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450 Jahre Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin. Foto: Silke Winkler, Theater Schwerin
450 Jahre Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin. Foto: Silke Winkler, Theater Schwerin
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450 Jahre Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin – jetzt werden die Weichen gestellt: Zum halben Jahrtausend oder zum Prellbock?

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Die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin würde gern feiern. Als eines der ältesten durchgehend existenten Orchester der Welt – lediglich die 1502 gegründete Kasseler Hofkapelle (heute Staatsorchester Kassel) und die Sächsische Staatskapelle Dresden (1548 ebenfalls als Hofkapelle ins Leben gerufen) sind älter als die Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin, deren Geburtsstunde 1563 schlug. Auch im Ausland gibt es nicht viel Konkurrenz, was so langen Bestand angeht. Kopenhagen allerdings datiert mit 1448 wohl unangefochten als früheste noch intakte Orchestergründung der Welt.

 

Wenn 450 Jahre kein Grund zum Feiern sind, was aber dann? Der Blick auf das halbe Jahrtausend, das im Jahr 2063 erreicht sein wird? Genau diese nur vage Zuversicht trübt derzeit die Festtagsstimmung bei der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin. Dennoch soll Mitte Juni mit einem Wandelkonzert durch das historische Zentrum der Stadt und einem anschließenden Wunschkonzert im Großen Haus des Staatstheaters des Orchestergeburtstages gedacht werden. Die Staatskapelle feiert mit einigem Bangen.

Ihre Gründungsurkunde datiert vom 17. Juni 1563 und wird heute im Landeshauptarchiv Schwerin aufbewahrt. Sie wurde von Herzog Johann Albrecht I. ausgestellt und beinhaltet die Anstellung des aus Zwickau stammenden Hofkapellmeisters David Köler.

Es sind Kleinstbesetzungen gewesen, in denen die Kapelle ihre Anfangsjahre überdauerte. Höfische Aufgaben gehörten zu ihrem Dasein, später kamen Dienste in „Comödien“ und Kirchen hinzu. Das Zeug zum Theaterorchester war also beizeiten gelegt. Heute musiziert das nach dem Ersten Weltkrieg als Landes- und seit 1926 als Staatskapelle firmierende Orchester im 1886 nach Plänen von Hofbaumeister Georg Daniel eröffneten Mehrspartentheater am Alten Garten der mecklenburgischen Landeshauptstadt. Aber auch andere Spielstätten in Schwerin und Umgebung werden als feste Auftrittsorte genutzt, zumal bei den sommerlichen Festspielen der „MeckProms“ sind die Musikerinnen und Musiker in ganz Mecklenburg-Vorpommern unterwegs.

Die heute von GMD Daniel Huppert musikalisch geleitete Kapelle hatte in ihrer langen Geschichte schwierigste Zeiten und mancherlei Unbill zu ertragen gehabt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zog sie mit dem Hofstaat von Schwerin nach Ludwigslust, wo eine Residenz enormer Opulenz entstanden war. Erst 1837 wurde das nunmehrige Großherzogtum wieder von Schwerin aus gelenkt und geleitet. Zwischenzeitlich soll die Mecklenburg-Schwerinsche Hofkapelle zu den zwanzig besten deutschen Orchestern gezählt worden sein. Da hatte sie ihre künstlerischen und auch personellen Tiefpunkte aus den Kriegszeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Nordischen Kriege längst hinter sich.

Während des 19. Jahrhunderts galt der Klangkörper als etabliert, hatte sich einen Ruf als Opern- und Sinfonieorchester erworben, wurde von Brahms, Mendelssohn Bartholdy und anderen namhaften Gastdirigenten geleitet, konnte mit Solisten wie Clara Schumann, Joseph Joachim und Anton Rubinstein aufwarten und machte auch in der deutschen Wagner-Pflege auf sich aufmerksam. Während der Nazi-Diktatur überschatteten personalpolitische und künstlerische Entscheidungen das Gedeihen, vermochten aber nicht, die Existenz des Orchesters in Frage zu stellen. Nach 1945 gab es rasch wieder einen Aufschwung, wurde Kultur als Bedürfnis gefördert, was auch der Mecklenburgischen Staatskapelle zugute kam. Eine Reihe namhafter Chefdirigenten gab sich in Schwerin den Taktstock quasi in die Hand – Kurt Masur, Heinz Fricke, Klaus Tennstedt, Hartmut Haenchen seien als Beispiele genannt.

Seit Beginn der 1990er Jahre folgten auch das Schweriner Theater und speziell das Orchester dem politischen Trend drastischer Sparmaßnahmen, die zumeist mit Personalabbau verbunden sind. Inzwischen hat die Mecklenburgische Staatskapelle – nach in mehreren Etappen erfolgter Stellenkürzung – noch 66 Musikerinnen und Musiker in ihren Reihen. Wie eingeschränkt dadurch die realisierbare Literatur ist, liegt auf der Hand. Immer mal wieder sind Fusionspläne mit Rostock und/oder Neubrandenburg im Gespräch, immer mal wieder hagelt es Protest von künstlerischer Seite wie auch von Teilen des Publikums. Betroffen wären schließlich beide davon.

Die Stimmung am Schweriner See ist also gedrückt. Feierlaune sieht anders aus. Dennoch gab es Ende Mai ein Festkonzert „450 Jahre Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin“, in dem das Orchester unter Daniel Huppert mit der Solistin Isabelle van Keulen das Brahms-Violinkonzert sowie Igor Strawinskys „Feuervogel“ aufführte. Als Auftragswerk zum Jubiläum schrieb Siegfried Matthus für diesen Abend ein „Schweriner Konzert“, mit dem er gegen weitere Sparmaßnahmen und den Schwund von kultureller Bildung protestieren wolle. Mehrere Politiker von Stadt und Land nutzten den Anlass, um sich zumindest verbal zum Erhalt der Kapelle zu bekennen. Schwerin sei ohne die Staatskapelle undenkbar, meinte etwa die Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt. Auch Kurt Masur mahnte den Erhalt seines einstigen Klangkörpers an. Er wolle „diesem Orchester – und ausdrücklich auch seinem Publikum! – viel Kraft und alles Glück“ wünschen, um derlei Angriffe unbeschadet zu überstehen, und forderte von den politisch Verantwortlichen, die Augen zu öffnen „für diesen einmaligen Schatz, den es zu bewahren und zu pflegen gilt.“


Der Autor ist Verfasser der Festschrift „450 Jahre Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin – Auf dem Weg zum halben Jahrtausend“

 

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