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Sven Ferchow. Selfie

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Adele verdichtet

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Ferchows Fenstersturz 2024/9
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Wie niedlich. Nachdem uns die Konzertveranstalter mit pränatalen Early Bird Tickets und dynamischen Preisanpassungen abgemolken haben, kommt nun die Charmeoffensive.

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Man möchte den Konzertbesucher in die große Nachhaltigkeitswolke einlullen. Und das geht so: Weil das wohlstandsverwahrloste Musikvolk inzwischen zu faul ist, zum Künstler zu kommen, kommt der Künstler jetzt zum Volk. Stichwort Popup-Arena. In München-Riem ließ sich Sängerin Adele Buddha-artig für zehn Konzerte im August nieder. Dafür hat man ihr ein eigenes Konzertstadion gebaut. Ohne Sklaven. Und es wurde verdichteter Sicker-Asphalt verwendet, der dafür sorgt, dass die zugereiste Schwabinger Mistgabel-Königin bei Regen auf Stöckelschuhen zu Adele staksen kann. Und das Beste: Den Asphalt kann man (auch) wiederverwenden. Ist das noch „artificial greenwashing“ oder schon „whitewashing”? 
Damit so eine Popup-Arena nachhaltig zertifiziert ist, bleibt es freilich nicht beim Mehrfachverwenden der Schühchen. Und die ersten, die das kapiert haben, waren die Amis. Um Adele in Europa zu sehen, fliegen die nämlich in die Schweiz und fahren mit dem Auto weiter nach München. Grandios. Kerosin sparen, Flugmeilen kassieren und dafür den Diesel in Europa rauspusten. Geflogener Klimawandel. Und damit machen die sogar Gewinn. Denn ein Ticket für Adele würde in Amerika 2.500 Dollar kosten. Okay. Schon ein kleiner ökologischer Klops im Konzept. Den Adele jedoch selbst ausgleicht, indem sie vorbildlich mit dem Heli zwischen Hotel und Popup-Arena pendelt, weil die Zufahrtswege zur Arena mit 75.000 Parkplatzsuchenden verstopft sind.

Aber auch dafür gibt es Abhilfe. Das neu aufgelegte „paid but stuck“-Ticket. Sie haben zwar ein Ticket für 439 Euro gekauft, versäumen aber den Konzertbeginn, weil sie in Kufstein parken müssen? Exakt für diesen Fall wurde bereits seit April – und da ist Bayern wegweisend – eine Strafkolonie verurteilter Sympathisanten der „Letzten Generation“ gerichtlich verdonnert, sämtliche Abfälle der Münchner Bioresttonnen zu einem riesigen Besucherberg im Münchner Umland zusammenzuschieben. So kann man unpünktlich, aber nachhaltig auf einem Bioberg sitzend, die Show verfolgen, die auf der größten LED-Leinwand der Welt eben bis nach Kufstein strahlt. Keine Panik wegen der Stromkosten. Die sparen die bayerischen Bäder wieder ein. Wird das Säuglingsbecken eben wieder ein Jahr auf 14 Grad runtergekühlt. Nachhaltigkeit ist keine Einbahnstraße. 

Bei solch klimatischen Erfolgskonzepten wird man auch in Berlin hellhörig. Da möchte derzeit außer den Ampel-Politikern kein echter Künstler bleiben. Neben dem neuen Flughafen hätte man eine adäquate Freifläche entdeckt, die alle Kriterien einer Pop-Arena erfüllt. Die ersten Ausschreibungen laufen und 2050 soll das erste Konzert stattfinden. Randnotiz: Die Rolling Stones haben ohne Zögern zugesagt, die ersten zehn Konzerte im Rahmen ihrer „Once in a lifetime“-Tournee in der Berlin Arena zu spielen. 

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