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Das große Nichts

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Sicher. Es gibt verhinderte Menschen, gerne Philosophen genannt, die sich intensiver mit dem Nichts auseinandersetzten als ich. Beziehungsweise mit dem Alkohol. Doch längst habe selbst ich begriffen, dass der Popkosmos mittlerweile ausschließlich aus Nichts besteht. Wahrscheinlich sogar diese Kolumne. Es gilt beharrlich aus Nichts ein größeres Nichts zu machen. Das in Wichtigkeit gipfelt. Das Popgeschwür hängt am Tropf der Langeweile. Weil von depressiven Anwälten und aufgeregten Praktikanten geführt. Biss früher Ozzy Osbourne wenigstens noch einer Taube den Kopf ab oder betrieb Frank Farian mit zwei Hüpfdolen und Playbacksongs Menschenhandel, so gibt es heute schlicht nichts mehr vom Pop zu berichten. Außer, dass Amy „Brandy“ Winehouse ihren Drogenkonsum – vermutlich unter medizinischer Aufsicht – nach langem Kampf endlich justiert hat. Laut ärztlicher Doktrin sind morgens, mittags und abends zwei Lines erlaubt. Einzunehmen vor dem Essen und mit Alkohol. Dem dürfte ja nichts im Wege stehen.

Bleibt noch das andere, kolossale Nichts in Frankfurt. Die Musikmesse. Sie war wie seit Jahrzehnten wieder skandalös gut besucht. Die Auftragsbücher waren voll. Oder die Auftraggeber. Und wer in Ackermann-City keine Schrottware aus China im Container und zum debakulösen Dollarkurs erwarb, der knüpfte platonische Synergien zwischen Kultur, Berichterstattung und „musical spirit“. Was nichts anderes heißt, als zehn Jahre Unverbindlichkeiten, Konferenzen und Spesenabschreibungen zwischen Medien, Initiativen und Vereinen (natürlich e.V.). Der Fortschritt wird dort allerdings gepflegter niedergebügelt als in Tibet. Die schlichte Formulierung „Lass uns telefonieren“ beschützt den Stillstand für das nächste Jahrzehnt.

Und zuletzt, das gewaltigste Nichts aus dem östlichen Nichts: Tokio Hotel. Sänger Bill Kaulitz musste sich einer Stimmband-OP unterziehen. Empörend, dass man überhaupt glaubt, das Mädchen hätte je live und selbst gesungen. Aber die Meldung ohne Gehalt wird zur Sternstunde des Nichts. Der Produzent der Band darf ins Rampenlicht treten und verkünden, dass der Operierte außer „1, 2 und 3“ nichts zu sagen hätte. Dabei drängt sich der Verdacht auf, die Operation wäre eine Präventionsmaßnahme für Monsieur Kaulitz‘ Wehrdienst. Eine tiefere Stimme könnte die Kameraden im Gegensatz zur Frisur beschwichtigen. Und beim Make-up könnte der Barde selbst dem Hauptmann der Kompanie noch Tarn-Tipps bezüglich der Nachtübung im grünen Gelände geben. Angenehmer wäre es jedoch für ihn, Zivildienst abzuleisten. Wenn die nette Omi ihm dann einen Zehner zusteckt und höflich fragt, „Junges Fräulein, könnten Sie bitte meinen Darm spülen?“, kann ich Bill aus eigener Erfahrung beruhigen: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

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