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Instrument des Jahres 2024: Tuba. Serienbild.

Instrument des Jahres 2024: Tuba. (c) nmz/huf

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Das Musikinstrument des Jahres 2024: Tuba – Teil 8: Luft kostet nichts

Vorspann / Teaser

Die Tuba ist entgegen allen Klischees ein Musikinstrument, dem es gelungen ist, sich in der vollen Bandbreite der Musik zu etablieren. Klare und vernehmbare Basstöne, gar eine ganze (tragfähige) Basslinie, sind von existenzieller Bedeutung für das Funktionieren von Musik. – Unser heutiger Blick geht nach New Orleans und den dort entstandenen Jazz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. War die Tuba am Anfang DAS Bassinstrument im Jazz, verschwand sie bald fast vollständig aus den Bands, um in den 70ern mit neuer Virtuosität ein unaufhaltsames Comeback zu feiern.

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Schluss mit den Klischees! Zugegeben, die Tuba spielt immer wieder nur wenige Töne, gern auf den starken Taktzeiten, gern die Grundtöne der im gesamten Ensemble klingenden Harmonie. Andererseits haben wir in den letzten Monaten ein Musikinstrument kennengelernt, das sich seit seiner Erfindung Mitte des 19. Jahrhunderts durch vielfältige Einsatzmöglichkeiten in einem breiten Feld musikalischer Ensembles, Stilistiken und Gattungen als geradezu unersetzlich etabliert hat.

Die Tuba (und Ihre Spieler) stehen für ein solides und verlässliches musikalisches Fundament, für Lautstärke und Tragfähigkeit des Klangfundaments, für eine neue Klangfarbe im Bassregister und eben auch für eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit und Beweglichkeit. Von der Militärmusik über das Sinfonieorchester bis hin zur Volksmusik ist die Tuba heute nicht mehr wegzudenken. Bevor wir uns in den nächsten Monaten nun dem Instrument selbst zuwenden, wollen wir heute noch einen kurzen Blick auf die Tuba in Rock, Pop, Jazz und Hip Hop werfen.

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Philipp Westermann von der Band „Meute“ mit einem Sousaphon – einem engen Verwandten der Tuba. © Mahé Charpentier

Philipp Westermann von der Band „Meute“ mit einem Sousaphon – einem engen Verwandten der Tuba. © Mahé Charpentier

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New Orleans

Als sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in New Orleans der Jazz entwickelte, war die Tuba von Anfang an DAS Bassinstrument in den Brassbands und Ensembles. Anfangs gab es zwar noch Bands, die ohne selbständigen Bass spielten – Bands mit Banjo, Piano und Drums. Bald aber wurde die Tuba die harmonische und rhythmische Grundlage in diesen Bands. Sie markierte die Zählzeiten 1 und 3 im Takt, war ein „Twobeat-Instrument“, war für den Beat, den Grundrhythmus, zuständig.

Im New Orleans Jazz wurde statt der Tuba oft auch das Sousaphon verwendet, das sich beim Marschieren leichter handhaben ließ. Optisch scheint das Sousaphon um den Oberkörper des Spielers „gewickelt“ zu sein. Das Gewicht des Instrumentes damit auf der linken Schulter des Spielers. Die Tuba eignet sich besser zum Spiel im Sitzen. Bau- und klangtechnisch sind die beiden Instrumente, Tuba und Sousaphon, aber nahe Verwandte, Geschwister.

Mit dem Aufkommen des Swing in den 30er-Jahren verlor die Tuba zunehmend an Bedeutung, nur gelegentlich hörte man noch eine Basstuba in den Ensembles. Der flexiblere und agilere gezupfte Kontrabass übernahm die Basslinien, aus „two-beat“ wurde der „walking bass“. Auch hatten die Kontrabassisten mehr Ausdauer als die Tubisten, denen schon mal die Luft auszugehen drohte. Durch die Entwicklung der ersten Verstärker konnte die Lautstärke des Kontrabasses auch den Bedürfnissen des Ensembles besser angeglichen werden.

In den 60er-Jahre kam die Tuba als neue Klangfarbe in die Bands zurück. Miles Davis („Es kommt nicht auf die Noten an, die du spielst. Sondern auf die, die du nicht spielst“) verwendet die Tuba eingeflochten in den Bläsersatz im Nonett seines Studioalbums „Birth of the Cool“. Die Tuba bekommt in der Folge Solostellen und wurde mehr und mehr zu einer eigenständigen und von allen Zwängen (= Klischees) befreiten Stimme.

