Berlin - Die umstrittene Berufung des belgischen Museumsmanagers Chris Dercon zum neuen Intendanten der Berliner Volksbühne kommt unter dem neuen rot-rot-grünen Senat nochmals auf den Prüfstand. Der designierte Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte am Donnerstag im RBB-Inforadio: «Die Volksbühne hat ja durchaus eine Tradition unter anderem mit Brecht und Piscator. Diese Tradition auch weiter beleben zu können - da ist die Frage, ob das mit der Personalentscheidung von damals auf einem guten Weg ist.»
Zugleich deutete er an, Dercon möglicherweise mit anderen Aufgaben zu betrauen. «Auf der anderen Seite hat auch Chris Dercon seine Fähigkeiten», so Lederer. «Da wird man gucken müssen, wie alle an der Stelle, wo sie die Richtigen sind, auch das machen können, was sie machen wollen.» Die Überlegungen liefen in Abstimmung mit dem bisherigen Kultursenator und Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Die Grünen-Kulturexpertin Sabine Bangert hat derweil einen Runden Tisch zur Zukunft der traditionsreichen Berliner Volksbühne gefordert. «Nötig ist eine einvernehmliche Lösung. Es muss Schluss sein mit Alleingängen», sagte Bangert am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Es sei verwunderlich, dass der designierte neue Intendant Chris Dercon bisher noch kein Konzept vorgelegt habe. «Stattdessen müssen wir aus der Presse erfahren, dass er ein mobiles Theater am früheren Flughafen Tempelhof plant. Das ist ganz schlechter Stil.»
Dercon soll 2017 den langjährigen Intendanten der Volksbühne, Frank Castorf, ablösen. Kritiker fürchten, dass das traditionsreiche Polittheater dadurch zu einer «Eventbude» wird. Es gab einen offenen Brief gegen Dercon.
[update, 18.11.]
«Auf alle Fälle muss man darüber nachdenken, was für die Volksbühne das Beste ist», sagte Lederer zu radioeins. «Und da werden wir - der bisherige Kultursenator Michael Müller und ich - uns mal zusammen setzen und gucken, wo da die Spielräume sind und was man da noch machen kann.»
Dercon soll 2017 den langjährigen Intendanten der Volksbühne, Frank Castorf, ablösen. Kritiker fürchten, dass das traditionsreiche Polittheater dadurch zu einer «Eventbude» wird. Unter den Mitarbeitern brach ein Proteststurm los.
Der dpa sagte Dercon am Donnerstag: «Wir freuen uns und sind sehr neugierig, Klaus Lederer kennenzulernen, ihm unsere Pläne vorzustellen und uns mit ihm auszutauschen, auch und gerade weil wir wissen, dass ihm die Volksbühne ganz besonders am Herzen liegt.»
Die Grünen-Abgeordnete Sabine Bangert forderte angesichts der verfahrenen Situation einen Runden Tisch. «Nötig ist eine einvernehmliche Lösung. Es muss Schluss sein mit Alleingängen», sagte sie. Es sei «schlechter Stil», dass die Politik aus den Medien von Dercons Plänen erfahre, am früheren Flughafen Tempelhof ein mobiles Theater einzurichten.
Lederer wollte sich auf Anfrage nicht weiter äußern. Dem RBB-Inforadio sagte er, es gehe darum, die gesellschaftspolitische Tradition der Volksbühne zu erhalten. Zugleich habe auch Dercon seine Fähigkeiten. «Da wird man gucken müssen, wie alle an der Stelle, wo sie die Richtigen sind, auch das machen können, was sie machen wollen.»
Sein Sprecher betonte, Lederer habe Interesse an einer Lösung, die allen in der Stadt gerecht werde. «Er will keinen Krieg, es soll keine Sieger und keine Verlierer geben.» Dercon bereitet allerdings schon sein Programm für die kommende Spielzeit vor. Dafür hat er dieses Jahr 564 000 Euro und kommendes Jahr 1,66 Millionen Euro zur Verfügung.
Lederer, promovierter Jurist, soll am 8. Dezember als neuer Berliner Kultursenator vereidigt werden. Das Land bekommt damit erstmals seit zehn Jahren wieder ein eigenständiges Kulturressort - verbunden mit der Europapolitik.
Bisher hatte Michael Müller zusätzlich zum Amt der Regierungschef die Verantwortung für die Kultur. Daneben gab es die Europabeauftragte Hella Dunger-Löper. Nach dpa-Informationen soll Lederer als künftiger Senator zwei Staatssekretäre für seine beiden Aufgabengebiete bekommen.
Die Kulturstaatsministerin und künftige Berliner CDU-Chefin Monika Grütters hat eigenen Angaben zufolge mit «ungläubigem Staunen» zur Kenntnis genommen, dass Müller künftig das wichtige Wissenschaftsressort «quasi mit links» erledigen wolle. Auf dpa-Anfrage begrüßte sie aber die Eigenständigkeit des Kulturressorts.