Die Welt bleibt ungerecht. Saddam: hingerichtet. Osama: tot. Josefa Schmid, Bürgermeisterin im niederbayerischen Kollnburg: singt weiter. Nachdem sie 2013 den Fendrich- Song „Weus‘d a Herz hast wia a Bergwerk“ als Glas schreddernde Hupe quietschte, meint sie es mit ihrem neuen Song „Tiziano“ verdammt ernst. Leider hat der Song nichts mit „Cinzano“ zu tun. Was besser wäre.
Einschüchternder als der despotisch geleierte Song selbst ist jedoch das auf youtube veröffentlichte Video, dessen Regie man lieber mal dem Kollnburger Burschenverein am Tag nach dem wöchentlichen Besäufnis überlassen hätte. Dort empfängt uns im mafiösen Fischerdorf eine in rot gehüllte Josefa in einem Fetzen, für den es am Abi-Ball Prügel gesetzt hätte. Erst für die Eltern. Dann für die Trägerin. Zum Glück hat Josefa aber die Haare schön. Für die frisch gezogene Dauerwelle hat sie zwar die Lockenwickler mit dem Fleischwolf des örtlichen Metzgers verwechselt, aber mei... So gepimpt steht Josefa nun trällernd auf einer Klippe über dem Meer und verleiht dem Begriff Sirene eine komplett neue Bedeutung während sie – und das ist wenigstens authentisch für ihre niederbayerische Heimat – die deutsche Satzstruktur „Subjekt, Prädikat, Objekt“ mit rücksichtlos zusammen gedengelten Zeilen wie „Hast gefragt ein bisschen schüchtern, ob ich tanzen will mit dir, Meine Hand liegt warm in deiner, als mein Herz ich pochen spür“ ins Wanken bringt. Da würde ich als Wähler schon mal fragen, ob Josefa da einen Schüler der örtlichen Ü-Klasse „schwarz“ (ho-ho, politischer Witz!) beschäftigt hat.
Zurück. Denn als Josefa da auf ihrem Felsen thront und jeden dunkel gefärbten bayerischen Vokal wie einen Hieb mit der Stichsäge zwischen die Zehen klingen lässt, möchte man ihr erbarmungslos zurufen „Noch einen Schritt zurück!“, um das weitere Fremdschämen endlich beenden zu dürfen. Denn als Nebendarsteller wurde offenbar Mario aka Tiziano, der örtliche Callboy, verpflichtet. Den schmachtet Josefa mit Schlafzimmerblick durchaus dominant wie gierig an und hebelt damit sehr humorlos die Grundrechte auf menschenwürdige Arbeit aus.
Und was passiert, wenn man zu oft am Melissengeist nippt, zeigt Josefa später, als sie Händchen haltend und Oscar verdächtig mit Tiziano durch italienische Hinterhöfe streunt und stolpert. Songtext und Video enden jedenfalls mit der berechtigten Flucht Tizianos. Und fragen Sie ja nicht vor wem! Beim Stichwort Flucht wurden zumindest die italienischen Behörden hellhörig. So soll es eine Anfrage geben, ob Josefa ihren Song „Tiziano“ nicht als Dauerschleife vor Lampedusa heulen könnte. Zur Flüchtlingsabschreckung. Tja. Ein Video im Kuhstall wäre unverfänglicher gewesen. Ich hoffe, es finden sich keine politischen Nachahmer. Wobei ein bräsig gehauchtes „Ti amo“ von Andrea Nahles sicher für Ruhe in einigen Bürgerkriegsgebieten sorgen würde. Notiz an mich: unfassbar, dieses Video mehrmals gesehen zu haben. Auswechseln. Bitte!