Orchester sind doch etwas wunderbares. Sie machen viele Geräusche, sogar Musik, wenn man die Noten vorlegt und dann klingt es richtig gut und satt. Ein richtiges Orchester richtig im Griff macht das richtige Geräusch. Dazu braucht es in der Regel noch einen einigermaßen fähigen Dirigenten und die Sache wuppt. Das könnte man alles ein bisschen billiger haben, denn dank Computer oder Spielekonsole kann man sich vor ein virtuelles Orchester stellen und seiner orchesterleitenden Autorität Gehör verschaffen. Allein, das gibt es noch nicht. Fussballmanager kann man werden, oder andere Sportteams durch Computerspiele simuliert zum Erfolg führen. Flugzeuge kann man so lenken oder U-Boote, Kriege gewinnen oder verlieren, Terroreinsätze durchführen, Länder bauen oder im Chaos versinken lassen. Aber eine Software für Orchestermanager gibt es nicht. Dabei wäre das ein ganz amüsantes und lehrreiches Spielevergnügen. „Orchestra Wars I“ – das ultimative Kulturmanagement-Spiel: Tausche Metzmacher gegen zwei Thielemanns, kaufe Erste-Geiger in Südkorea, Solistenverkäufe an André Rieus Festivalorchester oder zähe Verhandlungen mit Gewerkschaften und Kulturdezernenten, Kampf mit der Gemakratie, Bekleidung für Peter Eötvös kaufen.
Nein, für reale Manager gibt es bisher „nur“ die Möglichkeit, ein Orchester zu dirigieren; und diese Aktion, eingerichtet vom RIAS Jugendorchester, ist nun ein „ausgewählter Ort 2010“ im Wettbewerb „Deutschland – Land der Ideen“. Heute hat so was natürlich seine eigene Philosophie. Ich meine, Kant hin, Hegel her, Philosophie ist discount-tauglich: „Die Parallelen zwischen einem Wirtschaftsunternehmen und einem Symphonie-Orchester liegen auf der Hand: unterschiedliche, hierarchisch strukturierte Abteilungen und Teams, deren Arbeitsergebnisse erst im Zusammenhang ihre Wirkung entfalten. Der Führungskraft obliegt es anzuleiten, zu motivieren, klare Vorgaben zu machen und, nicht zuletzt, verantwortlich für das Ergebnis einzustehen.“ Preis pro Person: 2.100 €.Das Orchester als Flugsimulator für die reale Führungstätigkeit?
Es wäre viel Triftiges gegen diese Defunktionalisierung, um nicht zu sagen ästhetisch-politische Zuhälterei, anzuführen, zumal an einem Jugendorchester; oder über Sinn und Unsinn simulierter Simulationen. Allein, das wäre zu billig. Dass man derlei aber zu einem „ausgewählten Ort im Land der Ideen“ propagiert, zeigt, dass auch der Begriff der Idee gründlich auf den Hund im Land der Bespaßer und Funktionsnullen gekommen ist – eine Idee ist etwas, was man nicht hat, aber verkaufen kann. So wird Gehirnwäsche einfach als Neuroakrobatik gelobt. Mag sein.
Vielleicht stimmt aber auch das Gegenteil und wir müssen nur realisieren lernen, dass unsere Pult-Löwen eigentlich andere Jobs haben. Metzmacher ist in Wirklichkeit Topmanager bei der Deutschen Bank, Thielemann bei Fielmann und Eötvös bei kik – gelernt ist gelernt.