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Moritz Eggert. Foto: Juan Martin Koch

Moritz Eggert.

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Ahnest du den Schöpfer, Welt?

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Absolute Beginners 2025/03
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Ab und zu gönnen mir meine fleißigen Studierenden eine kurze Mittagspause, in der ich mich kurz entspannen kann. Aber anstatt „doomscrolling“ zu betreiben, wollte ich lieber proaktiv sein und Interessantes recherchieren. Wie viele wissen, bin ich Kompositionsschüler des wunderbaren Wilhelm Killmayer, der in zwei Jahren seinen 100. Geburtstag feiern würde. Und Killmayer wiederum war Schüler von Carl Orff, der an der Münchner Hochschule unterrichtete. Aber wer war der wichtigste Lehrer von Orff gewesen? Das fiel mir nicht ein, daher recherchierte ich im Internet. Natürlich, Heinrich Kaminski! Aber ich gab mich nicht zufrieden: wer war der Hauptlehrer von Heinrich Kaminski gewesen? Niemand anderes als Max Reger, ein Komponist den ich schätze und liebe. So weit, so sympathisch. Aber was wäre, wenn ich noch weiter zurückgehen würde? Immerhin war ich jetzt schon Ur-Urenkel-Schüler von Max Reger, was konnte da noch kommen?

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Der Hauptlehrer von Max Reger war nicht schwer zu finden, es war natürlich Hugo Riemann, im Besitz des gleichnamigen Lexikons sind viele, die noch Bücher zuhause haben. Aber wer war der Hauptlehrer von Riemann? Mein Namensvetter Moritz Hauptmann, in den Konzertsälen nicht mehr präsent, aber in der Musikwissenschaft ein Begriff. Aber auch Kollege Hauptmann hatte doch sicher einen Lehrer? Ja, keinen geringeren als Louis Spohr, dessen Musik heute definitiv noch gespielt wird, auch wenn es meistens „Der Hirt auf dem Felsen“ ist. Ach nein, quatsch, das ist natürlich von Schubert, aber Spohrs „6 Lieder“ sind immer auf derselben CD, weil sie dieselbe Besetzung haben, deswegen verwechselt man das immer.

Nun, wer war der Lehrer von Louis Spohr?­ Andreas Jakob Romberg. Und hier wird es interessant, denn die Rombergs waren eine der wichtigsten Musikerfamilien ihrer Zeit und Teil einer absoluten „Supergroup“ des 18. Jahrhunderts, nämlich als Andreas (Geige) und sein Bruder Bernhard (Cello) gemeinsam mit Franz Ries (Geige) und niemand anderem als Ludwig van Beethoven (Bratsche) in Bonn ein Streichquartett betrieben. Nun befinden wir uns in einer Zeit, in der es akademischen Kompositionsunterricht, so wie wir ihn heute kennen, noch nicht gab, und meistens die jeweiligen Väter dafür verantwortlich waren, ihre Kinder in Kontrapunkt und Instrumentation zu unterrichten. In Beethovens Fall war dies der prügelnde Trunkenbold Johann van Beethoven, aber wichtigere Impulse wird er natürlich von Haydn bekommen haben. Aber es ist auch verbürgt, dass Beethoven – obwohl drei Jahre jünger – Andreas Romberg erste kompositorische Tipps gegeben hat, und dass Romberg sein Leben lang von dieser Freundschaft künstlerisch profitierte.

Und damit haben wir es: Wilhelm Killmayer war ein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urenkelschüler von Ludwig van Beethoven, es gibt eine direkte Linie von ihm zum Bonner Meister. Meine Studierenden können wiederum zwei „Ur“ dranhängen und sich ebenfalls auf Ludwig B. berufen.

Nicht, weil man sich darauf etwas einbilden sollte. Aber es ist schön, sich ab und zu daran zu erinnern, dass alles irgendwie zusammenhängt. Es gibt vielleicht Dinge, die Beethoven zu Romberg gesagt hat, die – wie eine Art stille Post über die Generationen – immer weitergetragen wurden, ohne, dass es den jeweiligen Personen vielleicht bewusst war. Wir stehen auf den Schultern von Riesinnen und Riesen. Und das ist etwas Wunderschönes.

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