auseinander setzt und andere dinge machen will, als die, die es ohnehin schon gibt, dann steht man immer wieder allein und vor riesigen finanzproblemen, zumal diese institutionen nicht entsprechend funktionieren. es gilt also auch die kulturpolitische dimension der problemstellung zu erkennen. meinen offenen brief an thierse/nida-rümelin habt ihr zur kenntnis genommen? Johannes Wallmann, Berlin ausgezeichnet, – es wurde höchste zeit!! und: FRISCHER WIND IST NIE ZU SPÄT – ich dachte, dass ich das aufbrechen der seit 40 jahren verkrusteten strukturen nicht mehr erlebe – viel erfolg. Lothar Voigtländer, Berlin Ich habe eure Kritik von Donaueschingen mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen, da ich schon seit Jahren das Gefühl habe, dass das Neue-Musik-Leben hier zu Lande einer Generalüberholung bedarf. Natürlich kann (und sollte) man auch protestieren. Aber man sollte dabei deutlich sehen, dass Donaueschingen Symptom und nicht Ursache einer Erkrankung des deutschen Kultursystems ist; und man sollte sich auch mit den Ursachen beschäftigen, die sehr viel mit einem tief gehenden Wandel einer Nation zu tun haben, die als (ehemalig) führende Kulturnation, ihren Standort neu bestimmen muss [...] Selber machen und vor allem sich-Zusammenschließen kann nur die Devise sein. Ich praktiziere das schon seit Jahren als Komponist, Leiter eines Ensembles und Organisator (mit großen Schwierigkeiten und manchen Lichtblicken, die einem Mut zum Weitermachen geben). Georg Hajdu, Münster [...] Ihr offener Brief „Donaueschingen in der Kritik“ trifft gerade hier in Köln mit seiner dichten „Underground-Szene“ der „anderen elektronischen Musik“ keinesfalls auf Unverständnis, aber etwas präziser und verständlicher hätte er schon sein können: – wo sind die Widerspenstigen, die Visionäre – gibt es ein paar Namen oder wenigstens Andeutungen von ihnen? – wer steht im Zentrum des angeprangerten Mehrpersonenkultes, in welchem die Entscheidungen fallen?– wo und wer sind die Anderen, die Neuen, denen eine Chance gegeben werden muss – die mit den spannenden Ideen, außergewöhnlichen und unkonventionellen Konzepten und Projekten?– was sind (oder symbolisiert) die „Ränder“, über die zu schauen ist? – welche Juroren schauen sich gewisse Partituren gar nicht mehr an; durch welche Jurybesetzungen werden viele Komponisten abgeschreckt oder lehnen die Teilnahme an Wettbewerben rundweg ab? Reden und schreiben Sie Klartext! – wenn wirklich etwas bewegt werden soll. Hans Ulrich Humpert, Köln Diskutierte man einst in Darmstadt larmoyant über Konzerte der „Neuen Innerlichkeit“, weil mal ein Moll-Akkord verwendet wurde, so ist doch die ästhetische Situation heute wesentlich facetten- und auch kontrastreicher als zum Beispiel in den 80er-Jahren. Dass hierfür auch neue Begrifflichkeiten gesucht werden müssen, und das alte Diskussionsvokabular der neuen Musik schon längst nicht mehr ausreicht, ist ein Missstand, der von der aktuellen Musikkritik durchaus geändert werden könnte. Dass hierbei auch die alten Festivalstrukturen zum Teil eher hinderlich sind, sehe ich genauso wie ihr. Und dass über dieses im Grunde allen bewusste Faktum endlich einmal ausgiebig gestritten werden müsste, halte ich für richtig und notwendig. Moritz Eggert, München [...] Eure Initiative scheint doch auf den ersten Blick ein unterstützungswürdiger Aufbruch zu sein. Aber wie Hans Tuschtku, oder Benjamin Schweitzer richtig bemerken, vieles bleibt diskussionsfähig. So möchte ich kurz etwas zum Äußeren und Inneren eurer Webseite sagen. Ich denke, es ist falsch dies alles als „donaueschingen.org“ zu benennen, die Zustände die ihr beschreibt sind nicht ein Problem von Donaueschingen allein, sondern betreffen eigentlich alle größeren, aber auch kleineren Events. So ist mir die Sache zu lastig, zumal ihr doch in diesem Jahr gar nicht in Donaueschingen wart. Und die Jahre davor [...]? Als Komponist gab es für mich auch in diesem Jahr durchaus hörenswerte Dinge, wenn auch zugegebenermaßen wenige. Ich finde dann aber auch bei Gegenteiligem für mich eine produktive, künstlerisch wichtige, innere Auseinandersetzung [...]! So gebe ich Gisela Nauck diesbezüglich recht, dass es nicht gut ist, dass ihr eure Kritik nur aus der Presse entnehmt, wenngleich ihr diese vielleicht nur als Anstoß betrachtet. Also sollte eure Seite keine einmalige und einseitige Attacke sein, sondern eine Plattform der Diskussion werden, und dafür braucht sie einen konstruktiven Namen und ein eben solches Erscheinungsbild [...] ich denke die Situation der Neuen Musik ist nicht nur so wie sie von außen gemacht wird, sondern wie wir sie selbst machen, deshalb begrüße ich auch die Punkte von Georg Hajdu, [...] wenngleich man als Komponist da in eine Gefahr gerät, nämlich über das „Selbermachen” den Blick für sein eigentliches kompositorisches Handwerk zu verlieren. Daher muss, bei