Hauptrubrik
Banner Full-Size

Riefenstahls Geburtstag polarisiert Medien

Publikationsdatum
Body

1948 wurde Leni Riefenstahl vor Gericht angeklagt, bei der "Tiefland"-Produktion die Sinti und Roma nicht entlohnt und ihnen fälschlicherweise die Rettung vor der Deportation versprochen zu haben. Sie wurde freigesprochen. Wie weit die Meinungen zu Leni Riefenstahl auch heute noch auseinander klaffen, wollen wir an zwei Beiträgen unkommentiert zeigen.

1: Beitrag im NDR-Fernsehen, Kulturjournal vom 24.8.2002

Neue Vorwürfe gegen Leni Riefenstahl - Statisten aus dem KZ

Pünktlich zu ihrem 100. Geburtstag am 22. August wird Deutschlands berühmteste und umstrittenste Filmregisseurin mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Leni Riefenstahl soll gewusst haben, dass die Statisten ihres letzten Spielfilms "Tiefland", den sie 1940-1944 drehte, Sinti und Roma aus NS-Lagern waren, die nach den Dreharbeiten nach Auschwitz deportiert wurden und dort umkamen.

Riefenstahl unterschreibt Unterlassungserklärung
In einem Zeitungs-Interview hatte Riefenstahl behauptet, dass sie alle "Zigeuner", die ab 1940 als Komparsen in ihrem Streifen mitgespielt haben, nach Kriegsende wiedergesehen habe und dass keinem einzigen etwas passiert sei. Diese Behauptung darf die fast Hundertjährige nicht länger aufstellen und musste eine entsprechende Unterlassungserklärung unterschreiben.
Mit Unterstützung des Vereins Rom e.V, der sich für die Verständigung von Sinti und Roma und Nicht-Roma einsetzt, hatte die überlebende Zwangsarbeiterin Zäzilia Reinhardt diese Erklärung erwirkt. Die 76-Jährigen war als Jugendliche zur Mitwirkung an dem Film gezwungen worden. Nach Recherchen des Vereins Rom e.V. traf dieses Schicksal zwischen 1940 und 1944 rund 120 Sinti und Roma aus den Lagern Max Glahn bei Salzburg und Marzahn (Berlin). Nach Angaben des gemeinnützigen Vereins wurden nachweislich zahlreiche Beteiligte später in den Vernichtungslagern getötet. Der Verein Rom veröffentlichte eine Liste mit den Namen von 48 von Riefenstahl angeforderten "Zigeunern". Ein Abgleich habe ergeben, dass mehr als zwanzig der 48 Sinti und Roma in Konzentrationslagern endeten.

Nur eine kleine Genugtuung für die Opfer
Der Vereinsvorsitzende Kurt Holl bezeichnete die Rücknahme dieser in einem Zeitungsinterview gemachten Behauptungen als eine "kleine Genugtuung" für die damaligen Statisten. Man wolle aber auch erreichen, dass die Überlebenden, die nie einen Statistenlohn bekommen hätten, eine Entschädigung erhielten. Außerdem will "Rom e.V." nun darauf drängen, dass im "Tiefland"-Streifen künftig im Vor- oder Nachspann die Namen und das Schicksal aller mitwirkenden Sinti und Roma aufgeführt werden.
Der Kölner Verein hat zudem bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Strafantrag gegen Riefenstahl wegen Leugnung des Holocaust gestellt. Der Kölner Journalist und Schriftsteller Günther Wallraff nahm das juristische Vorgehen des Vereins zum Anlass für schwere Vorwürfe gegen die Regisseurin. Riefenstahl sei eine "glühende Hitler-Verehrerin" und "furchtbare Propagandistin" gewesen, sagte das Vorstandsmitglied von "Rom e.V.".

Alles nur ein Missverständnis?
Inzwischen bezeichnete Riefenstahl ihre Aussagen in einer Presseerklärung als "Missverständnis". Sie sei "bestürzt und entsetzt", dass Mitwirkende des Films im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurden. Sie wehrt sich aber bis heute gegen den Vorwurf, die Gefangenen selbst ausgewählt zu haben.

"Tiefland" - ein Kampf zwischen Gut und Böse
"Tiefland" basierte auf einer Oper nach einem alten spanischen Volksstück, das den Kampf zwischen Gut und Böse in die Welt der "Zigeuner" überträgt. Das Stück hatte erst 1954 Premiere. In der Nachkriegsfassung waren zahlreiche der "Zigeuner-Szenen" herausgeschnitten worden.
Die Hauptrolle spielte Riefenstahl persönlich. Nach Angaben verschiedener Biografen hat Adolf Hitler den Stoff persönlich sehr geschätzt, er selbst soll die rund sieben Millionen Reichsmark Produktionskosten aus den Staatsetat angewiesen haben. Für die Dreharbeiten wurden die Sinti und Roma auf einem lagerähnlichen Areal eingepfercht.

