Mainz/Ludwigshafen - Vorhang auf! Theater und Konzerthallen in Rheinland-Pfalz beginnen nach dem Sommer die neue Saison. Doch die Unsicherheiten der Corona-Pandemie belasten den Kulturbetrieb. «Das Bedrückendste und Unheimlichste ist, dass die Zahl der Infektionen wieder steigt», sagte der Intendant der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Beat Fehlmann.
Neue Einschränkungen könnten die mühsam über die Sommerpause erarbeiteten Konzertpläne gefährden. «Wir nennen das jetzt immer unser Märchenbuch», sagt die Sprecherin der Staatsphilharmonie, Judith Schor, über das Programmheft. Saisonauftakt soll am 4. September in Ludwigshafen sein mit der Musik zum Stummfilm «Goldrausch» von Charlie Chaplin. Ein Glück, dafür sei ohnehin nur eine kleine Besetzung vorgesehen, erzählt Schor. Denn das ganze Orchester, das größte im Bundesland, hat seit Monaten nicht mehr zusammen spielen dürfen.
Das Staatstheater in Mainz hat nur für ein halbes Jahr geplant und nennt das «Spielplan-Voraussicht...lich». Nach dem zeitweiligen Stopp habe das Kulturleben im Land immerhin seit Mai unter gleichbleibenden Regeln arbeiten und sich anpassen können, sagte Sprecherin Sylvia Fritzinger der Deutschen Presse-Agentur.
Bühnen und Konzerthallen müssen unter dem Abstandsgebot viele Plätze sperren, es ist ein Kampf um jeden Sitzplatz. Das große Haus in Mainz kann statt 970 nur 240 bis 400 Zuschauerinnen und Zuschauer aufnehmen. Im kleinen Haus seien die Sitzreihen entfernt und durch gespendete Sofas ersetzt worden, sagt Fritzinger. Die bieten dann einer ganzen Familie Platz.
Die Kabarettbühne Unterhaus in Mainz hat die Veranstaltungen aus ihrem kleinen Saal in den großen verlegt und die aus dem großen Saal an noch größere Spielorte wie das Alte Postlager. Das Theater Trier beginnt seine Saison am 1. September mit dem Stück «Marlene». Im großen Haus können von 622 Sitzplätzen nur etwa 140 genutzt werden, Abonnenten haben Vorkaufsrecht vor Gelegenheitsbesuchern.
Auf den Bühnen geht es darum, mit kleinen Formen, kleinen Besetzungen, große Kunst zu schaffen. In Mainz wurde die aufwendige Oper «Der Freischütz» von Carl Maria von Weber verschoben zugunsten der Barockoper «Pimpinone» von Georg Philipp Telemann. Im Schauspiel musste eine Inszenierung von «Kabale und Liebe» von Friedrich Schiller, die sehr auf Nähe und Körperlichkeit setzte, einem Abend mit den antiken Tragödien «Elektra» und «Iphigenie» weichen.
«Wir werden mit Konzerten beginnen», sagt Sprecher Peter Fröhlich von der Rheinischen Staatsphilharmonie in Koblenz. In den vergangenen Monaten seien die Musiker nur in Kammermusikbesetzungen auftreten. Immerhin: Einmal gab es eine Freiluftaufführung der Oper «Nabucco» von Giuseppe Verdi - aber auch nur in kleiner Besetzung. Denn das gemeinsame Musizieren, vor allem von Bläsern, oder das Singen gelten als riskant. Es verteilen sich Aerosole, kleinste Wassertröpfchen, in der Luft, die Träger des Corona-Virus sein könnten.
«Humor und Phantasie sind keine schlechten Waffen gegen das Virus», steht trotzig im Programmheft des Mainzer Staatstheaters. In «Werther» nach Johann Wolfgang Goethe wird das angedachte Dreierverhältnis handgreiflich nur noch als Film gezeigt. Die Akteure schauen zu, Anfassen verboten!
So liegt Wehmut über den Spielplänen, und die Szene sorgt sich auch um die langfristigen Auswirkungen. An der «Null-Wahrnehmung» der Kultur durch die Politik habe sich nicht viel geändert, kritisiert Fritzinger. Es sei ein ständiger Kampf darum, sichtbar zu bleiben. Für freie Musiker, Schauspieler, Künstler, die sogenannten Solo-Selbstständigen, sei die Lage trotz Hilfen noch schwieriger.
Auch Orchesterintendant Fehlmann befürchtet, dass langfristig Kultureinrichtungen aus Geldmangel geschlossen werden könnten. Was einmal verschwunden sei, kehre so leicht nicht zurück, sagt er. «Wir laufen schon Gefahr, dass wir in Deutschland unsere vielfältige und reiche Kulturlandschaft aufgrund dieser Umstände verlieren.»