aller Kritik nach außen, für uns die Komponiererei selbst immer der Maßstab bleiben [...] Unbeirrtes Schreiben, mit offenem Blick für die Entwicklungen, aber mit einem Filter gegen jede Art von modischen Tendenzen, denen ein Veranstalter viel schneller, vielleicht wieder durch bestimmte Zwänge, unterliegen kann [...] Die gegenwärtige Situation ist auch ein Teilbild eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens, gewisse Dinge nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, oder sie freundlich zu übersehen [...]Dieses Wegsehen findet aber überall statt, für den einen da, für den anderen dort, auch in Leipzig und... Helmut Zapf, Berlin [...] Neues hat, wie richtig bemerkt, in der derzeitigen Kunstlandschaft generell nur eine Chance, wenn entweder die entsprechenden Beziehungen dahinter stehen, die Präsentation des Projektes entsprechend hochtrabend, voll von gewissen Schlagwörtern und schein-philosophischen Bezügen (die meistens keiner wirklichen Substanzprüfung standhalten) ist, oder das Projekt aufgrund zu erwartender spektakulärer Wirkung einen gewissen Werbeeffekt verspricht. Das „Besondere“ – und dieses Wort ist für mich wichtiger als das Wort neu, da einerseits nicht alles Gute neu sein muss, andererseits bei weitem nicht alles, was „neu“ wirkt dies auch ist, das Besondere in der Kunst zeigt sich aber eben nicht nur in spektakulären Aktionen oder Produktionen mit berühmten Namen. Ohne Wagnis von beiden Seiten, den Künstlern und den Produzenten im weitesten Sinne hat weder Neues noch Besonderes eine Chance. Der ernsthaft arbeitende Künstler begibt sich mit jedem neuen Stück auf Neuland, nimmt Wagnisse auf sich, und dies gilt für Komponisten wie Interpreten. Warum dürfen die Produzenten sich ausruhen? Manch ein großer Verlag wäre heute nicht, was er ist (nämlich mächtig und leider allzuoft ignorant gegenüber Unbekanntem) wenn nicht die Vorgänger der heutigen Kulturverwalter Mut gehabt und vor langer Zeit unbekannte Komponisten unter Vertrag genommen hätten, die inzwischen längst zu „Rennern“ des Repertoires geworden sind. [...] C. Renè Hirschfeld, Berlin Es tut Not, dass sich die Komponisten, Verleger und Veranstalter/Konzerthäuser jenseits der Festivals und Wettbewerbe wieder aus der Höhle herausbewegen, in die sie sich selbst hineinbegeben haben. Die ganz objektiv vorhandene Attraktivität der Aufführung so genannter „Neuer Musik“ (ich möchte diese nicht schon jetzt epochal durch die Fixierung mittels Genrebegriffs eingrenzen) vermittelt sich nach außen – sprich dem Zuhörer (von manchen Komponisten auch Kunden genannt) ganz und gar anders: In der gleichen Form, in der den „U30“, also der jungen Hörerschaft, die Musik ihrer Eltern nahe gebracht wurde, soll nun die aktuelle E-Musik vermittelt werden. Das Durchschnittsalter der Anwesenden bei solchen Konzerten spricht eine andere Sprache: Entweder außerordentlich wenige oder „gereifte“ Zuhörer prägen das Bild. Jede Form wirklich aktueller Musik, Kunst und Kultur im Allgemeinen war selten „Hip“ zu ihrer Zeit. Heute ist zum Beispiel der Jazz bereits zu einer musealen Form verkommen, Innovation ist hier nicht zu erwarten. Wenn die „Neue Musik“ nicht genauso einerseits im Schmuckkästchen der großen Säle und andererseits in der Bedeutungslosigkeit verschwinden will, dann müssen die Interessengruppen schleunigst raus aus dem System Hochschule – Stipendium – Festival – CD machen – Konzertsaal. was dann? Man kann von einem etablierten System nicht erwarten, dass es sich selbst beseitigt, also schaffen wir ein neues, besseres, wilderes und vor allem anderes Konzept. Donaueschingen bleibt als Spektrum der Vergangenheit. Hier möchte ich an die Aufforderung von Moritz Eggert zur Streitkultur anschließen! Bastian Fiebig, Frankfurt [...] Bravo !!! Die neue Musikszene ist seit Jahren sehr inzestuös geworden und braucht dringend neue Gene. Aber die verpappte Front aufzubrechen braucht sehr viel Energie und Geduld.Freiwillig verlässt niemand irgendwelche Machtpositionen.Eine Idee wäre wohl auch, auf dem Gebiet der neuen Bundesländer ein Gegenstück zu Donaueschingenzu gründen. [...] Andreas Plüger, Basel [...] zugleich denke ich, daß man einen solchen protest nicht so bissig formulieren darf, daß die angesprochenen es leicht haben, das ganze als beleidigtes geschimpfe einiger sich benachteiligt fühlender kleinmeister abzutun. der ärger, der aus Euren zeilen spricht, ist verständlich, aber es kann sein, daß diewucht nach hinten losgeht. da Ihr ja nicht gerade zu den ganz erfolglosen jungen komponisten gehört, wäre es vielleicht klüger gewesen, das ganze ein wenig ruhiger und souveräner zu formulieren. andererseits bin ich der ansicht, daß Euer offener brief unbedingt und rasch große verbreitung finden sollte. es ist in der tat an der zeit, daß an der gegebenen situation etwas geändert wird [...] Benjamin Schweitzer, Dresden