Ein Leben zwischen Tanz, Film und Fotografie
Riefenstahl, die am 22. August 100 Jahre alt wird, dokumentierte während der Nazi-Zeit unter anderem den Reichsparteitag der NSDAP 1934 in "Triumph des Willens" und die Olympischen Spiele 1936. Nach 1945 litt sie unter den ausbleibenden Film-Aufträgen. Sie wandte sich der Fotografie zu und veröffentlichte in den 70er Jahren Reportagen über ihre Aufenthalte beim sudanesischen Nuba-Stamm.
Der Aussicht dass die US-Schauspielerin Jodie Foster ihr Leben verfilmen will, sieht die Riefenstahl hoffnungsfroh entgegen. Allerdings will sie sicherstellen, "dass meine Memoiren wahrheitsgetreu verfilmt werden". Notfalls wolle sie klagen.
Die 1902 in Berlin geborene ehemalige Tänzerin lebt am Starnberger See.



2: Beitrag der Nachrichtenagentur ddp mit einer Schilderung der Party anlässlich des 100. Geburtstages Leni Riefenstahls

100 Jahre und doppelt so viele Gäste - Leni Riefenstahl feiert Geburtstag - Rosen und Lobeshymnen satt kritischer Töne
von ddp-Korrespondentin Ines Treffler

München (ddp-bay). Doppelt so viele Gäste als Lebensjahre und zigmal so viele Rosen: Zum 100. Geburtstag von Leni Riefenstahl sind am Donnerstag fast 200 Gäste ins Hotel «Kaiserin Elisabeth» nach Feldafing am Starnberger See gekommen - viele mit enormen Rosensträußen im Arm. Die Filmregisseurin, Schauspielerin und Fotografin ließ sich feiern. Stets an ihrer Seite die beiden Las-Vegas-Stars Sigfried und Roy. «Wir sind alle so stolz auf Dich», sagte Roy und stieß mit einem Gläschen Prosecco auf die Jubilarin an.

Die Gäste mussten sich gedulden bis sie Geschenke und Glückwünsche loswerden konnten. Zu groß war der Andrang auf der Terrasse des Hotels, in dem schon Kaiserin Sisi 24 Sommer verbrachte. Leni Riefenstahl war zwischen all den Gratulanten kaum zu sehen in ihrem mindgrünen mit Pailleten bestickten Seidenkleid und den silbernen Riemchen-Sandaletten an den Füßen. Ein Blick auf den Starnberger See war einfacher zu erhaschen. Leni Riefenstahl hatte keine Zeit für den schönen Seeblick. Den kennt sie schon - sie wohnt seit Jahren ganz in der Nähe in Pöcking.

Am Ehrentag spricht keiner der Gäste über die Vergangenheit der umstrittenen Filmemacherin, die als «Hitlers Starregisseurin» bekannt wurde. Obwohl just an diesem Tag die Frankfurter Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Verdachts der Volksverhetzung zu ermitteln begonnen hat. Doch das verdarb Leni Riefenstahl nicht die Laune, immerhin führte sie nach eigenen Worten wegen ihrer Vergangenheit bereits 50 Prozesse.

Uschi Glas wünschte der Jubilarin, dass nicht immer wieder Vergangenes angesprochen wird: «Sie soll endlich damit in Ruhe gelassen werden.» Immerhin habe sie Geschichte geschrieben, betonte Glas. «Außerdem hat sich diese Generation nicht aussuchen können, in welcher Zeit sie lebt», räumte der Verleger Herbert Fleissner ein. Die «Arroganz der Nachgeborenen» wirft er Riefenstahls Kritikern vor. CSU-Politiker Peter Gauweiler hält ihr zugute, dass «sie nie geheuchelt» hat: «Sie hat nie gesagt, ich war immer dagegen.» Und ergänzt: «Zuneigung und Gegenteiliges sind nah beieinander, aber gleichgültig lässt Riefenstahl keinen.» Auf jeden Fall wünsche er ihr «a Glück ohne End».

An ihrem Geburtstag wird nicht über lang zurückliegende Zeiten geredet. Gelobt wurden stattdessen ihre Kameraführung, die Unterwasseraufnahmen, der Schnitt und die modernen Perspektiven. Bewundert wurden ihre Gesundheit, ihr Optimismus und ihre Neugier. «Ich finde sie außergewöhnlich - ich mag sie», sagte Petra Schürmann schlicht. Weitere Bewunderer und Gratulanten waren die Fernsehärztin Antje-Katrin Kühnemann, der FC-Bayern-Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, das Designerehepaar Willy und Sonia Bogner und der Bergfreund Reinhold Messner.

Medienzar Leo Kirch ließ es sich ebenfalls nicht nehmen, Leni Riefenstahl zu gratulieren - auch wenn sogar er warten musste. Das verdarb ihm aber sichtlich nicht die Laune. Michael Jackson schickte ein Glückwunschtelegramm samt Liebeserklärung. Der King of Pop bewundert Riefenstahl als «ein Genie», las Roy vor. Boris Becker, der auch an dem mit Rosen geschmückten Ehrentisch im Sisi-Saal Platz nehmen sollte und zugesagt hatte, tauchte trotzdem nicht auf. Verpasst hat der frühere Tennisstar ein 4-Gang-Menü mit Variationen von geräucherten Fischen aus dem Starnberger See, Entenessenz mit Trüffelklößchen, bayerischen Tafelspitz und zum Dessert rote Grütze mit Vanilleeis.