In den 70er-Jahren kam die Tuba zu neuen Ehren und entwickelte sich zum anerkannten Soloinstrument. Federführend waren hier die Tubisten Howard Lewis Johnson („Der einzige Grund, dass die Tuba einen schlechten Ruf hat, liegt darin, dass sie schlecht gespielt wird“) und Bob Stewart (Lester Bowie lobte ihn als „the man who never stops“). Die Spieltechnik der Tuba – insbesondere die Atemtechnik und der Ansatz, die Lippenspannung – hatte sich erheblich weiterentwickelt. Bei Johnson und Stewart war fast alles möglich, ihr Spiel war so ausgesprochen virtuos, dass das, was zuvor auf dem Kontrabass gespielt wurde, nun die Tuba lässig übernehmen konnte. 1977 gründete Johnson unter anderem mit Stewart das Tuba-Sextett „Gravity“, das mehrere Alben eingespielt hat.

Hamburg

Der Tubist Philipp Westermann von der Band „Meute“ in Hamburg beschreibt die neue Atemtechnik mit Sentenzen wie „Luft kann man verschwenden“ oder „Luft kostet nichts“. Es geht letztlich darum einen „warmen Wind“, einen „flow“ zu erzeugen, der ohne große Kraftanstrengung erzeugt wird. Von diesem Moment an war quasi alles spielbar – bis hin zu Hiphop und Techno.

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Musik ohne Ende – und in der Mitte das „demokratischste Instrument“ schlechthin. © Mahé Charpentier

Musik ohne Ende – und in der Mitte das „demokratischste Instrument“ schlechthin. © Mahé Charpentier

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Apropos Philipp Westermann – er ist der Tubist der Band „Meute“. Die 11 Musiker, acht Bläser und drei Schlagzeuger, bilden eine Techno-Marching-Band, die Techno-, House- und Deep-House-Werke von bekannten DJs neu setzt. Letztlich, so berichtet Westermann, machen wir das, was ein DJ macht, der Synthesizerklänge nachzuahmen versucht. Diese Klänge versucht „Meute“ wieder rückgängig zu machen und analog darzustellen.

„Techno“, so Westermann, ist „Musik zum Tanzen, zum Zusammenkommen, die von ihrem repetitiven Charakter lebt“. „Meute“ ist seit 2015 unterwegs und hat schnell überall auf der Welt einen weiten Kreis an Fans und Anhängern gefunden. So spielen die Musiker nicht nur auf Festivals und in Clubs, sondern auch gelegentlich in klassischen Konzertsälen und dem Dach der Elbphilharmonie.

Zuhause

Westermann, der Schirmherr der Aktion „Instrument des Jahres 2024“ des Landesmusikrates Hamburg ist, ist dankbar für die große mediale Aufmerksamkeit, die der Tuba im Rahmen dieser Aktion zuteilwird. Sogar der Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien, Carsten Brosda, war zur Eröffnung des Jahres dabei. Darüber freut sich Westermann besonders, denn politische Unterstützung ist durchaus nicht selbstverständlich.

Durch die sehr besondere Musik, die „Meute“ macht, genießen sie eine besondere Aufmerksamkeit. Westermann erzählt von Bekannten, deren Kinder gerade durch die „coole“ Musik von „Meute“ wieder Lust am Üben bekommen haben. Das ist natürlich musikalisch und den Nachwuchs betreffend wichtig. Für Westermann kommt aber noch hinzu, dass die Tuba wohl das demokratischste Instrument überhaupt ist – als Tubist „muss man Verantwortung übernehmen und die anderen immer im Blick haben“.

Nicht nur als Schirmherr, sondern auch als Mensch und Musiker, würde Westermann „jedem Menschen ans Herz legen, sich die Frage zu stellen, ob man nicht Tuba spielen lernen sollte. Man lernt dabei so viele Dinge in der Gemeinschaft eines Ensembles: Intonation, Rhythmus und eben demokratisches Verhalten in einer Gruppe.“ Alle, denen das Instrument zu teuer scheint (denn 1500 Euro muss man schon rechnen), erinnert Westermann daran, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, sich über Bläserklassen in den Schulen, unterschiedlichste Musikvereine, befreundete Tuba-Lehrer usw. ein Leihinstrument zu beschaffen. Ausreden, nicht selbst das Tubaspielen zu erlernen, gibt es also keine!

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Abfeiern rund ums Sousaphon! © Mahé Charpentier

Abfeiern rund ums Sousaphon! © Mahé Charpentier

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Weitere Informationen:

  • Homepage der Band „Meute“: https://www.meute.eu/music/
  • Ab dem 25. September ist „Meute“ wieder auf Tour – durch Belgien, Großbritannien, Portugal, Spanien, Deutschland und die Niederlande. In Deutschland spielen sie am 16. und 17. Oktober in Hamburg (leider schon ausverkauft – vielleicht noch einzelne Restkarten), am 18. Oktober in Münster und am 19. Oktober in Düsseldorf. Für die Konzerte in Münster und Düsseldorf gibt es noch Karten.

Klänge:

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